Kiew meldet neue russische Raketenangriffe, Infrastruktur soll in Bunker wandern
Russland feuert weiter aus allen Rohren auf das Nachbarland Ukraine. Dabei setzt Moskau zur Verwirrung der Flugabwehr auch auf Attrappen. Kiew will die vom Kreml ins Visier genommene Infrastruktur indes nach Möglichkeit in Bunker verlegen.
Kiew, Moskau – In einer nächtlichen Angriffswelle hat das russische Militär 36 Raketen und Marschflugkörper auf die Ukraine abgefeuert. "Leider gibt es Treffer im Norden, Westen und in den Gebieten Dnipropetrowsk und Kirowograd", teilte der Leiter des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, im Nachrichtenkanal Telegram mit. Das russische Militär setze auch Attrappen zur Irreführung der Flugabwehr ein. Die ukrainische Armeeführung informierte über 16 abgefangene Raketen.
Behördenangaben nach kam in Pawlohrad im Gebiet Dnipropetrowsk eine 79 Jahre alte Frau infolge eines Raketeneinschlags ums Leben. Acht Personen seien verletzt worden. Es gebe Schäden an 50 Wohnhäusern und einem Industriebetrieb. Im westukrainischen Gebiet Lwiw seien drei Raketen in ein Objekt der kritischen Infrastruktur eingeschlagen. Weitere Treffer habe es bei Krementschuk und Kropywnyzkyj in den zentralukrainischen Gebieten Poltawa und Kirowograd gegeben.
Umspannwerke sollen unter die Erde verlegt werden
Wegen des andauernden Raketenbeschusses will die Ukraine Medienberichten zufolge Teile ihrer Energieinfrastruktur in unterirdische Bunker verlagern. In einem Pilotprojekt sollen zwei der insgesamt 90 großen Umspannwerke im Land unter die Erde verlegt werden, schrieb die ukrainische Forbes-Ausgabe in einem Bericht, der am Donnerstag auch von anderen Medien aufgenommen wurde. Die Bunker sollen die Anlagen vor direkten Raketentreffern schützen.
Das Problem sind dabei die hohen Kosten. Umspannwerke sind nötig, um den Strom vom Kraftwerk unter möglichst geringen Energieverlusten zum Verbraucher zu bringen. Der Bau eines Umspannwerks kostet nach Angaben von Yuri Kasich, dem ehemaligen Direktor des Stromversorgers Ukrenergo, etwa 30 Millionen Euro. Bei einer Verlegung der teilweise großen Anlagen unter die Erde sind es 20 bis 25 Prozent mehr. Bei 90 großen Umspannwerken belaufen sich die Kosten auf mehr als drei Milliarden Euro.
Israels Außenminister in der Ukraine
Unterdessen besuchte am Donnerstag der israelische Außenminister Eli Cohen als erster ranghoher Politiker Israels seit Kriegsbeginn die Ukraine. Nach einem Treffen mit Außenminister Dmytro Kuleba kündigte Cohen am Donnerstag an, Israel werde mit bis zu 200 Millionen Dollar (rund 190 Millionen Euro) Projekte im Gesundheitswesen und in der zivilen Infrastruktur mitfinanzieren. Zudem wolle sein Land bei der Entwicklung eines Frühwarnsystems helfen.
Zu möglichen Waffenlieferungen, die von der Ukraine seit langem gefordert werden, äußerte sich Cohen nicht. Am Nachmittag war ein Gespräch mit Präsident Wolodymyr Selenskyj geplant. Der Israeli besuchte auch den Kiewer Vorort Butscha, einem der Schauplätze von russischen Gräueltaten, und legte an der Holocaust-Gedenkstätte Babyn Jar einen Kranz nieder. Dort wurden 1941 etwa 33.000 Juden von deutschen Truppen ermordet und verscharrt.
Israel hat Russlands Angriffskrieg in der Ukraine zwar mehrfach klar verurteilt und humanitäre Hilfe zugesagt. Insgesamt blieb es jedoch eher zurückhaltend und lehnt bisher auch Waffenlieferungen ab. Russland hat großen Einfluss auf die Lage in Syrien. Israel will in dem Nachbarland verhindern, dass sein Erzfeind Iran und mit ihm verbündete Milizen wie die Hisbollah ihren militärischen Einfluss ausweiten. Außerdem gibt es in Russland eine große jüdische Gemeinde. (APA, Reuters, dpa)