Königlich kaputt durch die Krise: „Django“ geht auf Sky in Serie
Stars in schwarzem Leder und Pistolen aus dem Sarg: Der Italo-Western-Klassiker „Django“ geht in Serie. Ab heute bei Sky.
Innsbruck – In Sergio Corbuccis „Django“ (1966) zieht einer, der keinen Namen hat und deshalb Django genannt wird, einen Sarg durch den Matsch – und wenn es hart auf hart kommt, lupft er den Sargdeckel, holt sein Maschinengewehr heraus und mäht die Tunichtgute im Dutzend weg. „Django“ ist inzwischen beinahe sechzig Jahre alt. Trotzdem ist der unverhohlen zur Schau gestellte Zynismus des Films bis heute verblüffend. Was mit Sergio Leone, Clint Eastwood und einer Handvoll Dollar zwei Jahre davor begonnen hatte, die Drehung der uramerikanischen Heldenlegenden von der vermeintlich sauberen Eroberung des „Wilden Westens“ ins Dreckige, hat Corbucci mit „Django“ konsequent weitergedacht: Nichts ist sauber in dieser Welt – und Pistoleros schon gar nicht. Wirklich erholt hat sich der Western als Filmgenre vom italienischen Angriff auf jene Geschichten, die sich das weiße Amerika seit Stummfilmtagen erzählt, nicht mehr. Fortan konnte im Cowboy-Kostüm ungeschönt von den Verheerungen in Vietnam erzählt werden, von Völkermord und anderen Formen der Verkommenheit.
Die Regisseurin Francesca Comencini, die zuletzt auch die Serie „Gomorrha“ verantwortete, war von „Django“ schon als Kind fasziniert. „Dieser Film ist revolutionär, weil er eine bewährte Form mit neuen Inhalten füllt – und erstarrte Rollenbilder sprengt“, sagt sie im Gespräch mit der Tiroler Tageszeitung. „Django“ sei frei und anarchisch – vor allem aber sei der Film eine zornige Reaktion auf die großen Krisen seiner Zeit. „Auch wir leben in Krisenzeiten“, sagt Comencini, da liege es durchaus nahe, sich erneut an den schweigsamen Sargzieher zu erinnern. Trotzdem: Mir nichts, dir nichts an ein Remake des inzwischen klassisch gewordenen Anti-Westerns herangetraut hätte sie sich wohl nicht, gesteht sie. Aber als ihr das Drehbuch von Leonardo Fasoli und Maddalena Ravagli angeboten wurde, konnte sie nicht mehr Nein sagen. „Wir erzählen die alte Geschichte nicht nach“, erklärt sie, „sondern knüpfen lose daran an, um über unsere Gegenwart nachzudenken.“
Und weil große Gegenwartsstoffe schon lange nicht mehr als straffer Neunzigminüter erzählt werden, sondern gleich in Serie gehen, ist „Django“ nun tatsächlich zur Serie geworden: Zehn Episoden à 50 Minuten. Comencini hat den Großteil davon inszeniert und die Gesamtproduktion künstlerisch geleitet. Einen Sarg im Schlamm zeigt sie bereits in den ersten Minuten. Allerdings werden diesmal Waffen hineingelegt. Ein leise ironischer Gruß ans Original. Der etwas lautere folgt einige Episoden später: Franco Nero, der als Ur-Django zum Star wurde, hat einen rührenden Gastauftritt. Den Django spielt er nicht mehr. Django, das ist jetzt Matthias Schoenaerts. Und was es mit diesem großen Schweiger, seinem geschundenen Blick und seinem locker sitzenden Revolver auf sich hat, wird erst nach und nach klar. Zunächst ist Django einfach da. Und er läuft Gefahr, am nächsten Baum aufgehängt zu werden. Nach New Babylon ist er gekommen, um etwas wieder gutzumachen. Seine Tochter (Lisa Vicari) zeigt ihm die kalte Schulter. Ihr künftiger Gatte (Nicholas Pinnock), der im neuen Babylon, wo beinahe alles erlaubt ist, das Sagen hat, erkennt Djangos Qualitäten: Im Kampf mit der bigott-brutalen Betschwester Elisabeth Ellis ist einer, der keine Gefangenen macht, hilfreich.
Elisabeth Ellis ist das eigentliche Zentrum der Serie. Gespielt wird sie von Noomi Rapace, die als Lisbeth Salander in den Stieg-Larsson-Verfilmungen berühmt wurde und sich seither den Luxus leistet, auch Seltsames zu veredeln. Eigentlich habe sie vorgehabt, eine einjährige Drehpause einzulegen, sagt Rapace zur TT: „Aber auf Elisabeth wollte ich nicht verzichten. So einen Bösewicht hat es noch nie gegeben.“ In ihrem ersten Auftritt wütet sie in schwarzem Leder und bis an die Zähne bewaffnet durch ein Freudenhaus: Kugeln zischen, Blut spritzt – und auf der Tonspur singt Edith Piaf. Später zwingt sie ihren Buben zum gemeinsamen Gebet. Großartig ist das. Großartig und grotesk. Danach freilich geht es etwas getragener weiter. „Django“ erlaubt sich große Gesten, mitunter wird’s ein bisschen angestrengt emotional. Lässt man sich auch darauf ein, wird man reich beschenkt: mit königlich kaputten Charakteren zum Beispiel, mit Gesichtern, die wirken, als wären sie mit dem Meißel gezogen, mit verwegenen Wendungen – und mit viel wunderschönem Matsch. (jole)