Konferenz in München

Härtere Sanktionen gegen Moskaus Unterstützer, Ukraine will geächtete Waffen

US-Außenminister Antony Blinken (r.) bei seinem Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba bei der Münchner Sicherheitskonferenz.
© PETR DAVID JOSEK

Kiew fordert auf der Münchner Sicherheitskonferenz Streumunition und Phosphor-Brandwaffen. NATO-Generalsekretär Stoltenberg erteilt dem eine Absage. Die G7-Staaten haben in München härtere Sanktionen gegen Moskau sowie gegen Staaten angekündigt, die Russlands Krieg materiell unterstützen.

München/Kiew – Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat die Forderung seines Landes nach Streumunition verteidigt. Man verstehe, dass diese Munition in der Weltpolitik umstritten sei - die Ukraine sei aber keine Vertragspartei des Übereinkommens über das Verbot von Streumunition, sagte er am Samstag vor Journalisten auf der Münchner Sicherheitskonferenz. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erteilte der Forderung der Ukraine umgehend eine Absage.

"Die NATO hat diese Art von Waffen weder empfohlen noch geliefert. Wir liefern Artillerie und andere Arten von Waffen, aber keine Streubomben", sagte Stoltenberg auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Samstag RTL/ntv.

Die NATO hat diese Art von Waffen weder empfohlen noch geliefert. Wir liefern Artillerie und andere Arten von Waffen, aber keine Streubomben.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg

Der ukrainische Vizeregierungschef Olexander Kubrakow hatte auf der Sicherheitskonferenz am Freitag Streumunition und Phosphor-Brandwaffen gefordert - der Einsatz beider Waffen ist sehr umstritten, Streumunition ist völkerrechtlich geächtet. Wie Russland wolle auch sein Land diese "Art von Kampfmitteln" nutzen, sagte er. Er verstehe die Schwierigkeiten, aber diese Munition könne dazu beitragen, den Angreifern standzuhalten.

Kuleba erklärte: "Rechtlich gesehen gibt es dafür also keine Hindernisse. Und wenn wir sie erhalten, werden wir sie ausschließlich gegen die Streitkräfte der Russischen Föderation einsetzen." Die Ukraine habe Beweise dafür, dass Russland Streumunition verwende, sagte Kuleba weiter.

Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper freisetzen. Phosphormunition kann schwerste Verbrennungen und Vergiftungen verursachen.

G7 kündigen härtere Sanktionen gegen Moskau und Unterstützer an

Die Außenminister der G7-Staaten haben in München härtere Sanktionen gegen Russland sowie gegen Staaten angekündigt, die Russlands "illegalen Krieg gegen die Ukraine" materiell unterstützen. Von Drittstaaten werde erwartet, dass diese nicht die Strafmaßnahmen gegen Moskau untergraben, hieß es in einer am Samstag am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz veröffentlichten Erklärung des japanischen G7-Vorsitzes.

Drittstaaten würden aufgefordert, ihre Unterstützung für die russische Armee und deren verbündete Truppen zu beenden, sonst drohten ihnen "hohe Kosten". Die G7-Staaten bekräftigten zudem ihre Kritik an den atomaren Drohungen des Kreml. "Russlands unverantwortliche nukleare Rhetorik ist inakzeptabel und jedem Einsatz von chemischen, biologischen oder nuklearen Waffen oder ähnlichen Stoffen würde mit schwerwiegenden Konsequenzen begegnet", erklärte der japanische Außenminister Hayashi Yoshimasa als Vorsitzender des G7-Außenministertreffens.

Kubrakow warb zudem erneut um die Lieferung von Kampfjets. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki machte deutlich, dass sein Land bereit wäre, gemeinsam mit anderen Kampfjets an die Ukraine zu liefern. Als Voraussetzung nannte er allerdings eine NATO-Entscheidung für einen solchen Schritt.

Harris: Werden Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen

Die USA warfen Russland am Samstag Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine vor und wollen die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft ziehen. "Wir haben die Beweise geprüft, wir kennen die gesetzlichen Normen, und es besteht kein Zweifel: Das sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte US-Vizepräsidentin Kamala Harris am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

Harris warf den russischen Streitkräften "weitreichende und systematische Angriffe auf die Zivilbevölkerung" vor. Konkret beschuldigte sie die Truppen des Mordes, der Folter, Vergewaltigung und Deportation. Hunderttausende Menschen seien gewaltsam nach Russland verschleppt worden, darunter Kinder. "Sie haben Kinder grausam von ihren Familien getrennt", sagte Harris.

Wir haben die Beweise geprüft, wir kennen die gesetzlichen Normen, und es besteht kein Zweifel: Das sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Kamala Harris, US-Vizepräsidentin

Den Verantwortlichen drohte die US-Vizepräsidentin mit Konsequenzen: "Ich sage allen, die diese Verbrechen begangen haben, und ihren Vorgesetzten, die an diesen Verbrechen mitschuldig sind: Sie werden zur Rechenschaft gezogen." Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind schwere Verstöße gegen das internationale Völkerrecht. Sie sind durch systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung gekennzeichnet. Zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zählen zum Beispiel Mord, Versklavung und Deportation.

In ihrer Rede warnte Harris auch China davor, Russland militärisch zu helfen. Alle Schritte Chinas in diese Richtung würden "Aggression belohnen, das Töten fortsetzen und eine regelbasierte Ordnung weiter untergraben."

Stoltenberg: "Sollten nicht den gleichen Fehler mit China machen"

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte zuvor vor einer zu großen Abhängigkeit europäischer Länder von autoritären Staaten gewarnt. "Wir sollten nicht den gleichen Fehler mit China machen", so Stoltenberg am Samstag in München. "Was heute in Europa passiert, könnte morgen in Ostasien passieren." Der Westen sollte sich laut Stoltenberg nicht zu abhängig von importierten Produkten und Rohstoffen machen, den Export wichtiger Technologien vermeiden und "unsere kritische Infrastruktur zu Hause schützen". Zwar sollten der Handel und das wirtschaftliche Engagement in China nicht aufhören, "aber unsere wirtschaftlichen Interessen können nicht unsere Sicherheitsinteressen überwiegen". Peking schaue sich genau an, "welchen Preis" Russland für die Invasion der Ukraine zahlen werde. Der Westen müsse der Ukraine geben, "was sie braucht, um zu gewinnen und als souveräne, unabhängige Nation weiter zu bestehen".

Unterdessen kündigte der chinesische Top-Diplomat Wang Yi einen Vorschlag Pekings für Friedensgespräche im Ukraine-Krieg an: "Wir werden etwas vorlegen", sagte Wang auf der Sicherheitskonferenz. Chinas sei für eine friedliche Lösung des Konflikts, fügt er hinzu, ohne Details zu nennen.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba schloss in Folge der Ankündigung eines chinesischen Friedensplans jegliche Gebietsverluste für sein Land aus. Es sei auch im Interesse der Ukraine, dass China eine Rolle bei der Suche nach Frieden spiele, die territoriale Integrität der Ukraine sei aber nicht verhandelbar, sagte Kuleba.

Britischer Premier Sunak kündigt weitere Militärhilfen an

Der britische Premierminister Rishi Sunak kündigte in seiner Rede am Samstag an, die "militärische Unterstützung zu intensivieren": "Gemeinsam müssen wir der Ukraine helfen, ihre Städte vor russischen Bomben und iranischen Drohnen zu schützen. Und deshalb wird Großbritannien das erste Land sein, das der Ukraine Waffen mit größerer Reichweite zur Verfügung stellt", so Sunak. Details dazu nannte er nicht.

Zur Sicherheitskonferenz sind Politikerinnen, Politiker, Expertinnen und Experten aus rund 100 Ländern eingeladen. Aus Österreich nehmen Außenminister Alexander Schallenberg und Europaministerin Karoline Edtstadler teil. Die russische Führung ist erstmals seit mehr als 20 Jahren nicht eingeladen. Dafür werden aber am späten Samstagabend der russische Kremlgegner Michail Chodorkowski und der frühere Schachweltmeister Garry Kasparow auf dem Podium sitzen. Auch die iranische Führung und Politiker der AfD haben anders als in den Vorjahren keine Einladung erhalten.

Pistorius: "Ukraine muss diesen Krieg gewinnen"

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius sieht die westliche Militärhilfe für die Ukraine als Teil der Abschreckung gegen andere russische Angriffe. Er habe dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zugesagt, dass Deutschland seinem Land so lange wie nötig helfen werde - zusammen mit den europäischen und transatlantischen Partnern, berichtete Pistorius am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz in einer in englischer Sprache gehaltenen Rede.

"Und ich habe deutlich gemacht: Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen". Pistorius bekennt sich außerdem erneut zu höheren Militärausgaben Deutschlands. "Wir sind dem Zwei-Prozent-Versprechen stark verpflichtet", sagte Pistorius vor dem Plenum. "Wie Sie wissen, haben wir noch einigen Boden gutzumachen, um dort anzukommen." Er werde aber hart daran arbeiten, dass Deutschland dieses längst überfällige Ziel erfüllen werde.

"Russland führt einen brutalen Krieg der Aggression und der Eroberung gegen die Ukraine. Und bekäme Putin seinen Willen, wäre das nur der Anfang", warnte Pistorius. "Weil weder Diplomatie noch harte Wirtschaftssanktionen die Richtung von Putin verändert haben, ist unsere Demonstration der Stärke die richtige Antwort", sagte Pistorius.

Die Ukraine hofft Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk zufolge bereits im Sommer auf ein Beitrittsangebot der NATO. "Wir erwarten, dass die Ukraine beim Gipfel in Vilnius eine Einladung bekommt und ihren Weg in die Allianz beginnt", sagte Stefantschuk am Samstag im ukrainischen Fernsehen. Den von Russland als Sicherheitsrisiko empfundenen möglichen NATO-Beitritt der Ukraine hatte der Kreml vor einem Jahr als einen der Gründe für seinen Angriffskrieg angeführt. (APA/dpa)

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