Chalupka will "Ukrainer-Gesetz"
Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka drängt auf eine rechtliche Besserstellung für Vertriebene aus der Ukraine. Ein Jahr nach Russlands Angriff auf das Land gilt für die geflüchteten Menschen noch immer ein befristeter Vertriebenenstatus. Chalupka fordert im APA-Interview nun ein eigenes "Ukrainer-Gesetz", ähnlich dem Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina.
Chalupka schließt sich mit seiner Forderung jener der evangelischen Hilfsorganisation Diakonie an. Im Kern geht es dabei um die Angleichung an den Asylberechtigten-Status. Die vor einem Jahr auf europäischer Ebene erlassene Vertriebenen-Verordnung sei zwar richtig und wichtig gewesen. Nun - ein Jahr nach Kriegsbeginn - habe man aber die Erfahrung gemacht, "dass dieser Konflikt nicht so schnell beendet wird".
Für den evangelisch-lutherischen Bischof biete ein eigenes "Ukrainer-Gesetz" auch die Möglichkeit, das Grundversorgungssystem zu entlasten. "Es wäre eine Win-Win-Situation", meint Chalupka. Die Vertriebenen könnten dann für sich selbst sorgen "und das ist das Wichtigste, was die Menschen brauchen und wollen. Dass sie arbeiten können, wohnen können, hier ihr Leben aufbauen können. Das wäre jetzt das wichtigste und es ist einfach an der Zeit".
In der Verbundenheit mit den Schwesterkirchen in der Ukraine sei den Kirchen die Hilfe für die ukrainischen Flüchtlinge in Österreich ein zentrales Anliegen, aber auch die Hilfe in der Ukraine selbst. Und auch generell wünscht sich Chalupka ein Umdenken beim Umgang mit Flüchtlingen und ortet dabei teilweise Gesetzesbrüche: "Wenn die Menschenrechte in Frage gestellt werden, dann muss man daran erinnern, dass das im Verfassungsrecht steht und dass österreichische Politiker auf diese Verfassung, zu der auch die Menschenrechte gehören, geschworen haben."
Auch die Wirtschaft würden von einer Besserbehandlung von Migranten profitieren, ist sich Chalupka sicher. "Wir müssen ein System finden, wo wir die Arbeitskräfte, die Europa offensichtlich braucht, auch auf legalem Weg hierher bringen und hier auch für Integration sorgen, für gerechte Löhne, dass Menschen nicht Ausbeutungen anheimfallen. Es braucht legale Wege, um hier arbeiten zu können und eine Ausbildung zu bekommen."
Eine weitere vorrangige Herausforderung ist für den evangelisch-lutherischen Bischof der Kampf gegen den Klimawandel. Hier gehe die Kirche einen Schritt voran, etwa mit Schwerpunkten und dem Prozess, selbst klimaneutral zu werden. "Wir wollen einen möglichst raschen Umstieg auf erneuerbare Energien, bei Heizungen, bei der Mobilität. Das sind die Dinge, die uns wichtig sind." Verständnis zeigt Chalupka auch für Klimaaktivisten: "Es ist wichtig, dass wir in einer Gesellschaft sind, wo sich jeder ausdrücken soll, in demokratischer Weise, solange man die Rechtsnormen respektiert."
Eine weiterhin drängende Frage ist für Chalupka auch jene der Pflege - trotz jüngst angekündigter Maßnahmen. "Es braucht immer noch eine große Pflegereform", appelliert er an die Politik. "Es ist in Österreich immer noch nicht möglich, die Pflege, die jemand benötigt, entweder vorzufinden oder sie sich auch leisten zu können." Ähnlich verhalte es sich bei der Hospiz- und Palliativversorgung, deren flächendeckender Ausbau trotz vieler Willensbekundungen noch immer ausstehe.
Woran die evangelischen Kirchen noch immer leiden ist die Streichung des Karfreitags als gesetzlicher Feiertag. "Die Frage wird, solange das nicht gelöst ist, kommen, weil das eine offene Wunde ist. Und zwar nicht, weil den Evangelischen da etwas genommen worden ist." Das Gedenken an die Leiden Jesu Christi selbst könne man der Kirche nämlich nicht nehmen. "Aber das Land selbst hat sich einen Tag seines Gedenkens an die Unverfügbarkeit des Lebens genommen, wie es angesichts der Coronakrise deutlich geworden ist, und auch einen Tag des Gedenkens an die Verfolgung der Protestanten in der Zeit der Gegenreformation." Inder Karfreitagsfrage hofft Chalupka daher weiter auf ein Umdenken.