Westen laut Moskau nicht bereit für Arbeit an Frieden, neue Zusagen für Ukraine
Der Kreml bombardiert die Ukraine weiter und beschuldigt den Westen, nicht „bereit" zu sein für „Friedensinitiativen". Indes kamen österreichische Rettungsfahrzeuge in der Ukraine an.
Kiew, Moskau – Russland wirft dem Westen vor, keine Bereitschaft für Friedensinitiativen in der Ukraine zu zeigen. Die USA würden als "großer Provokateur" internationaler Spannungen "die Krise in der Ukraine" durch ihr eigenes Vorgehen befeuern, schrieb die staatliche Nachrichtenagentur TASS unter Berufung auf den Kreml. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz hieß es am Sonntag, wegen des großen Munitionsbedarfs der Ukraine werde in der EU an einem neuen Beschaffungsverfahren gearbeitet.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow übte heftige Kritik an Äußerungen von US-Staatssekretärin Victoria Nuland. Die Spitzendiplomatin hatte erklärt, dass die Krim nach Ansicht der USA demilitarisiert werden sollte und dass ihr Land ukrainische Angriffe auf militärische Ziele auf der 2014 von Russland annektierten Halbinsel befürwortete. "Nuland gehört zu einem sehr breiten Lager der aggressivsten 'Falken' in der amerikanischen Politik. Das ist ein Standpunkt, den wir gut kennen", sagte Peskow in einem von der Nachrichtenagentur TASS veröffentlichten Kommentar.
Russland: USA befeuern Krieg in Ukraine
Auch Russlands Botschafter in Washington beschuldigt die USA den von ihm als Krise bezeichneten Krieg in der Ukraine durch ihr eigenes Vorgehen zu befeuern. Anatoli Antonow bezog sich dabei auf die Aussage von US-Vizepräsidentin Kamala Harris, die Russland Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Ukraine-Krieg vorgeworfen hatte. "Wir betrachten solche Unterstellungen als einen beispiellosen Versuch, Russland im Rahmen des gegen uns entfesselten hybriden Krieges zu dämonisieren", zitierte TASS den Botschafter. Es bestehe kein Zweifel, dass der Zweck solcher Angriffe Washingtons darin bestehe, seine eigenen Handlungen zu rechtfertigen, um die Krise in der Ukraine anzuheizen.
Russland hat die Ukraine im Februar des Vorjahres angegriffen und den Krieg damit begonnen. Die USA unterstützen ebenso wie die EU und andere Staaten weltweit die Ukraine dabei, sich gegen den Angriffskrieg zu wehren.
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Morde und Hinrichtungen: Berichte über russische Verbrechen
Harris hatte am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz erklärt, russische Truppen in der Ukraine begingen "weit verbreitete und systematische Angriffe auf die Zivilbevölkerung." Es handle sich um einen "Angriff auf unsere gemeinsamen Werte und unsere gemeinsame Menschlichkeit". Es ist das erste Mal, dass die USA Russland Verbrechen gegen die Menschlichkeit in dem Krieg vorwerfen.
Dazu gehörten "grausame Morde", die "hinrichtungsartige" Tötung von Männern, Frauen und Kindern, die Folter von Zivilisten mit Prügel und Stromschlägen sowie die Deportation ukrainischer Zivilisten nach Russland, sagte die Vizepräsidentin. "Wir haben die Beweisstücke untersucht, wir kennen die Rechtsnormen und es gibt keinen Zweifel: Das sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit", betonte die Vizepräsidentin, eine frühere Staatsanwältin. Die USA haben nach Angaben des Außenministeriums in Washington seit Kriegsbeginn mehr als 30.600 von russischen Soldaten in der Ukraine begangene Fälle von Kriegsverbrechen dokumentiert.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba begrüßte die Haltung der US-Regierung. Russland führe einen "völkermordenden Krieg" gegen die Ukraine, in dessen Zuge die russische Armee Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und zahlreiche weitere Gräueltaten begehe, sagte er in München. Allerdings sei es schwierig, den einzelnen Verantwortlichen ihre Taten nachzuweisen.
Neue Wege für Munitionsbeschaffung
Angesichts des großen Munitionsbedarfs der Ukraine wird in der EU an einem neuen Beschaffungsverfahren gearbeitet. Das bestätigte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Sonntag bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Ohne Munition könne die Ukraine den Krieg nicht gewinnen. Borrell sagte: "Wir sind im Kriegsmodus." Es gehe jetzt darum, schnell zu reagieren. Nach Angaben von Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas geht es darum, ein ähnliches Verfahren zu nutzen wie das, mit dem in der Corona-Pandemie die zügige Beschaffung von Impfstoffen sichergestellt wurde. Kallas zufolge sollen demnach EU-Staaten Geld zur Verfügung stellen, mit dem dann über die EU gebündelt Großaufträge an die Rüstungsindustrie vergeben werden. Mit dem Verfahren könnte dafür gesorgt werden, dass die Industrie die für die Ausweitung der Produktion notwendigen Investitionen tätigen kann.
Norwegen will der Ukraine langfristig und unabhängig von der jetzigen Regierung in Kiew helfen. "Wer auch immer Norwegen nach den nächsten Wahlen regiert - die Ukraine kann sich sicher sein, dass sie Unterstützung beim Wiederaufbau und für die Selbstverteidigung hat", sagte der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Store in einem am Sonntag veröffentlichten Reuters-TV-Interview. "7,5 Milliarden Euro über fünf Jahre war unsere Botschaft." Die Entscheidung sei parteiübergreifend getroffen worden. Eine langfristige Zusage für die Ukraine gilt als wichtig, weil über einen Wechsel der amerikanischen Ukraine-Politik nach den nächsten Präsidentschaftswahlen spekuliert wird.
Neun Rettungswägen aus Wien in Kiew angekommen
Neun der zwölf Rettungswägen, die Mitte Februar auf dem Ballhausplatz vom Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn gesegnet und auf den Weg geschickt wurden, sind am Samstag pünktlich in Kiew angekommen. Der Generalvikar für die katholischen Ostkirchen in Österreich, Yuriy Kolasa, übergab die Einsatzfahrzeuge laut Kathpress bei der Kiewer Auferstehungskathedrale an das Oberhaupt der Katholiken des byzantinischen Ritus, Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk.
Im Osten der Ukraine schlugen unterdessen nach Angaben der örtlichen Behörden in der Stadt Druschkiwka mehrere russische Geschoße ein. Dabei seien in der Nacht auf Sonntag zwei Wohnhäuser beschädigt worden, teilte der Gouverneur des umkämpften Gebiets Donezk mit, Pawlo Kyrylenko. Angaben über Verletzte oder Todesopfer machte er zunächst nicht. Druschkiwka liege weit hinter der Front, werde aber trotzdem immer wieder mit Raketen beschossen, schrieb Kyrylenko im Netzwerk Telegram.
Nach einem Bericht des Nachrichtenportals "Ukraiinska Prawda" wurden seit Samstag insgesamt acht ukrainische Verwaltungsgebiete beschossen. Dazu gehörten die Gebiete Sumy, Charkiw und Dnipropetrowsk, die alle nahe der Front liegen. Im Westen der Ukraine wurde in der Hauptstadt des Gebiets Chmelnyzkyj nach Behördenangaben ein Militärobjekt von einer Rakete größerer Reichweite getroffen. Eine weitere Rakete sei nahe einer Haltstelle eingeschlagen. Die Druckwelle habe mehrere Wohnhäuser und Schulen beschädigt.
Sonntag früh herrschte im Osten und Süden der Ukraine zeitweise Luftalarm, ohne dass von tatsächlichen Angriffen berichtet wurde. Der russische Angriffskrieg gegen das Nachbarland dauert bereits fast ein Jahr. (TT.com, APA, Reuters, dpa, AFP)
Konferenz in München
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Leitartikel
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Großes Sicherheitsrisiko