Lincoln, Roosevelt und Co.

Von Antietam bis Afghanistan: US-Präsidenten in Kriegsgebieten

US-Präsident George W. Bush 2003 im Irak.
© AP Photo/Pool/Anja Niedringhaus

Die USA unterstützen die Ukraine dabei, sich gegen Russland zu verteidigen. Joe Biden unterstrich dies mit einem Besuch in Kiew. Er ist nicht der erste Präsident, der in ein Kriegsgebiet reist.

Washington – Kurz vor dem ersten Jahrestag des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine hat US-Präsident Joe Biden am Montag die ukrainische Hauptstadt Kiew besucht. Der Überraschungsbesuch gilt angesichts der Sicherheitslage im Land als gewagt, weil keine rasche Evakuierung möglich ist. In der Vergangenheit haben US-Präsidenten nur äußerst selten Kriegsgebiete besucht und konnten dabei jeweils auf massive US-Truppenpräsenz vertrauen. Ein Überblick:

ABRAHAM LINCOLN 1862 und 1865 – Im Amerikanischen Bürgerkrieg absolviert Präsident Abraham Lincoln (1861-65) zwei Besuche an der Front. Am 3. Oktober 1962 besucht er seine Soldaten in Antietam, nachdem dort ein Angriff der konföderierten Truppen abgewehrt werden konnte. Der Sieg vor den Toren der Hauptstadt Washington bewegt den Republikaner zur Unterzeichnung der Emanzipationserklärung, mit denen alle Sklaven in den Südstaaten befreit wurden. Am 4. April 1865 stattet Lincoln dann der bereits verlassenen Hauptstadt der sezessionistischen Südstaaten, Richmond, einen Besuch ab. Wenige Tage später kapitulieren die Rebellen.

Abraham Lincoln in einem Gemälde von W.F.K. Travers.
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Franklin D. Roosevelt
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FRANKLIN DELANO ROOSEVELT 1943 – Ein Jahr nach dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg reist Präsident Franklin D. Roosevelt (1933-45) erstmals ins Kriegsgebiet. In der marokkanischen Metropole Casablanca trifft der Demokrat die Anführer der Bündnispartner Großbritannien, Winson S. Churchill, und Sowjetunion, Josef W. Stalin. Vom 14. bis 24. Jänner 1943 besprechen die Alliierten die weitere Strategie im Kampf gegen Hitler-Deutschland. Nordafrika war erst im Herbst 1942 von den westlichen Alliierten erobert worden.

Dwight D. Eisenhower.
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DWIGHT D. EISENHOWER 1952 – Noch vor seinem eigentlichen Amtsantritt löst der gewählte US-Präsident Dwight Eisenhower (1953-61) im Dezember 1952 sein Wahlkampfversprechen ein, nach Korea zu reisen. Drei Tage lang hält sich der Weltkriegsgeneral in Südkorea auf, um sein Interesse an einer Beendigung des Korea-Krieges zu bekräftigen. Tatsächlich enden die Kampfhandlungen gut ein halbes Jahr später mit einem Waffenstillstand zwischen dem kommunistischen Nordkorea und Südkorea. Formell sind die beiden Länder aber immer noch im Krieg, und die USA haben weiterhin tausende Soldaten in Südkorea stationiert.

LYNDON B. JOHNSON 1966 und 1967 – Am Höhepunkt der innenpolitischen Auseinandersetzung um den Vietnam-Krieg besucht US-Präsident Lyndon B. Johnson (1963-69) am 26. Oktober 1966 den wichtigen US-Militärstützpunkt Cam Ranh Bay, um der demoralisierten Truppe Mut zuzusprechen. "Das amerikanische Volk ist stolz auf euch. Einige Leute sind nicht damit einverstanden, was wir hier tun, aber das entspricht nicht dem, was die meisten von uns fühlen und tun, wenn die Freiheit und Sicherheit des Landes in Gefahr sind", sagte er. Dem ersten Truppenbesuch folgt im Dezember 1967 ein weiterer.

Lyndon B. Johnson.
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RICHARD NIXON 1969 – Ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt reist US-Präsident Richard Nixon (1969-74) Ende Juli 1969 in die südvietnamesische Hauptstadt Saigon, um das Engagement der USA für das massiv unter Druck des kommunistischen Norden geratenen Regimes zu bekräftigen. In seiner Rede lobt der Republikaner das "großzügige Friedensangebot" des Südens und verweist auf den bereits erfolgten Abzug von tausenden US-Soldaten. Doch der Verbündete ist für die USA nicht mehr zu retten. Knapp sechs Jahre später endet der Krieg mit der Einnahme Saigons durch die nordvietnamesischen Truppen.

Richard Nixon in Vietnam.
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George H. W. Bush.
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GEORGE H. W. BUSH 1990 – Ende November 1990 reist US-Präsident George H. W. Bush (1989-93) nach Saudi-Arabien, um zum Familienfeiertag Thanksgiving die dort stationierten US-Truppen zu besuchen. Sie bereiten sich dort auf die Operation Wüstensturm vor, die wenige Tage später durch eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates ermöglicht werden sollte. Mitte Jänner 1991 starten die USA und ihre Alliierten ihre Militäraktion zur Vertreibung der irakischen Truppen aus dem kleinen Golfemirat Kuwait, das Anfang August 1990 von Diktator Saddam Hussein annektiert worden war.

GEORGE W. BUSH 2003, 2006, 2007 und 2008 – Gut ein halbes Jahr nach dem Beginn des umstrittenen Feldzugs gegen den Irak begibt sich US-Präsident George W. Bush (2001-09) am 27. November 2003 erstmals in das Zweistromland. Wie bei seinem Vater handelt es sich um einen Thanksgiving-Besuch. In einem US-Stützpunkt am Flughafen Bagdad engagiert sich der Präsident bei der Essensausgabe. Dem ersten Besuch sollen noch mehrere weitere in dem Land folgen, das trotz dem schon im Mai 2003 von Bush öffentlichkeitswirksam auf dem Flugzeugträger Abraham Lincoln verkündeten Ende der Kampfhandlungen immer tiefer im politischen Chaos versinkt. Erstmals auf die Straßen der Hauptstadt Bagdad wagt sich Bush bei einem Überraschungsbesuch am 13. Juni 2006, es folgen Visiten im September 2007 und Dezember 2008, kurz vor dem Ende seiner Amtszeit.

George W. Bush.
© Shawn Thew

BARACK OBAMA 2009, 2010, 2012 und 2014 – Der mit dem Versprechen eines US-Truppenabzugs aus dem Irak gewählte Präsident Barack Obama (2009-17) macht sich drei Monate nach seinem Amtsantritt in das Krisenland auf. "Es ist Zeit, dass der Irak als demokratisches Land auf eigenen Füßen steht", sagt er am 7. April 2009 in einer Rede vor US-Soldaten im Camp Victory bei Bagdad. Obamas Fokus richtet in der Folge auf die Stabilisierung des zweiten großen Krisenlandes Afghanistan, in das die USA nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 auf Basis einer UNO-Resolution einmarschiert waren. Sein erster Besuch in Kabul am 3. Dezember 2010 dauert gerade einmal drei Stunden. Der zweite Besuch findet am 1. Mai 2012 statt, dem Jahrestag der Tötung von Terrorführer Osama bin Laden. Im Mai 2014 schließlich verkündet er den jubelnden US-Soldaten am Stützpunkt Bagram, dass mit Jahresende "der amerikanische Krieg in Afghanistan ein verantwortungsvolles Ende finden wird".

Barack Obama.
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