Durch Kunst in Klageräume verwandelte Kirchen
„Kunst zur Fastenzeit“ im Innsbrucker Dom, in der Spitals- und Servitenkirche: Interventionen, die die Augen nicht fasten lassen.
Innsbruck – Die seit 2001 während der Fastenzeit auf Betreiben der Initiative „Kunstraum Kirche“ im Innsbrucker Dom – und seit einigen Jahren auch in einigen anderen Kirchen – stattfindenden Interventionen zeitgenössischer Kunst sind meist schwerverdauliche Kost. Verwandeln Orte, die man mit Schutz, Zuflucht und Trost in Zusammenhang bringt, für 40 Tage in so etwas wie Klageräume, die sehr viel mit uns und der Zeit, in der wir leben, zu tun haben. Um formal ganz bewusst zu irritieren, Fragen zu stellen, ohne wirklich Antworten anbieten zu können.
Die Einladung von Christian Eisenberger und Peter Garmusch, den Innsbrucker Dom, die Spitals- und Servitenkirche temporär zu verwandeln, geht auf die Initiative von Bischof Hermann Glettler zurück. Hängt das 230 x 180 Zentimeter große Foto Garmuschs, das nun als sehr spezielles „Fastentuch“ das Altarbild der Spitalskirche ersetzt, doch normalerweise im bischöflichen Besprechungszimmer. Und zeigt nichts anderes als ein ins Überdimensionale aufgeblasenes Herz. Das üblicherweise mit Liebe und Zuneigung konnotierte Organ ist allerdings durch einen Gummiring eingeschnürt. Mutiert zur Angst machenden Metapher für Enge, drohenden Stillstand. Die ikonografische Nähe zum christlichen Dornenherz ist unübersehbar, den unmissverständlichen Aufruf, alles Beengende zu sprengen, verstehe er als „Dauerauftrag für unsere Gesellschaft“, so Glettler.
Den ursprünglichen Sinn, die Hochaltäre während der Fastenzeit zu verhüllen, um auf diese Weise auch die Augen fasten zu lassen, erfüllt die von Christian Eisenberger in der Servitenkirche auf meterlangen Leinwänden ausgebreitete Bildgeschichte allerdings absolut nicht. Ist sie doch ganz bewusst als „optische Störung“ angelegt, die wohl so manche KirchgängerInnen als Zumutung empfinden werden.
Allerdings ist das Servitenkloster, das immer wieder Menschen auf der Flucht eine temporäre Heimat bietet, der ideale Ort für kunstvolle Klagebilder dieser Art. In seinem speziell für diesen Ort gemachten erzählt Eisenberger die Apokalypse des Johannes auf seine Weise nach. Konzipiert als groß angelegtes, fast filmisch inszeniertes Strategiespiel, das gespickt ist mit Bezügen zur aktuellen Weltlage, angefangen von der Klimakatastrophe über Migrationsströme bis zu Kriegen oder das Auseinanderdriften von Arm und Reich, Jung und Alt, dem globalen Süden und Norden.
Eisenbergers Installation im Dom bringt dagegen den Wahnsinn von Kriegen auf den Punkt. Festgemacht an einer „Feuerstelle“, die in ihrer Ambivalenz irritiert. Bilden doch drei sieben Meter hohe, aus Holz nachgebaute Kalaschnikows ein Zelt, das eigentlich Schutz suggerieren sollte. Die Gewehre sind geflämmt, bei ihrer Berührung macht man sich die Hände schmutzig. Die von Transparenten, auf denen „Boom“, „Peng“ und „Zack“ steht, umstellte Installation wird allerdings auch zum Träger von Monitoren, auf denen Videos laufen, in denen die Kalaschnikows brennen oder Hühner Körner picken, die in Form eines Maschinengewehrs am Boden liegen. Ob es die Schalen der von ihnen gelegten Eier sind, aus denen Eisenberger den fragilen Hirtenstab gemacht und in den Altarraum des Doms gestellt hat, sei dahingestellt. Alle drei Installationen werden am Karsamstag wieder abgebaut.