Risiken ignoriert

Abhängigkeit von Russland: Österreich hat „Warnungen in den Wind geschlagen“

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Österreichs Politik führte das Land sehenden Auges in die russische Gasabhängigkeit. Bekannte Risiken wurden jahrzehntelang ignoriert, kritisiert die Energieagentur.

Wien – Wie konnte Österreich derart abhängig von russischem Gas werden? Die Österreichische Energieagentur, die die Politik in Energiefragen berät, ist dieser Frage in einer Analyse nachgegangen. Das Ergebnis ist für Österreichs Politik der vergangenen Jahrzehnte vernichtend. „Ein wesentlicher Faktor für die Abhängigkeit Österreichs von russischem Erdgas war sicher, dass die politisch Verantwortlichen bereits ab den 1960ern sämtliche Aufgaben rund um den Gasimport als privatwirtschaftliche Angelegenheit an Unternehmen, in erster Linie die OMV, abgegeben haben“, sagt Studienautor Herbert Lechner, Ex-Geschäftsführer der Energieagentur: „Und daran hat sich de facto bis 2020, dem Ende des Untersuchungszeitraums der Analyse, nichts geändert.“ Die OMV war Nachfolgerin der sowjetischen Mineralölverwaltung SMV und habe daher „eine zentrale Rolle in der österreichisch-russischen Gasbeziehung“ gespielt.

Dabei sei das Risiko einer zu hohen Abhängigkeit von russischem Gas früh erkannt worden. Bereits 1971 habe der damalige Mandatar Siegmund Burger (ÖVP) davor gewarnt. Österreichs Außenministerium tat dies 2007, die Grünen 2009. „Doch alle Warnungen wurden konsequent in den Wind geschlagen“, so Lechner. Es wurden „Risiken stets verharmlost und zugleich Argumente für russisches Gas jahrzehntelang ohne zu hinterfragen tradiert“. Etwa, dass russisches Gas alternativlos und Russland ein zuverlässiger Lieferant sei, dass zwischen Russland und Österreich eine gegenseitige Abhängigkeit bestehe oder dass russisches Gas billig sei. „Mit diesen vier Argumenten hielt sich Österreich jahrzehntelang selbst an der russischen Gasleine“, kritisiert Lechner. All diese Gründe ließen sich „relativ schnell entkräften“.

Im Durchschnitt der Jahre 1968 bis 1978 lag der Anteil der russischen Gasimporte bei 45 % und stieg auf bis zu 80 %. Historische Analysen zeigten, „dass Russland ein großes Interesse hatte, Österreich in eine wirtschaftliche Abhängigkeit zu drängen“, so Lechner: „Und in Österreich wurde alles getan, um Wohlverhalten gegenüber Russland zu gewährleisten.“ Besorgniserregend sei, dass Österreich zuletzt wieder über 70 % des Erdgases aus Russland bezog. Der Gasvertrag zwischen OMV und Gazprom war 2018 verlängert worden – bei Putins Staatsbesuch und im Beisein von Ex-Kanzler Kurz (ÖVP).