Jahrestag der Invasion in Ukraine - Kein Frieden in Sicht
Rund ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine gibt es noch immer keine Aussicht auf Frieden. Über eine Resolution mit der Forderung nach einem Ende der Kämpfe und dem Rückzug Moskaus sollte die UN-Vollversammlung am Donnerstag abstimmen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte den Krieg am 24. Februar 2022 begonnen.
Vor dem Abflug zu der Sitzung im UN-Hauptquartier in New York warb Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock um Zustimmung zu der von mehr als 50 Staaten eingebrachten Resolution der Vereinten Nationen für ein Ende des russischen Angriffskriegs. "Der Friedensplan liegt in New York auf dem Tisch, es ist die Charta der Vereinten Nationen", sagte die Grünen-Politikerin. Baerbock wollte am späten Nachmittag deutscher Zeit vor der Generalversammlung eine Rede halten. Die Abstimmung über die Resolution war für den späten Abend (MEZ) geplant.
Mit Protesten gegen die Teilnahme von mit Sanktionen belegten russischen Parlamentariern begann unterdessen in Wien eine Sitzung der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die russische Delegation wird geleitet von Pjotr Tolstoi, dem stellvertretenden Vorsitzenden des russischen Unterhauses, gegen den internationale Sanktionen verhängt wurden. Österreich hatte erklärt, es sei zur Visa-Vergabe an die Russen verpflichtet, weil die OSZE ihren Sitz in Wien habe. Die Ukraine und Litauen kündigten daraufhin an, die Sitzung zu boykottieren.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte unterdessen davor, Kiew zu Friedensverhandlungen mit Moskau zu drängen. Andernfalls werde Russland seine Aggressionspolitik fortsetzen, sagte der 45-Jährige bei einer Pressekonferenz mit dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez in Kiew, der am Donnerstag zu seinem zweiten Besuch in die ukrainische Hauptstadt gereist war.
Eine angekündigte chinesische Initiative zur Beendigung des Krieges sah Selenskyj hingegen positiv. "Das sind die ersten Schritte und das ist nicht schlecht", sagte er. Allerdings habe er bisher noch kein Dokument gesehen und daher sei es noch zu früh für eine Beurteilung. "Wir werden unsere Schlüsse ziehen, sobald wir die konkreten Details sehen", sagte der Präsident. Man habe Peking die Bereitschaft zu einem Treffen auf diplomatischer Ebene signalisiert.
Die Mehrheit der EU-Bürger ist einer Umfrage zufolge zufrieden mit den Maßnahmen der Europäischen Union gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Ein Jahr nach Kriegsbeginn sind 56 Prozent der Befragten einverstanden mit dem EU-Kurs, wie aus der am Donnerstag in Brüssel veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage im Auftrag der EU-Kommission hervorging.
Für humanitäre Hilfe an die Ukraine sprachen sich 91 Prozent der Befragten aus, 88 Prozent befürworten demnach die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen. Die Lieferung militärischer Ausrüstung finden 65 Prozent der Befragten gut. Für die Erhebung wurden von Mitte Jänner bis Anfang Februar mehr als 26 000 Menschen befragt.
Kremlchef Putin kündigte kurz vor dem Jahrestag des Kriegs in der Ukraine an, die Entwicklung seiner Nuklearstreitkräfte weiter voranzutreiben. "Der Stärkung der nuklearen Triade werden wir nach wie vor verstärkte Aufmerksamkeit widmen", sagte Putin in einer vom Kreml veröffentlichten Rede anlässlich des "Tags des Vaterlandsverteidigers", der in Russland am Donnerstag gefeiert wurde. Der Staatschef stellte für dieses Jahr etwa erste Indienststellungen der neuen, mit Atomsprengköpfen bestückbaren Interkontinentalrakete vom Typ Sarmat in Aussicht. Ursprünglich war das allerdings schon für 2022 geplant.
Schon in seiner großen Rede zur Lage der Nation am Dienstag hatte Putin eine Modernisierung seiner Armee und die Aussetzung des letzten großen atomaren Abrüstungsvertrags mit den USA angekündigt, des so genannten "New Start"-Abkommens.
Im vergangenen Jahr hat Moskau insgesamt vier Gebiete im Osten und Süden der Ukraine völkerrechtswidrig annektiert. Zusammen mit der bereits 2014 einverleibten Schwarzmeer-Halbinsel Krim hält Russland damit derzeit rund 18 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets besetzt.
Der ukrainische Militärgeheimdienstchef verwies auf einen Konvoi mit militärischem Material an der Grenze zur nordukrainischen Region Tschernihiw. Budanow sagte der Zeitung "Ukrainska Prawda", "die (russischen) Besatzer" bereiteten sehr wahrscheinlich Provokationen in großem Ausmaß vor. Sie planten Raketenangriffe am 23. und 24. Februar, "sie haben zwei Daten".
Das russische Verteidigungsministerium warf der Ukraine am Donnerstag vor, eine Invasion in die von Moldau abtrünnige Region Transnistrien zu planen. Demnach wolle Kiew in naher Zukunft eine bewaffnete Operation "unter falscher Flagge" in Transnistrien durchführen.
In Transnistrien an der Grenze zur Ukraine sind seit den 1990er-Jahren russische Soldaten stationiert, die dort als sogenannte Friedenstruppen auftreten. Die Ex-Sowjetrepublik Moldau gehört nicht zur NATO, sie ist politisch zwischen proeuropäischen und prorussischen Kräften gespalten.
Der Geheimdienst der Republik Moldau hatte dagegen Russland bereits im Dezember vorgeworfen, eine Invasion zu planen. Möglich sei ein Zeitraum zwischen Jänner und April. Russland beabsichtige dabei, Transnistrien und Moldau zu verbinden. Auch der ukrainische Präsident Selenskyj hatte bereits erklärt, Russland habe konkrete Pläne zur Störung der politischen Ordnung in Moldau.
In Kiew demonstrierte der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez Solidarität mit der Ukraine, nachdem am Montag US-Präsident Joe Biden und am Dienstag die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni die ukrainische Hauptstadt besucht hatten. "Wir werden an der Seite der Ukraine und ihres Volkes stehen, bis der Frieden in Europa zurück ist", erklärte Sánchez auf Twitter. Am Vorabend hatte Madrid angekündigt, die Ukraine mit sechs Leopard-Kampfpanzern des älteren Typs 2A4 zu unterstützen. Finnland wird drei Leopard-Minenräum-Panzer in die Ukraine liefern, wie Verteidigungsminister Mikko Savola mitteilte.
Die italienische Marine warnte derweil wegen der erhöhten russischen Militärpräsenz im Mittelmeer vor zunehmenden Spannungen und dem Risiko eines Vorfalls im Mittelmeer. Marinechef Enrico Credendino sagte nach Angaben italienischer Nachrichtenagenturen, es gebe einen "beachtlichen Anstieg" der Anzahl "russischer Kriegsschiffe im Mittelmeer". Die Militärpräsenz sei sogar größer noch als zu Zeiten des Kalten Krieges.