Mit Russen, ohne Ukrainer: OSZE-Tagung in Wien begonnen
Inmitten des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine findet in Wien die Wintertagung der OSZE statt. Eine Delegation aus Russland ist dabei, die Ukraine verzichtete deshalb aus Protest. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka betonte die Solidarität mit der Ukraine, gleichzeitig wolle man jedoch die Tür zur Diplomatie nicht zuschlagen.
Wien, Kiew, Moskau – Die Wintertagung der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat am Donnerstag in Wien begonnen. Die Anwesenheit russischer Abgeordnete sorgt für viel Kritik. In seinen Eröffnungsworten betonte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP): "Wir stehen in ungeteilter Solidarität an der Seite der ukrainischen Regierung und des ukrainischen Volkes!"
Gleichzeitig sei es die "Pflicht" der Mitglieder der OSZE und unserer Parlamentarischen Versammlung "die Tür der Diplomatie nicht zuzuschlagen", betonte Sobotka. Die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung, Margareta Cederfelt, rief zu einer Schweigeminute für die Opfer des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und des verheerenden Erdbebens in der Türkei und Syrien auf. Sie kritisierte die russische Aggression scharf. Moskau "verletzt jedes Prinzip des internationalen Rechts", erklärte Cederfelt. Auch der amtierende OSZE-Vorsitzende, der nordmazedonische Außenminister Bujar Osmani, verurteilte "den unprovozierten Angriff" Russlands auf die Ukraine in einer Videobotschaft.
Kritik aus USA
Zwei hochrangige US-Abgeordnete des Repräsentantenhauses haben Österreich wegen der Visavergabe an die russische Delegation zur Teilnahme an der OSZE-Tagung in Wien kritisiert. "Ich glaube nicht, dass dies (die Erteilung der Visa, Anm.) hätte geschehen dürfen", sagte der demokratische Kongressabgeordnete Steve Cohen, der selbst an der Tagung teilnimmt, dem US-Auslandssender Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL). Kritik kam auch von republikanischer Seite.
Cohen erkannte die Gründe für Österreichs Entscheidung zwar an, sagte aber: "Nichtsdestotrotz hat Russland gegen alle Gründe verstoßen, warum dieses Treffen überhaupt stattfinden soll. Und ich denke, wenn ein Land so weit geht, dann sollte es vielleicht nicht zugelassen werden."
Auch der republikanische Kongressabgeordnete Joe Wilson kritisierte die Entscheidung. Die Teilnahme Russlands an dem Treffen sende "die falsche Botschaft an die Welt", sagte der Republikaner, der die Helsinki-Kommission in Washington leitet, ebenfalls gegenüber dem US-Sender.
Sechs sanktionierte Personen in Wien dabei
Die 1995 gegründete OSZE ist die größte regionale Sicherheitsorganisation der Welt. Der Parlamentarischen Versammlung (PV) gehören 323 Parlamentarier aus 56 Staaten an. Die diesjährige Wintertagung findet am Jahrestag des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine statt. Russland hat für die Versammlung neun Delegationsmitglieder eingemeldet, davon stehen sechs Personen auf den EU-Sanktionslisten. Die Ukraine und Litauen boykottieren deshalb das Treffen.
Nach Wien ist die ukrainische Delegation jedoch schon gereist. Der ukrainische PV-Delegationsleiter Mykyta Poturajew kritisierte die Präsenz der Russen. Die russischen Abgeordneten würden versuchen, die Veranstaltung "als Propagandashow" zu verwenden. "Wir haben Würde, Ehre und sind keine Puppen in einer russischen Muppet-Show", sagte Poturajew im Vorfeld der Konferenz.
81 Abgeordnete aus 20 Ländern hatten bereits Anfang Februar Österreich aufgefordert, die Teilnahme der russischen Delegation an der OSZE-Tagung in Wien zu verhindern. Parlamentarier aus Polen, Litauen, Belgien, Kanada, Tschechien, Dänemark, Estland, Frankreich, Georgien, Deutschland, Island, Lettland, den Niederlanden, Norwegen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Schweden, der Ukraine und Großbritannien unterzeichneten das Schreiben.
Österreich verweist auf OSZE-Abkommen
Das Außenministerium verweist auf das OSZE-Amtssitzabkommen. Dieses verpflichte Österreich, dafür zu sorgen, dass Mitglieder von Delegationen von OSZE-Teilnehmerstaaten bei ihren Reisen zum und vom Amtssitz der OSZE nicht behindert werden. "Das bedeutet eine klare völkerrechtliche Verpflichtung, die Einreise der Delegierten zu gestatten", präzisierte ein Sprecher des Außenamts.
Die OSZE bestätigte das. Das Amtssitzabkommen verlange von Österreich, den teilnehmenden Delegationen die Einreise zu erleichtern, "was bedeutet, dass das Ausstellen von Visa keine Ermessensfrage, sondern eine Frage der rechtlichen Verpflichtung ist", teilte die Versammlung mit. "Die ausgestellten Visa erlauben lediglich die Teilnahme an der OSZE-Versammlung. Bei Missbrauch wird das Visum aufgehoben", ergänzte ein Sprecher des Innenministeriums. Der Besuch anderer Veranstaltungen, wie etwa des freiheitlichen Akademikerballs, wäre demnach nicht erlaubt.
Für Kritik sorgte außerdem, dass die OSZE keine Journalisten zur Veranstaltung in die Hofburg lässt. "Diese Entscheidung wurde aus logistischen und sicherheitstechnischen Gründen getroffen", erklärte die PV auf Anfrage. Das Treffen wird auf YouTube und Facebook übertragen. Journalistenvereinigungen kritisierten den Ausschluss der Medien. Die Vereinigung der Europajournalistinnen und -journalisten (AEJ) und der Verband der Auslandspresse in Wien warnten in einem Schreiben an die OSZE, die Entscheidung könne "die Freiheit der unabhängigen Berichterstattung stark beeinträchtigen". (TT.com, APA)
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