Breite Solidarität mit Ukraine

Putin ist bereits gescheitert: Stimmen zum Jahrestag der russischen Invasion

Solidaritätsbekundungen für die Ukraine in Pristina.
© APA/AFP/Stringer

Vor einem Jahr marschierte Russland ins Nachbarland Ukraine ein. Nach anfänglichen Vorstößen mussten sich russische Truppen rasch zurückziehen, mittlerweile tobt der Kampf an der Front in der Ostukraine. International weht Moskau ein rauer Gegenwind entgegen. Der Tenor: Putin sei bereits gescheitert.

Kiew, Moskau – EU und NATO haben zum Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine ihre Unterstützung für das Land bekräftigt. "Wir werden der Ukraine so lange zur Seite stehen, wie es nötig ist", sagten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Freitag wortgleich bei einem Besuch in Estland. Es liege im eigenen Sicherheitsinteresse des Westens, dafür zu sorgen, dass sich die von Russland angegriffene Ukraine durchsetzt.

"Wir haben in den letzten zwölf Monaten Widerstandsfähigkeit, Einheit und Entschlossenheit gezeigt. Und Präsident Putin kann darauf wetten, dass sich das verdoppeln wird", sagte von der Leyen. Sie betonte, das der russische Staatschef kein einziges seiner strategischen Ziele erreicht habe: Der Westen sei geeint und stehe fest an der Seite der Ukraine, Russlands Einnahmen aus Energieressourcen seien weggebrochen, und die Ukraine als Volk sei kraftvoller denn je.

Freiheit gibt es nicht umsonst. Wir müssen jeden Tag dafür kämpfen.
Jens Stoltenberg (NATO-Generalsekretär)

"Freiheit gibt es nicht umsonst. Wir müssen jeden Tag dafür kämpfen", sagte Stoltenberg. "Heute ist es das ukrainische Volk, das tapfer für seine Freiheit kämpft." Deshalb müsse die Ukraine mit dem unterstützt werden, was sie benötige, um gegen Russlands Angriff zu bestehen und sich durchzusetzen. Die estnische Regierungschefin Kaja Kallas als Gastgeberin betonte: "Als Team Europe und Team NATO haben wir im vergangenen Jahr große Einigkeit und Entschlossenheit gezeigt." Die Schlüsselwörter für die Zukunft seien nun Mut, Glaube und Russlands Rechenschaft. Angst dürfe dabei kein Raum gelassen werden, sagte Kallas.

Die NATO betonte in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung, der sich auch die Beitrittskandidaten Finnland und Schweden anschlossen, die Unterstützung für die Ukraine aufrechtzuerhalten: "Wir als Verbündete bekräftigen unsere Solidarität mit der Regierung und dem Volk der Ukraine bei der heldenhaften Verteidigung ihrer Nation, ihres Landes und unserer gemeinsamen Werte", hieß es darin.

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Schallenberg: Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen

"Das Recht des Stärkeren darf nicht über die Stärke des Rechts siegen. Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen." Das erklärte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) bei einer außerordentlichen Sitzung des Ständigen Rates der OSZE am Freitag anlässlich des Jahrestages des russischen Einmarsches in der Ukraine.

"Seit 365 Tagen sind wir Zeugen unsäglichen menschlichen Leids, Millionen Vertriebener und enormer Zerstörung. Es scheint, dass Russland in seinem neo-imperialistischen Machtstreben keine Grenzen mehr kennt", sagte Schallenberg laut dem der APA übermittelten Redetext.

Mir ist bewusst, dass dieser Appell seit 365 Tagen in den Gängen des Kreml verhallt. Doch gerade als Mitglieder der OSZE sind wir angehalten – vielmehr: ist es unsere Pflicht – die Tür der Diplomatie nicht zuzuschlagen.
Alexander Schallenberg (Außenminister Österreich)

Die Überschreitung der physischen Grenzen der Ukraine, eines souveränen Staates, mit Panzern und Raketen sei eine eklatante Überschreitung aller Grenzen des Völkerrechts und der UN-Charta, so der Außenminister.

Seit Tag 1 der russischen Aggression stehe Österreich in ungeteilter und unverbrüchlicher Solidarität an der Seite der Ukraine, betonte Schallenberg, der an die Verantwortlichen in Moskau appellierte: "Lassen Sie die Waffen ruhen. Beenden Sie das menschenverachtende Blutvergießen. Ziehen Sie Ihre Truppen aus der Ukraine ab."

"Mir ist bewusst, dass dieser Appell seit 365 Tagen in den Gängen des Kreml verhallt. Doch gerade als Mitglieder der OSZE sind wir angehalten – vielmehr: ist es unsere Pflicht – die Tür der Diplomatie nicht zuzuschlagen. Die Ukrainerinnen und Ukrainer verdienen einen gerechten und dauerhaften Frieden", fügte Schallenberg hinzu.

Scholz: „Russland führt unerbittlichen Angriffskrieg"

Deutschlands Kanzler Olaf Scholz würdigte in einer Videoansprache am Freitag die Entschlossenheit der Ukrainer: "Russland führt einen unerbittlichen Angriffskrieg gegen die Ukraine". "Wer auf das vergangene Jahr zurückblickt, erkennt: Der russische Präsident ist gescheitert", so Scholz. "Wladimir Putin hat auf Spaltung gesetzt, und das Gegenteil bewirkt. Die Ukraine ist geeinter denn je", sagte der deutsche Kanzler. Die EU stehe geschlossen zusammen.

Je früher Russlands Präsident einsieht, dass er sein imperialistisches Ziel nicht erreichen wird, desto größer ist die Chance auf ein baldiges Kriegsende. Putin hat es in der Hand. Er kann diesen Krieg beenden.
Olaf Scholz (Bundeskanzler Deutschland)

Deutschland unterstütze die Ukrainerinnen und Ukrainer, die mit Entschlossenheit und Mut ihre Freiheit verteidigen, so stark und solange wie nötig und stehe in Zukunft fest an der Seite der Ukraine. "Denn: Es sind eben nicht unsere Waffenlieferungen, die den Krieg verlängern." Das Gegenteil sei richtig: "Je früher Russlands Präsident einsieht, dass er sein imperialistisches Ziel nicht erreichen wird, desto größer ist die Chance auf ein baldiges Kriegsende. Putin hat es in der Hand. Er kann diesen Krieg beenden."

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz.
© imago

Steinmeier verspricht: Auf Deutschland ist Verlass

"Auf Deutschland ist Verlass", versicherte auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Freitag bei einem Gedenkakt im Schloss Bellevue in Berlin und sicherte dem überfallenen Land weitere umfassende Hilfe zu. Wenn Kreml-Chef Wladimir Putin ernsthaft ein Ende des Krieges wolle, müssten sich seine Truppen aus der Ukraine zurückziehen, so Steinmeier. "Russland muss unmissverständlich klar werden: Es kann keinen Sieg geben in seinem verbrecherischen Krieg."

Steinmeier zeigte sich skeptisch, ob China bei den Bemühungen um einen gerechten Frieden eine konstruktive Rolle spielen könne. "Wenn dem so ist, dann sollte China jedenfalls nicht nur mit Moskau sprechen, sondern auch mit Kiew." Der deutsche Bundespräsident betonte, nicht die westliche Verteidigungshilfe verlängere den Krieg, es sei vielmehr Russland. "Nicht die Ukraine und auch nicht ihre Verbündeten verweigern sich dem Frieden – es ist Russland."

Macron: "Auf Solidarität, Sieg und Frieden"

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sicherte der Ukraine die weitere Unterstützung seines Landes zu. "Ukrainerinnen und Ukrainer, Frankreich steht an Ihrer Seite", schrieb Macron am Freitag auf Twitter. "Auf die Solidarität, den Sieg und den Frieden."

Seit einem Jahr leidet das ukrainische Volk unvorstellbar unter einem nicht provozierten, umfassenden Angriff auf seine Nation.
Großbritanniens König Charles III.

Der britische König Charles III. (74) stärkte dem Land einer Mitteilung vom Donnerstag zufolge ebenfalls den Rücken. "Seit einem Jahr leidet das ukrainische Volk unvorstellbar unter einem nicht provozierten, umfassenden Angriff auf seine Nation", sagte der Monarch. Die Ukrainer hätten "wirklich bemerkenswerten Mut und Widerstandskraft angesichts einer solchen menschlichen Tragödie" gezeigt.

Es sei ermutigend, dass Großbritannien und seine Verbündeten alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um zu helfen, so Charles weiter. Er fügte hinzu: "Ich kann nur hoffen, dass die Welle der Solidarität aus der ganzen Welt nicht nur praktische Hilfe bringt, sondern auch Stärke aus der Gewissheit, dass wir Schulter an Schulter stehen."

Der britische König Charles III. besuchte ukrainische Truppen, die in England ausgebildet werden.
© APA/AFP/Jackson

Ungarns Präsidentin: Ende des Krieges nicht abzusehen

Nach einem Jahr Zerstörung ist das Ende des Krieges noch nicht abzusehen, betonte die ungarische Staatspräsidentin Katalin Novák am Freitag auf Twitter. Auch als Mutter sei es schockierend, die Opfer, die zerrissenen Familien, die Zerstörung der Zukunft und die Verbitterung zu sehen. Die Gebietsintegrität und Souveränität der Ukraine können nicht in Frage gestellt werden, die Kriegsverbrecher wiederum verdienen ihre Strafe. Laut Novák wünschen die Ungarn, dass sich der Weg zum "gerechten Frieden" öffnet.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte der deutschen Bundesregierung für die Unterstützung. "Deutschland hilft uns", sagte Selenskyj zugeschaltet zur Veranstaltung im Schloss Bellevue und wandte sich dabei an Präsident Steinmeier und Kanzler Scholz. Zugleich bat er, die Unterstützung für sein Land aufrechtzuerhalten. "Wir sind in der Lage, schon in diesem Jahr der russischen Aggression ein Ende zu bereiten", so Selenskyj. Und dann würde niemand mehr eine Aggression wagen, "wenn er weiß, dass die freie Welt entschlossen genug ist, die Freiheit zu verteidigen". (TT.com, APA, AFP, Reuters, dpa)

Pressestimmen

El País (Madrid):

"Wladimir Putin ist bisher gescheitert. Er hat es nicht geschafft, die Ukraine zu unterwerfen. Das erodiert die russische Macht nach innen und außen und festigt die Existenz der Ukraine jeden Tag ein bisschen mehr. Die kollektive Reaktion der Bevölkerung der Ukraine, ob ukrainischer oder russischer Herkunft, beschleunigt den Prozess des nationalen und institutionellen Aufbaus. Es ist nicht undenkbar, dass Kiew den Krieg gewinnen könnte.

Wenn wir das europäische Projekt schützen wollen, müssen wir mit allen Mitteln und ohne Zeitverlust den bewaffneten Widerstand gegen eine Aggression unterstützen, für die Russland, und nur Russland, verantwortlich ist. Das einzige, was Putin zufrieden stellen könnte, wäre die ukrainische Bevölkerung zu opfern, ihr zu sagen, dass ihr Kampf und ihr Tod vergeblich waren und dass sie zugunsten des Friedens im übrigen Europa akzeptieren müssen, unterjocht in einem verwüsteten Land zu leben. Was Moskau fürchtet, ist keine Ukraine in der NATO, sondern eine wirklich souveräne und demokratische Ukraine. Der Ausgang des Krieges ist offen, aber Putin hat die Ukrainer für immer verloren."

La Repubblica (Rom):

"Der Krieg in der Ukraine beginnt nicht am 24. Februar vorigen Jahres, als die Fallschirmjäger Wladimir Putins unter dem Kommando von General Waleri Gerassimow sich einbildeten, in wenigen Stunden den Kiewer Flughafen Hostomel besetzen und den legitimen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj töten oder gefangen nehmen zu können. (...) Der wahre Beginn der Feindseligkeiten geht auf August 2013 zurück, als US-Präsident Barack Obama seine vorherige Entscheidung über den Haufen warf und nicht in Syrien einschritt, um auf den Giftgasangriff des Regimes Bashar al-Assads gegen Zivilisten zu reagieren. (...)

In Moskau sieht Wladimir Wladimirowitsch Putin im Rückzug Obamas die Bestätigung seiner identitären These über einen korrupten, schwachen Westen, der nicht mehr bereit ist, für die eigenen Werte zu kämpfen (...). Klar, dass weder die USA noch die Europäische Union einschritten (...) als Putin 2014 die Krim besetzte und damit die Abkommen von Budapest verletzte, mit denen die Ukraine für die Anerkennung ihrer Grenzen auf die dortigen Atomwaffen verzichtete. Das Ausbleiben westlicher Reaktionen entzückte Putin, der sich nun frei fühlte, den Krieg an die Grenzen der NATO zu bringen."

The Telegraph (London):

"Bei seinem Besuch in Kiew Anfang dieser Woche sagte Joe Biden, dass 'die Welt' hinter der Ukraine stehe, aber das ist leider nicht der Fall. Indien und andere blockfreie Länder verfolgen eine Politik der 'strategischen Ambivalenz'. Vor der Küste Südafrikas finden derzeit russische Marineübungen statt. Viele Regierungschefs glauben, dass die Ukraine nicht gewinnen kann.

Dies ist die entscheidende Frage. Ist ein militärischer Sieg tatsächlich möglich, wenn die NATO keine Flugzeuge einsetzt und damit eine direkte Konfrontation mit Russland riskiert? Präsident Biden sagt, Amerika werde die Ukraine 'so lange wie nötig' unterstützen, aber er wird nicht ewig im Weißen Haus bleiben, und die Republikaner lehnen die Fortsetzung der US-Militärhilfe zunehmend ab. (...)

Der eigentliche Beifall gebührt dem ukrainischen Volk, das mit diesem Alptraum leben muss und sich auf Schlimmeres gefasst machen muss, wenn Russland eine Gegenoffensive startet. Wer kann schon sagen, wo wir in einem Jahr stehen werden? Aber wie (Ex-Premierminister) Tony Blair in dieser Zeitung schreibt, ist eines klar: Putin darf nicht siegen."

de Volkskrant (Amsterdam):

"Dass die Russen ihre Ohnmacht mit Angriffen auf zivile Ziele und anderen Kriegsverbrechen kompensieren, macht ihren Statusverlust nur noch größer. Die Ukraine hingegen hat sich ein Superhelden-Image zugelegt. Das Land verdient Respekt für den Mut, die Aufopferung und den mitunter galligen Humor, mit dem es sich dem Aggressor und den Skeptikern entgegengestellt. In gewisser Weise hat sich das Land selbst auf die Landkarte gesetzt, von der Russland es tilgen wollte: Seit der Invasion ist die Ukraine viel näher an Europa herangerückt. (...) All dies bietet keine Aussicht auf ein gutes Ende, sofern nach einem Jahr des Schreckens überhaupt die Rede davon sein kann. Selbst ein geschwächtes Russland verfügt über genügend Masse, um den Krieg noch lange weiterzuführen."

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