Nissan Ariya: Eistänzer mit Allrad unter Strom
Die Japaner schickten den Ariya mit Allradantrieb auf lichte Höhen, um zu beweisen, dass Stromer auf winterlichem Parkett reüssieren können.
Andorra – Eis- und Schnee-Parcours sind heuer äußerst rare Mangelware. Winterfahr-Events wie das GP Ice Race in Zell am See/Kaprun, Salzburg, geplant gewesen von 27. bis 29. Jänner 2023, mussten abgesagt werden. Und auch im hohen Norden stöhnt man wegen ungewöhnlicher Wärme. Ein Ausweg ist es, in die Höhe zu gehen. Wofür sich Nissan exklusiv die permanente Höhen-Rennstrecke Circuito Grand Valira in Pas de la Casa, Andorra, ausgesucht hat, auf 2400 Metern gelegen und im Winter gewöhnlich verlässlich dick vereist.
Auf dem variabel konfigurierbaren Rennkurs für vornehmlich motorisierte Fahrzeuge aller Art sollte der junge Vollelektriker Ariya zeigen, was er mit zwei angetriebenen Achsen anstellen kann. Wobei: Ums Anstellen, als Einleitung eines allfälligen Drifts, ging’s, gleich vorweggenommen, nicht einmal ansatzweise. Sondern um die Demonstration der Trittsicherheit des „e-4orce“ titulierten Allradantriebs-Systems, generiert aus zwei Strom-Aggregaten und einer Armada an zähmenden Fahrdynamik-Assistenten.
Das ist ziemlich spannend, ob mit Winter- oder mit stachelbewehrten Spike-Reifen. Erwischt man nicht gerade eine ultrablanke Eisplatte, fräst sich der Elektro-Japaner mit jeder Art von Gummi wacker und spursicher sowie -treu um die Ecken. Das Temperatur-Niveau verlangte der Batterie nicht über Gebühr Energie ab. Auch auf dieser Höhe, im Schatten der Pyrenäen, machte der Winter gerade Frühlingspause, und zudem rekuperiert das Antriebssystem prompt und effektiv, ob im Eco- oder im Sport-Modus. Wobei die 306 PS Spitzenleistung generell kaum spürbare Mühe mit dem 2,2-Tonner haben. Dieses Gewicht fordert in erster Linie die zähmende Elektronik, der Ariya drängt gerne aus Kurven-Radien hinaus.
Das tut er grundsätzlich nicht nur auf Eis, ebenso auf Asphalt, wobei wiederum die Elektronik rigoros dafür sorgt, dass der Strom-Crossover nicht ausbricht. Oder auch nicht über Gebühr sportlich reagiert.
Um das zu erfahren brauchte es nicht erst das Höhen-Eis. Denn als Aufwärmübung ging es vorerst rund 200 Kilometer von Toulouse, in Frankreich (dort, wo Airbus zu Hause ist) bis an die – spanische – Grenze zu Andorra. Bis dorthin gab’s gemischtes Programm, durch Stadt und Dorf, über Autobahnen und mit Kreisverkehren gespickte, stetig ansteigende, teils weit-, teils engkurvige Landstraßen. Was den laut technischen Daten durchschnittlichen Strom-Verbrauch von 19,5 kWh pro hundert Kilometer stellenweise auf knapp 27 kWh getrieben hat. Besonders auf den letzten rund siebzig Kilometern bis zur Rennstrecke. Ein beachtlicher Konsum. Der sich auf dem Rückweg zwar nicht ins Gegenteil, doch stellenweise sogar deutlich unter die Normverbrauchsangabe verkehrte, auf rund 16 kWh, dank bereitwilliger Rekuperation. Summa summarum bestand jedoch auf dem Rückweg kein Grund zur völligen Batterieentleerungs-Sorge: Auf rund 250 Kilometern Wegstrecke, über weite Strecken bergab, reduzierte sich der Akku-Ladestand von achtzig auf knapp unter fünfzig Prozent. Preis: ab 70.500 Euro. Zum Vergleich: Die Basis-Version – 218 PS, 63-kWh-Akku, Frontantrieb – kostet ab 57.000 Euro.
Zum direkten Vergleich mit dem Vollstromer hatte Nissan den Teilzeit-Elektriker X-Trail, ebenfalls mit Allradantrieb versehen, mitgenommen. Der hatte ja schon auf slowenischem Schotter gezeigt, dass er zwar kein Geländegänger, doch ein traktionssicherer Begleiter auf zweifelhaftem Untergrund ist. Auch auf dem Eis führte der Vollhybrid die Wirksamkeit des Zusammenspiels zwischen zusätzlich angetriebener Heckachse und ausgefeilter Elektronik vor. An Sprit genehmigte er sich über die gesamte Fahrstrecke an die acht Liter.