Streit über Pestizide: Grüne Sarah Wiener will strengere Regeln für Bauern in der EU
2030 sollen die Bauern in der EU nur noch halb so viele sogenannte Pflanzenschutzmittel auf die Äcker bringen. Den Grünen ist noch deutlich zu viel.
Brüssel ‒ Im Streit über eine deutliche Reduzierung von Pestiziden in der europäischen Landwirtschaft dringt die EU-Abgeordnete Sarah Wiener auf deutlich strengere Regeln. Das geht aus einem Berichtsentwurf der Österreicherin hervor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, und über den der zuständige Parlamentsausschuss abstimmen muss. Der Bericht soll offiziell am Donnerstag vorgestellt werden.
Darin schlägt die im Europaparlament für das Thema zuständige Grünen-Politikerin unter anderem mehr Steuern auf Pestizide, eine stärkere Reduktion besonders gefährlicher Pflanzenschutzmittel und Kompromisse beim Totalverbot der Chemikalien in sehr sensiblen Gebieten vor. Unter anderem soll es Ausnahmen für Bio-Pestizide geben.
80 statt 50 Prozent
Die EU-Kommission hatte im Sommer einen Gesetzesvorschlag präsentiert, der unter anderem eine Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2030 vorsieht. Grundlage für den Wert soll demnach die durchschnittlich verkaufte Menge aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 sein.
Wiener will nun nachschärfen: Für besonders gefährliche Pestizide plädiert sie für eine Reduktion um 80 Prozent bis 2030. Zudem soll die EU-Kommission dem Bericht der ehemaligen Fernsehköchin zufolge eine Steuer für die Chemikalien ausarbeiten, deren Höhe von den Risiken ihres Einsatzes abhängen soll.
Erster Widerstand regt sich
Angesichts der geplanten Verschärfung kam bereits Widerstand aus der Landwirtschaft und anderen politischen Lagern. So hatte Niedersachsens damalige Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) nach der Vorstellung der Pläne durch die Kommission gesagt, diese bedeuteten das Aus für viele Höfe in Niedersachsen. Niedersachsens Bauernverband sprach davon, dass die Pläne der EU-Kommission die sichere Versorgung der Verbraucherinnen und Verbraucher mit Nahrungsmitteln gefährdeten.
Wiener muss für ihren Bericht nun eine Mehrheit im Umweltausschuss finden. Anschließend muss auch das Plenum des EU-Parlaments darüber abstimmen, bevor Verhandlungen mit den EU-Staaten aufgenommen werden können. Die EU-Kommission sieht im bisherigen Einsatz der Chemikalien ein Risiko für die Ernährungssicherheit. „Weitermachen wie bisher gefährdet die natürlichen Ressourcen, unsere Gesundheit, das Klima und die Wirtschaft", hieß es.
Reaktion Global 2000
„Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission benötigt jedoch einige Nachbesserungen, damit die Ziele des Europäischen Green Deal erreicht werden", erläuterte die Umweltschutzorganisation Global 2000 in einem der APA übermittelten Statement. Wiener habe in ihrem Bericht eine einzige „Verschärfung" des Kommissionsvorschlags gemacht. Diese betreffe die Pestizide, die als Substitutionskandidate definiert sind und deren Ersatz durch weniger gefährliche Alternativen die EU schon 2009 per Verordnung beschlossen hat, bei deren Umsetzung die Mitgliedstaaten aber säumig seien.
Die von Wiener nun vorgeschlagene Reduktion von Substitutionskandidaten um 80 Prozent bis 2030 „ist nichts anderes als die (mathematisch) logische Konsequenz, wenn das gesetzlich verankerte Substitutionsprinzip endlich angewendet wird", erläuterte Helmut Burtscher-Schaden von Global 2000. Wieners Report habe schlichtweg einen „Fehler" im Kommissionsvorschlag korrigiert. 80 anstelle von 50 Prozent seien dabei „nicht einmal besonders ambitioniert", kritisierte der Biochemiker.