Roter Teppich für einen Abwesenden: Kammerkonzert in Innsbruck
Auf geografisch-musikalischer Entdeckungsreise mit Camille Thomas und Shani Diluka beim Kammerkonzert.
Innsbruck – Der türkische Pianist und Komponist Fazıl Say ist dem hiesigen Publikum noch von seinem famosen Meisterkonzert anno 2015 in bester Erinnerung.
Beim Kammerkonzert vorgestern im Haus der Musik ist der aus Ankara gebürtige Tastenfex aber nicht persönlich zugegen. Dennoch durchwirkt Says Schaffen nachdrücklich, irgendwie auch magisch, den Abend. Cellistin Camille Thomas und Shani Diluka am Klavier rollen dem abwesenden Kollegen einen roten (Klang-)Teppich aus.
Mit der Sonate „Dört Sehir“ (Vier Städte) schuf Say vor zehn Jahren ein Porträt unterschiedlicher Regionen seiner türkischen Heimat, die vor Kurzem von einem heftigen Erdbeben heimgesucht wurde. Thomas und Diluka widmen ihre Wiedergabe der „Vier Städte“ den Bewohnern des schwer geprüften Landes.
Ausführlich schildern die beiden Musikerinnen dem Publikum vorab, was es nun erwarten darf: Musik, die berühren soll und unterhalten, die auch Spaß machen darf und vor allem Hoffnung gibt.
Das konzertante Duo, einander kollegial unterstützend und zu einer Einheit verschmelzend, verspricht mit seiner Ansage keinen Deut zu viel. Die vier Sätze von „Dört Sehir“ vibrieren vor Lebensfreude und Ausgelassenheit. Klavier und Cello legen phasenweise ihren strengen Duktus ab. Das ergibt neue, kreative Töne aus altbekannten Instrumenten. Schwierige politische Zeiten klingen im dritten Satz „Ankara“ an. Da hört man militärische Reihen sich formieren. Final obsiegt im jazzigen Satz „Bodrum“ die Leichtigkeit, abrupt gestoppt – feucht-fröhlicher Übermut tut selten gut – von einer Keilerei in einer Bar.
Thomas und Diluka sind ihrerseits Sterne im Klassikfach, weitgereist, mit Plattenvertrag. Unprätentiös und charmant stellen sich die beiden in Innsbruck vor, schlagen mit ihrer feinen Auswahl mühelos Brücken über die Epochen, von Ravel und Rachmaninow bis in die Gegenwart.
Erst nach drei Zugaben – mit Stücken von Camille Saint-Saëns, erneut Fazıl Say und Pau Casals – lässt die neu gewonnene Fangemeinde die beiden aufopfernd Aufspielenden von dannen ziehen. Au revoir!