SPÖ für „Halbe-Halbe“, FPÖ gegen „Genderwahn“: Das sind die Forderungen zum Frauentag
Frauen sind in vielen Bereichen des Lebens benachteiligt - darauf machen Organisationen vor dem 112. Frauentag am 8. März aufmerksam. Während der Frauenring die Frauenpolitik aus dem "Tiefschlaf" wecken will, fordern die NEOS "echte Wahlfreiheit". Die SPÖ will "Halbe-Halbe" und einen Ausbau der Kinderbetreuung, die FPÖ wendet sich gegen den "Genderwahn".
Wien ‒ Als erster Frauentag gilt der 19. März 1911, zunächst wurde vor allem das Frauenwahlrecht gefordert. 1921 wurde der 8. März als Datum des Internationalen Frauentags festgelegt - an diesem Tag waren im Jahr 1917 Arbeiterinnen, Ehefrauen von Soldaten und Bäuerinnen in Sankt Petersburg gemeinsam auf die Straße gegangen und hatten die Februarrevolution ausgelöst.
Trotz der langen Geschichte des Frauentages kämpfen Frauen weiterhin um Gleichstellung. Eine fortschrittliche Frauenpolitik müsse Frauen schützen und unterstützen, gab sich Frauenring-Vorsitzende Klaudia Frieben bei einer Pressekonferenz vor dem Parlament am Dienstag kämpferisch. Gemeinsam mit Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, forderte sie etwa 250 Millionen Euro jährlich sowie 3000 Vollzeitarbeitsplätze zur Umsetzung der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen.
Frieben will außerdem einen flächendeckenden und kostenfreien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, Maßnahmen im Kampf gegen Altersarmut mit dem Ziel der Stärkung der Eigenpension, ein Lohntransparenzgesetz mit "echten Sanktionen" sowie einen Rechtsanspruch auf ganztägige und beitragsfreie Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr.
Ernüchternde Statistik
Gender Pay Gap: So hoch sind Lohnunterschied und Teilzeitquote in Österreich
Aber auch die derzeitige Teuerungswelle erschwere das Leben von Frauen - unter ihnen Alleinerzieherinnen, Mindestpensionistinnen und Teilzeitbeschäftigte - und mache besonders ihr Leben "unleistbar", so Frieben. Es brauche deshalb sofortige und nachhaltige Maßnahmen zur Senkung der Inflation für Güter des täglichen Bedarfs, Energie und Mieten.
Andrea Czak, Obfrau des Vereins Feministische Alleinerzieherinnen (FEM.A), machte auf die oft prekäre Situation von Alleinerzieherinnen aufmerksam, seien doch fast 70 Prozent von ihnen "massiv armutsgefährdet". Sie forderte eine Unterhaltsgarantie sowie ein Unterhaltsrecht, dass die 2021 veröffentlichte Kinderkostenstudie in den Unterhaltssätzen abbildet.
📽️ Video | Unterschiedliche Forderungen zum Weltfrauentag
Gewerkschaften fordern Maßnahmen gegen Teuerung
Auch die Gewerkschaften fordern Maßnahmen gegen die Teuerung ‒ etwa nachhaltige Entlastungsmaßnahmen wie einen Energiepreisdeckel oder einen kollektivvertraglichen Mindestlohn von 2000 Euro.
Frauen von Ballast zu befreien und ihnen "mehr sorgenfreie Zeit" zu ermöglichen, steht für den ÖGB am diesjährigen Frauentag an erster Stelle. ÖGB-Vizepräsidentin und - Bundesfrauenvorsitzende Korinna Schumann forderte etwa alternsgerechte Lösungen für Arbeitnehmerinnen in den Unternehmen: "Nur wer einen Job auch bis zur Pension machen kann, läuft im Alter nicht Gefahr in die Armut zu rutschen oder vom Partner abhängig zu sein."
Sie appellierte außerdem für familienfreundliche Arbeitszeitmodelle und kostenfreie, flächendeckende Angebote für die Betreuung von Kindern und Älteren sowie einen Rechtsanspruch auf Kinderbildung ab dem ersten Geburtstag.
Rauch fordert "Perspektivenwechsel"
Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) forderte zum Frauentag einen "Perspektivenwechsel": "Wir müssen Frauen und ihre Lebensrealitäten ernst nehmen und in allen Bereichen Schritte setzen." Zu oft orientiere sich unser Handeln an den Bedürfnissen von Männern. Es brauche etwa einen Ausbau der Kinderbetreuungsplätze, hob er in einer Aussendung hervor.
Die Grüne Frauensprecherin Meri Disoski pochte auf verpflichtende Lohntransparenz, zeitgemäße Karenzmodelle und Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung.
SPÖ kampagnisiert wieder Halbe-Halbe
Auch die Oppositionsparteien stellten am Dienstag Forderungen zur Frauenpolitik. So mobilisiert die SPÖ für "Halbe-Halbe". Bei einer Pressekonferenz forderten Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner und SPÖ-Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner etwa ein neues Karenz-Modell sowie einen Ausbau der Kinderbetreuungsplätze. Um Vollzeitarbeit zu ermöglichen, brauche es 100.000 neue ganztägige Kinderbetreuungsplätze mit Rechtsanspruch. Dazu sollten 180.000 Ganztagsschulplätze zusätzlich kommen, die Finanzierung müsse der Bund übernehmen, so Rendi-Wagner.
📽️ Video | SPÖ präsentierte Kampagne zum Frauentag
Holzleitner pochte indes auf mehr Väterbeteiligung. Bei acht von zehn Paaren gehe der Mann nicht in Karenz. Im Endausbau will sie nach isländischem Vorbild eine Verpflichtung, dass die Partner die Karenz teilen. Sonst würde ein erheblicher Anteil des Anspruchs verloren gehen. Auch bei der Lohntransparenz schaut die Frauenvorsitzende nach Island. Dort muss der Dienstgeber nachweisen, dass ein Mann zu Recht mehr verdient und nicht umgekehrt.
Schließlich verlangte sie, das Gender-Budgeting auch tatsächlich ernst zu nehmen. Von Maßnahmen wie der Abschaffung der kalten Progression in der beschlossenen Form profitierten nämlich vorwiegend Männer.
NEOS wollen "echte Wahlfreiheit"
Echte Wahlfreiheit für Frauen fordern indes die NEOS: "Jede Frau soll selbst entscheiden können, wie sie ihr Leben leben und wie viel sie arbeiten will. Der Staat muss dafür die Rahmenbedingungen schaffen", sagte NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger in einer Aussendung. Notwendig seien dafür etwa flächendeckend kostenlose Kinderbetreuungsplätze. Auch fordern die Pinken eine partnerschaftliche Aufteilung der Kinderbetreuung und ein verpflichtendes Pensionssplitting. In Niederösterreich regte NEOS-Landessprecherin Indra Collini an, dass Landtagsklubs für weibliche Abgeordnete mehr Geld erhalten sollen und "wir so einen Anreiz schaffen, damit Parteien mehr Frauen aufstellen".
FPÖ wendet sich mit Petition gegen "Genderwahn"
Eine andere Richtung schlägt die FPÖ ein, die sich mit einer Petition gegen den "Genderwahn" wendet. "Durch das Gendern hat sich für keine Frau in Österreich etwas zum Besseren verändert", befand Frauensprecherin Rosa Ecker, die sich bei einer Pressekonferenz für "mehr frauen- und mütterfreundliche Politik" aussprach. In der Petition mit dem Titel "Gegen Gender-Politik in unserer Sprache" wird unter anderem "das Verbot der verpflichtenden Gendersprache in Schulen, Bildungseinrichtungen und Universitäten" gefordert.
Zahl der Bürgermeisterinnen steigt, aber langsam
Vielerlei Organisationen machten indes auf die Benachteiligung von Frauen in verschiedensten Bereichen aufmerksam. So zeigte der Gemeindebund auf, dass die Anzahl der Bürgermeisterinnen in den letzten Jahren zwar gestiegen ist, immer noch aber nur ein Zehntel der Ortschefs weiblich ist: Aktuell gibt es in Österreich 218 Bürgermeisterinnen, bei 2093 Gemeinden entspricht das einem Anteil von 10,4 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Ortschefinnen um 9 Prozent gestiegen.
Volksanwaltschaft ruft Frauen zu Beschwerden auf
Die Volksanwaltschaft machte darauf aufmerksam, dass sich deutlich mehr Männer als Frauen mit Beschwerden über die Verwaltung an sie wenden und rief Frauen dazu auf, vermehrt von ihrem Recht gebrauch zu machen.
Für den Rechnungshof stellte Präsidentin Margit Kraker in ihrem Podcast fest, dass das Prüforgan mit seinen Berichten zur Gleichstellung beitragen und auf den "Gender Pay Gap" aufmerksam machen wolle. Das Problem der ungleichen Bezahlung nahm die Bundesjugendvertretung in den Blick und forderte wirksame Sanktionen für Unternehmen. Typische Frauenberufe dürften nicht schlechter bezahlt, Kinderbetreuungsangebote müssten ausgebaut werden.
Die Münze Österreich widmet großen Frauen indes eine Münzserie: Malerin Tina Blau, Schriftstellerin Veza Canetti, Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, Musikerin Hilde Loewe-Flatter und Wissenschafterin Lise Meitner werden auf der 50-Euro-Goldmünzen-Serie "Heimat großer Töchter" geehrt.
Rotes Kreuz: Gewalt gegen ältere Frauen als großes Tabuthema
Das Rote Kreuz macht indes auf Gewalt gegen ältere Frauen aufmerksam. In Österreich habe jede fünfte Frau ab dem 15. Lebensjahr körperliche, sexuelle Gewalt oder beides erfahren, bei älteren Frauen sei eine hohe Dunkelziffer zu vermuten. Petra Schmidt, Bereichsleiterin Gesundheits- und Soziale Dienste beim Österreichischen Roten Kreuz, plädierte in einer Aussendung dafür, nonverbale Äußerungen und mögliche Anzeichen zu beachten. (TT.com, OTS, APA)