Tote nach russischen Raketenangriffen, AKW Saporischschja von Strom abgeschnitten
Russland hat in der Nacht erneut einen großflächigen Angriff auf die Ukraine gestartet. Betroffen waren neben der Hauptstadt Kiew auch die Regionen Charkiw und Odessa. Auch beim Atomkraftwerk Saporischschja gab es wieder Einschläge.
Kiew (Kyjiw)/Moskau – Infolge eines großflächigen russischen Raketenangriffs ist das Atomkraftwerk Saporischschja nach Angaben des ukrainischen Betreibers von der regulären Stromversorgung abgeschnitten worden. Die von russischen Truppen besetzte Anlage in der südlichen Stadt Enerhodar werde derzeit über Dieselgeneratoren notversorgt, teilte Enerhoatom Donnerstag früh auf Telegram mit. Der Kraftstoff reiche für zehn Tage. Für Österreich besteht laut dem Umweltministerium keine Gefahr.
Keine erhöhte Strahlung gemessen
Es gebe derzeit "keinen Hinweis auf erhöhte Strahlung im Bereich des KKW Saporischschja", teilte das Ministerium auf Twitter mit. Die Abteilung Strahlenschutz verfolge die weitere Entwicklung und werde weiter informieren.
Der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko sprach auf Facebook von einem "barbarischen, massiven Angriff" der Russen. Neben Saporischschja waren seit den frühen Morgenstunden auch andere Landesteile mit Raketenschlägen überzogen worden, darunter auch die Hauptstadt Kiew. Die Regionen Odessa und Charkiw berichteten ebenfalls von Angriffen auf Energieanlagen und infolge dessen von Stromausfällen.
Ein Sprecher des russischen Atomkraftwerkbetreibers Rosenergoatom bestätigte der Agentur Interfax die Abtrennung vom regulären Stromnetz. Zugleich warf er der ukrainischen Seite vor, die Versorgung ohne erkennbaren Grund gekappt zu haben.
AKW zum sechsten Mal am Notstrom
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) ist wegen des erneuten Ausfalls der regulären Stromversorgung im AKW Saporischschja alarmiert. Dies sei bereits das sechste Mal, dass Europas größtes Atomkraftwerk wegen des Krieges auf Notversorgung durch Diesel-Generatoren umstellen müsse, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi am Donnerstag vor dem IAEA-Gouverneursrat in Wien. "Jedes Mal würfeln wir. Und wenn wir das immer wieder tun, dann wird uns eines Tages das Glück verlassen", warnte Grossi. So dürfe es nicht weitergehen. Es sei höchste Zeit, eine Sicherheitszone rund um das Kraftwerk einzurichten. Er werde seine entsprechenden Bemühungen fortsetzen, sagte Grossi. Atomkraftwerke sind zum sicheren Betrieb auf verlässliche Stromversorgung angewiesen.
In einer gemeinsamen Erklärung forderten zahlreiche Staaten des IAEA-Gouverneursrats am Donnerstag Russland auf, das AKW zu verlassen. "Die Risiken am Kraftwerk bleiben gefährlich hoch, solange sich russisches militärisches Personal und Rosatom-Personal dort aufhält", heißt es in der unter Federführung Kanadas entstandenen Erklärung, die auch von Deutschland unterstützt wird.
📽️ Video | Mediziner Uy zur Situation in der Ukraine:
Mehrere Tote bei neuerlichen russischen Raketenangriffen
Bei russischen Raketenangriffen in der ganzen Ukraine sind am Donnerstag nach Angaben von Rettungskräften mindestens sechs Zivilisten getötet worden. Betroffen von dem landesweiten Beschuss in der Früh waren laut Behörden unter anderem die Hauptstadt Kiew, die Schwarzmeer-Hafenstadt Odessa und die zweitgrößte Stadt Charkiw. Aber auch in Lwiw, Schytomyr, Winnyzja und Riwne im Westen und in Dnipro und Poltawa in der Landesmitte schlugen Raketen ein.
Beim Beschuss eines Wohngebiets in der westlichen Region Lwiw habe es mindestens fünf Tote gegen, teilten Rettungskräfte mit. Aufnahmen aus dem Gebiet, das etwa 700 Kilometer von der Front und nur etwa 80 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt liegt, zeigen ein zerstörtes Haus und mehrere schwer beschädigte Gebäude. Zudem sei ein Zivilist in der zentralen Region Dnipro getötet worden. Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurden bei dem Beschuss kritische Infrastruktur und Wohngebäude in zehn ukrainischen Regionen getroffen.
📽️ Video | Wehrschütz zu den Angriffen in Kiew
Angaben aus Kiew zufolge wurden insgesamt 81 Raketen abgefeuert, darunter auch sechs Hyperschallraketen vom Typ "Kinschal" (Dolch). Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow bestätigte den Einsatz der "Kinschal"-Raketen. Die Attacke habe auf die militärische Infrastruktur, Unternehmen der Rüstungsindustrie und Energieanlagen gezielt, die die Betriebe mit Strom versorgen. Die Ukraine hingegen vermeldete zunächst keine Treffer in militärisch wichtigen Anlagen.
In Kiew gab es laut Bürgermeister Vitali Klitschko im Südwesten der Stadt Explosionen. Einige Bewohner berichteten von Stromausfällen. Der Gouverneur der Region Odessa, Maxym Martschenko, teilte auf Telegram mit, dass ein massiver Raketenangriff eine Energieanlage in der Hafenstadt getroffen und die Stromversorgung unterbrochen habe. Auch Wohngebiete seien getroffen worden. Der Gouverneur der Region Charkiw, Oleh Synjehubow, erklärte, die Stadt und die Region seien von 15 Angriffen betroffen gewesen, auch die Infrastruktur.
"Die Besatzer können nur Zivilisten terrorisieren, das ist alles, was sie können", erklärte Selenskyj. "Aber es wird Ihnen nicht helfen, sie werden sich nicht aus der Verantwortung ziehen können für alles, was sie getan haben."
Russland rechtfertigte unterdessen die schweren Raketenangriffe auf die Ukraine als Reaktion auf Gefechte in der russischen Grenzregion Brjansk. "Als Antwort auf die am 2. März vom Kiewer Regime organisierten Terrorakte im Gebiet Brjansk haben die russischen Streitkräfte einen massiven Racheschlag geführt", sagte Verteidigungsministeriumssprecher Konaschenkow.
Am 2. März hatten die russischen Behörden behauptet, eine ukrainische Sabotagegruppe sei auf russisches Gebiet eingedrungen und habe dort zwei Zivilisten getötet. Präsident Wladimir Putin sprach von einem "Terroranschlag". Zu dem Angriff bekannte sich später eine Gruppe russischer Nationalisten. Kiew hingegen stritt eine Beteiligung ab.
An der Front im Osten gingen die schweren Kämpfe um die Bergbaustadt Bachmut weiter. Das ukrainische Militär teilte am Mittwochabend mit, anhaltend starke russische Angriffe seien zurückgeschlagen worden. Selenskyj sagte in seiner abendlichen Videoansprache, dass der Kampf um Bachmut und die umliegende Donbass-Region die "erste Priorität" für die Ukraine sei. Die russischen Streitkräfte hatten am Mittwoch erklärt, die Kontrolle über die östliche Hälfte der seit Monaten umkämpften Stadt errungen zu haben. Die Ukraine hält aber nach eigenen Angaben an der Verteidigung der weitgehend eingeschlossenen Stadt fest. (APA/dpa/Reuters/AFP)
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