EU-Vorgaben missachtet: Weiter Chaos um Corona-Hilfen
Die Regierung hat Corona-Hilfen für Unternehmen bereitgestellt, die nicht EU-Vorgaben entsprechen. Nun drohen den betroffenen Firmen Rückzahlungen.
Wien – Schlamperei, Unvermögen oder einfach nur das typisch österreichische „wird schon irgendwie gehen“ – derzeit ist nicht klar, ob und wie viele heimische Firmen bereits erhaltene Corona-Hilfen zurückzahlen müssen. Fakt ist, sie haben – den Vorschriften in Österreich folgend – als Einzelunternehmen Förderungen beantragt oder bekommen, obwohl die EU Unternehmensverbünde heranzieht.
Was man bisher weiß: Die Republik bzw. deren Auszahlungsagentur Cofag hat im Zusammenhang mit der Gewährung von Zuwendungen wie Lockdown-Umsatzersatz, „Fixkostenzuschuss 800.000“, Ausfallsbonus und Verlustersatz nicht geprüft, ob die begünstigten Unternehmen einen Unternehmensverbund bilden und dadurch der beihilferechtliche Höchstbetrag von 2,3 beziehungsweise 12 Mio. Euro überschritten wurde. Stellt sich die Frage, wie das passieren konnte. Fix ist, die Regierung Österreich hat Richtlinien erlassen, bevor die EU-Vorgaben – die ja erwartet wurden bzw. zu erwarten waren – bekannt wurden.
Auf Anfrage an das Finanzministerium hieß es gestern: „Die Richtlinien basieren auf den befristeten Beihilferegelungen der Europäischen Kommission. Dabei war zu beachten, dass jene Unterstützungsmaßnahmen (...) intensiv und über lange Zeit mit der EU-Kommission erarbeitet wurden.“ Die Darstellung, dass die Richtlinien grundsätzlich ohne EU-Vorgaben zu berücksichtigen erarbeitet wurden, sei daher nicht zutreffend. Übersetzt: Man wollte nicht so lange warten, da dies die – politisch gewollt schnellen – Unterstützungsmaßnahmen verhindert hätte. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sagte gestern dazu, beim Start der Staatshilfen habe es „noch keine rechtliche Einschätzung der EU-Kommission“ gegeben. „Jetzt laufen Gespräche mit Kommissarin Margrethe Vestager.“ Und wenn es keine Einigung gibt? „Dann muss man sich das anschauen.“
Das Argument der Regierung, es habe schnell gehen müssen, gelte nicht, meinte hingegen Wifo-Wettbewerbsrechtler Michael Böheim. Wenn sich die EU-Kommission in ihrer Rechtsansicht durchsetze, was zu erwarten sei, werde die Republik rückfordern müssen. Empört ist darob Gerald Zmuegg, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Finanzombudsmann, der die Causa öffentlich machte. „Hier ist sicher nicht die Cofag schuld, die ist nur ausführendes Organ. Hier geht es in Wahrheit um politisches Unvermögen und ausbaden müssen dies die Unternehmen“, meint Zmuegg.
Von Seiten der Cofag hieß es gestern, gegebenenfalls könnten Rückzahlungen drohen. Bei Anträgen von rund 900 Unternehmen erhebe die Cofag Informationen, um festzustellen, ob im betreffenden Unternehmensverbund tatsächlich eine wirtschaftliche Einheit im Sinne des EU-Beihilfenrechts vorliegt. Die Frage nach dem Volumen der Rückforderungen lasse sich „derzeit nicht beantworten“, hieß es zur Frage, wie viel Geld auf dem Prüfstand steht. Zuerst müssen die betroffenen Unternehmen Auskünfte über das Vorliegen kontrollierender Beteiligungsbeziehungen im Unternehmensverbund einbringen. Erst dann könne ein etwaiger Überschreitungsbetrag der Höhe nach bestimmt werden.