Kiew bereitet sich auf Gegenoffensive nahe Bachmut vor
Beobachter zweifeln zwar an der strategischen Bedeutung der Stadt, die Schlacht hat für beide Seiten mittlerweile jedoch einen symbolischen Wert erlangt.
Bachmut – Die Ukraine bereitet sich auf eine Gegenoffensive vor. Der Kommandant der ukrainischen Bodentruppen, Oleksandr Syrskyj, erklärte, der erbitterte Kampf um Bachmut in der Ostukraine trage dazu bei, Zeit für die Vorbereitung einer Gegenoffensive gegen die russische Armee zu gewinnen. Unterdessen befanden sich die Kämpfer der russischen Söldnertruppe Wagner nach Angaben ihres Chefs bereits in der Nähe des Stadtzentrums von Bachmut.
"Die wahren Helden sind jetzt die Verteidiger, die die Ostfront auf ihren Schultern tragen", erklärte Syrskyj. Das Verteidigungsministerium in Kiew gab am Samstag an, dass die ukrainischen Soldaten am Vortag "mehr als 100 feindliche Angriffe" entlang der östlichen Front abgewehrt hätten.
Einige Experten hatten zuvor den Sinn weiterer Kämpfe um Bachmut in Frage gestellt. Beobachter zweifeln zwar an der strategischen Bedeutung der Stadt, die Schlacht hat für beide Seiten mittlerweile jedoch einen symbolischen Wert erlangt.
Die politische und militärische Führung sei sich einig, die Stadt weiter entschieden zu verteidigen, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba der "Bild am Sonntag". "Wenn man sich von Bachmut zurückzieht, was änderte das? Russland würde Bachmut einnehmen und seine Offensive auf Tschassiw Jar fortsetzen, so dass jede nächste Stadt hinter Bachmut das gleiche Schicksal erleiden könnte wie Bachmut", gab Kuleba an. Je länger aber Bachmut verteidigt werde, desto größer sei "die Wahrscheinlichkeit, dass andere Städte nicht das gleiche Schicksal erleiden", fügte der Außenminister hinzu.
Wagner-Gruppe spielt wichtige Rolle
Die ukrainische Vize-Ministerpräsidentin Olha Stefanischyna räumte in der französischen Zeitung Journal du Dimanche ein, es werde "kompliziert für uns, Widerstand zu leisten". Sie verwies aber auf Moskaus Verluste. "Wir schätzen, dass die russische Armee seit vergangenem Jahr schon 150.000 Männer in ihren Militäroffensiven auf unserem Boden verloren hat. Die Menschenmasse ihrer Infanterie ist eine erschreckende Waffe, sie scheint in Umfang und Zeit unerschöpflich zu sein", fügte Stefanischyna hinzu.
Die Söldner der Gruppe Wagner spielen in dem Kampf um Bachmut eine zentrale Rolle. In dieser Woche hatte die Söldnertruppe erklärt, den Ostteil von Bachmut eingenommen zu haben.
Wagner-Anführer Jewgeni Prigoschin gab in einem am Samstag veröffentlichten Video erneute Fortschritte seiner Kämpfer bekannt. "Dies ist das Gebäude der Stadtverwaltung, das ist das Zentrum der Stadt", sagte Prigoschin in dem im Onlinedienst Telegram veröffentlichten Video, während er vom Dach eines angeblich in Bachmut stehenden Hauses auf ein Gebäude zeigt. "Das ist einen Kilometer und 200 Meter entfernt. Das ist das Gebiet, wo Kämpfe stattfinden", führt Prigoschin aus. Seine Aussagen konnten zunächst nicht unabhängig geprüft werden.
Das Wichtigste sei nun, Munition zu bekommen und "voranzukommen", sagte Prigoschin. Der Wagner-Chef wirft der russischen Armeeführung seit Wochen vor, seine Kämpfer nicht ausreichend mit Munition zu versorgen. In seinem Video griff er erneut den russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und den Generalstabschef Waleri Gerassimow an und bezeichnete sie ironisch als "außergewöhnliche Militärbefehlshaber".
📽 Video | Weiter Kämpfe um Bachmut
Das britische Verteidigungsministerium bestätigte am Samstag, die Wagner-Söldner hätten in den vergangenen vier Tagen den "größten Teil des Ostens" von Bachmut unter ihre Kontrolle gebracht. Dem Ministerium zufolge kontrollieren die ukrainischen Streitkräfte noch den Westen der Stadt und haben wichtige Brücken über den Fluss Bachmutka zerstört, der mitten durch die Stadt fließt.
Russland schottet Bewohner von Folgen des Krieges ab
Nach Angaben der britischen Regierung schirmt die russische Führung die Bewohner großer Städte weitgehend von den Folgen des Kriegs ab. In einem Bericht des Verteidigungsministeriums hieß es am Sonntag, Russlands reichste Städte Moskau und St. Petersburg blieben verhältnismäßig verschont von den "extrem schweren Verlusten". Aus vielen östlichen Regionen sei die Zahl der getöteten Soldaten wohl mehr als 30 Mal so hoch wie in Moskau. Davon seien besonders ethnische Minderheiten betroffen. Beispielsweise gehörten in der Stadt Astrachan 75 Prozent der Gefallenen zu den Bevölkerungsgruppen der Tataren und Kasachen.
Es werde wohl auch weiterhin ein Hauptanliegen der russischen Militärführung bleiben, die wohlhabenderen und einflussreicheren Teile der Bevölkerung abzuschirmen, so die Einschätzung der britischen Geheimdienste. Das Verteidigungsministerium in London veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.
In der südukrainischen Stadt Cherson wurden unterdessen nach Behördenangaben mindestens drei Menschen bei einem russischen Angriff getötet, zwei weitere wurden verletzt. Der pro-russische Bürgermeister von Donezk im Osten der Ukraine erklärte, durch ukrainischen Beschuss seien zwei Menschen getötet worden, darunter ein Kind. (APA/AFP/dpa)
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