Gewalt und Existenzängste: Fast acht Mal am Tag suchen Frauen in St. Johann Hilfe
Anonyme und kostenlose Hilfe verspricht das Frauenberatungszentrum. Selber kämpft die Einrichtung aber um finanzielle Unterstützung.
St. Johann i. T. – Alle Hände voll zu tun hatte man auch im vergangenen Jahr beim Mädchen- und Frauenberatungszentrum für den Bezirk Kitzbühel mit Sitz in St. Johann: 2850 Kontakte verzeichneten die Beraterinnen, das sind im Schnitt fast acht Kontakte am Tag. Der Großteil der Rat suchenden Frauen stammt wie in den Jahren zuvor aus Österreich. Sie sind zwischen 30 und 39 Jahre alt und kommen aus allen Bildungsschichten. „Die meisten haben Kinder und arbeiten Teilzeit. Psychische und physische Gewalt an Frauen spielen bei den Beratungen eine große Rolle“, veranschaulicht die ehrenamtliche Obfrau des Mädchen- und Frauenberatungszentrums Renate Magerle. Mit der Gewalt einher gehen finanzielle Existenzängste der Frauen. Die Corona-Pandemie und die Teuerungen haben diese Probleme noch einmal verstärkt.
Das Mädchen- und Frauenberatungszentrum sei die einzige Anlaufstelle im Bezirk, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Lebenssituation von Frauen zu verbessern. Die Beratungsstelle leiste damit einen wertvollen Beitrag für die Gemeinden im Bezirk, heißt es im Jahresbericht. Dieses Bewusstsein sei nach einer Pressekonferenz zur aktuellen Situation und einem großen Medienecho im Jahr 2022 teilweise in den Gemeindestuben angekommen. „Im Namen der Frauen bedanke ich mich bei den Gemeinden Aurach, Reith, Kirchdorf, St. Johann und Oberndorf – die unserem Ruf nach einem Euro pro Einwohner für die Frauenberatung bisher gefolgt sind“, sagt Magerle. Nach wie vor bräuchte die Hilfsorganisation aber selber Hilfe. Würde jede Gemeinde im Bezirk Kitzbühel das Mädchen- und Frauenberatungszentrum mit einem Euro pro Einwohner im Jahr unterstützen, dann wäre der laufende Betrieb der Einrichtung laut Magerle beinahe ausfinanziert.
Bislang wird der laufende Betrieb des Mädchen- und Frauenberatungszentrums überwiegend aus Spenden finanziert. „Nachdem wir im September 2022 unsere schwierige finanzielle Situation noch einmal medial verbreitet haben, haben viele Firmen und private Spender erneut ihre Geldtasche geöffnet – ein großes Dankeschön dafür“, betont Magerle.
Große Hoffnung setzt Magerle dabei auch auf die neue Landesrätin Eva Pawlata: „Sie bemüht sich sehr. Wir haben bereits ein Subventionsansuchen an das Land gestellt.“
Nicht profitieren dürfte man vom angekündigten zusätzlichen Frauenhaus im Unterland. „Unsere Plätze sind ständig vergeben“, merkt Magerle an. Sie vermutet, dass das Frauenhaus in Kufstein entstehen soll. Bislang gebe es nur „Frauen helfen Frauen“ und das „Frauenhaus Tirol“ in Innsbruck, das „Frauenzentrum Osttirol“, Evita in Kufstein und das Mädchen- und Frauenberatungszentrum in St. Johann, die Frauen unterbringen können. „Jeden Montag gibt es eine Übersicht über freie Plätze bzw. den Bedarf“, weiß die ehrenamtliche Obfrau.
Dank und Anerkennung spricht Magerle auch der örtlichen Polizei aus, die Notrufe von Frauen sehr ernst nehme und schnell reagiere. So auch vor Kurzem, als eine Frau, die in einer Notwohnung des Mädchen- und Frauenberatungszentrums untergebracht ist, einen Notruf absetzte, weil jemand Unbekannter an ihrer Tür läutete. „Wir betreuen Frauen, die so traumatisiert sind, dass sie aus Angst die Tür nicht öffnen. Gerade dieses Beispiel zeigt, dass Gewalt auch bei uns im Bezirk ein großes Thema ist – auch wenn es immer noch nicht alle wahrhaben wollen“, betont Magerle. Sozialstellen in den Gemeinden seien hier überfordert. Magerle: „Wir beschäftigen vier ausgebildete Sozialarbeiterinnen in Teilzeit.“
Weitere Informationen unter frauenberatung-stjohann.at