Gedenkfeier für getötete Luise am Mittwoch, Motiv bleibt wohl unter Verschluss
Der Abschied von der getöteten zwölfjährigen Luise aus Freudenberg in Nordrhein-Westfalensoll am kommenden Mittwoch eine Gedenkfeier stattfinden. Unterdessen wird die Frage nach dem Motiv wohl nicht öffentlich bekannt gegeben werden.
Düsseldorf – Abschied von der getöteten zwölfjährigen Luise aus Freudenberg in Nordrhein-Westfalen: In der kleinen Stadt im Siegerland soll am kommenden Mittwoch eine Gedenkfeier für das Mädchen stattfinden. Alle, die teilnehmen möchten, seien in die Aula der Esther-Bejarano-Gesamtschule eingeladen, heißt es in einer am Samstag in der Siegener Zeitung veröffentlichten Traueranzeige.
"Es gibt keine Worte, um das Unbegreifliche zu begreifen. Für uns steht die Welt still", steht neben einem Foto des Mädchens, das vor rund einer Woche gewaltsam ums Leben gekommen war. Die Gedenkfeier wird der Anzeige zufolge am 22. März um 18 Uhr "im engen persönlichen Kreis" in der Evangelischen Kirche in Freudenberg begangen.
Von dort aus wird sie als Audiostream in die Gesamtschule übertragen und kann dort in der Aula verfolgt werden, wie aus der Anzeige hervorgeht. "Wir bitten sehr um Verständnis, dass die Familie und Freunde Luise dort in Ruhe auf ihrer letzten Reise begleiten möchten." Ein Polizeisprecher sagte, man wolle mit einem Einsatz an der Kirche dafür sorgen, dass die Trauerfeier nicht gestört werde.
Zwei 12 und 13 Jahre alte Mädchen hatten die Gewalttat gestanden. Mit mehreren Messerstichen sollen sie Luise in der vergangenen Woche nach bisher bekanntgegebenen Erkenntnissen am Samstag (11. März) in einem abgelegenen Wald an der Grenze von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen getötet haben. In der Traueranzeige ist bei Luises Lebensdaten der "12.03.2023" als Todestag angegeben.
Fragen nach Motiv für immer unbeantwortet?
"Warum?" Diese Frage treibt nach dem Tod der Zwölfjährigen viele um. Das geht so weit, dass Ermittler sich veranlasst sehen, gegen Falschmeldungen in die Offensive zu gehen. Dabei könnten Fragen zu Motiv und Hergang für die Öffentlichkeit unbeantwortet bleiben.
"Wir können auch die rechtlichen Grenzen, die uns gesetzt sind, nicht überschreiten, nur weil die Bevölkerung meint, ein Anrecht zu haben, alle Hintergründe zu kennen", sagte Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss von der Staatsanwaltschaft Siegen am Freitag. Hintergrund sei der Persönlichkeitsschutz der Minderjährigen. "Wir werden natürlich vollumfänglich aufklären", betonte er. Sollten sich die beiden geständigen Mädchen als Täterinnen bestätigen, "dann werden wir keine Aussagen zu Tatabläufen oder Motivlagen machen."
"Wenn wir Auskunft erteilen können und dürfen, tun wir das sicherlich", sagte von Grotthuss. In so einem speziellen Fall – Opfer und Tatverdächtige sind Kinder – müsse man auch mal akzeptieren, dass es gewisse Informationen gebe, die nicht für die Öffentlichkeit seien. "Damit muss man letztlich irgendwo leben", sagte er.
Kritik gegen Behördenlinie
Die Behördenlinie stieß auf Kritik. !Über die Motive und das Tatgeschehen auch nach Abschluss des Verfahrens nicht zu informieren, halte ich für nicht tragfähig. Dafür ist die Tat zu spektakulär", sagte Medienrechtler Prof. Tobias Gostomzyk von der TU Dortmund auf Anfrage. "Der Schutz der mutmaßlichen Täterinnen ist zu achten, kann hier aber nicht jegliche Information ausschließen, zumal sie ja bereits gestanden haben."
"Ich glaube nicht, dass das vor Gericht Bestand haben würde, weil die Tat so erschütternd und einzigartig ist – das öffentliche Interesse also erheblich. Es ist demnach nicht gerechtfertigt, jede Information darüber zurückzuhalten, sofern die Persönlichkeitsrechte angemessen geschützt werden", sagte Gostomzyk. Andernfalls könnten die Medien ihren Auskunftsanspruch gerichtlich geltend machen.
Zwar dürfe die Behörde in einem laufenden Verfahren mit Blick auf die Gefährdung der Ermittlungen Informationen zurückhalten, aber spätestens mit Abschluss der Untersuchungen falle dieser Grund weg, sagte Gostomzyk.
Karl-Nikolaus Peifer, Professor für Medienrecht an der Universität Köln, sagte, dass der Persönlichkeitsschutz von Kindern in der Regel Berichterstattungsinteressen über Straftaten überwiege. Allerdings müssten Persönlichkeitsschutz und Berichtsinteresse abgewogen werden. Absolute Verbote gebe es ebenso wenig wie absolute Berichtspflichten. "Der Einzelfall entscheidet. Wenn Informationen verweigert werden, muss dies jedenfalls näher begründet werden", sagte er. Dass derzeit Vorsicht überwiege, liege vermutlich an der noch unklaren Lage.
Zwei Mädchen im Alter von 12 und 13 Jahren hatten gestanden, Luise am 11. März in einem Waldstück an der Grenze von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen erstochen zu haben. Gegen Strafunmündige könne man nicht ermitteln, "sodass eigentlich die Akte zu schließen wäre", sagte von Grotthuss.
Keine Hinweise auf andere Beteiligte
Die Ermittler dürften sich aber nicht dem Vorwurf aussetzen, im Zuge der Ermittlungen mögliche andere strafrechtliche Sachverhalte zu übersehen. Es gibt demnach aber derzeit keine Hinweise darauf, dass andere Personen als die beiden Mädchen beteiligt waren. "Natürlich werden wir auch hinterfragen, ob die Geständnisse, die wir bekommen haben, belastbar sind und sich tragfähig zeigen", sagte von Grotthuss.
Polizei und Staatsanwaltschaft gingen am Freitag mit einer Mitteilung gegen Falschmeldungen in der Sache in die Offensive. "Offenkundig gibt es besonders in den sozialen Medien Spekulationen, die sich nicht mit dem aktuellen Stand der Ermittlungen decken", hieß es. Die Ermittler baten, sich daran nicht zu beteiligen "und die Diskussionen über die Hintergründe des Vorfalls, auch zum Schutz der Angehörigen, nicht zu befeuern."
Außerdem wurden auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Social-Media-Kanäle der beiden Tatverdächtigen geschlossen. In sozialen Netzwerken hatte es auf den Profilen teils anonymer Nutzer zahlreiche Spekulationen und auch Drohungen und Hass gegen die Tatverdächtigen gegeben. Laut Polizei wird laufend geprüft, ob strafrechtlich Relevantes gepostet wird.
Die tatverdächtigen Mädchen haben gemeinsam mit ihren Familien Freudenberg verlassen. Sie seien vom Jugendamt außerhalb des häuslichen Umfeldes untergebracht worden, sagte ein Sprecher des Kreises Siegen-Wittgenstein am Freitag. Zuvor hatte die Siegener Zeitung berichtet. Laut Staatsanwaltschaft sind sie in "geschützten Räumen" untergebracht.
Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen warnte am Freitag vor Spekulationen und vorschnellen Erklärungsversuchen. Es sei jetzt wichtig, "wie es die ermittelnden Behörden gerade auch tun, mit Besonnenheit zu agieren." (APA, dpa)
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