Politologin Weiss bei Tirol Live: „Ausweitung der Arbeitszeit ist kontraproduktiv“
Politikwissenschafterin Alexandra Weiss fordert eine Normalarbeitszeit von 30 Stunden. Das brächte auch mehr Gleichberechtigung, meint sie.
Innsbruck – Der Weltfrauentag ist vorbei, die Forderungen bleiben. Bei „Tirol Live“ wiederholte die Innsbrucker Politikwissenschafterin Alexandra Weiss ihre Vorstellungen von einer gerechteren Arbeitswelt.
30 Stunden als Normalarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich bei niedrigen und mittleren Gehältern brächte mehr Gleichberechtigung. „Derzeit tragen die Frauen das gesamte soziale Risiko, das eine Familiengründung mit sich bringt“, meinte Weiss im Gespräch mit TT-Chefredakteur Alois Vahrner.
📽️ Video | Alexandra Weiss in „Tirol Live”
Die Zahlen geben Weiss Recht: Die Teilzeitquote bei Frauen ist bei Weitem höher als jene der Männer. Frauen haben ein weitaus höheres Risiko, von Altersarmut betroffen zu sein. „In den 90er-Jahren hatten wir eine Frauenministerin, die propagierte ,Ganze Männer machen halbe-halbe‘, inzwischen ist es ruhiger geworden in der Frauenpolitik.“ Die Politologin ortet die Pandemie als Beschleuniger dieses Rückschritts. In unruhigen Zeiten würde man verstärkt auf traditionelle Familienmodelle zurückgreifen. „Mit den bekannten Risiken.“ Eine Untersuchung des Arbeitsmarktservice belegt, dass drei Viertel der Paare in Österreich das traditionelle Modell leben. Er Vollzeit, sie Teilzeit oder gar nur er erwerbstätig. Österreich liegt damit weit über dem EU-Schnitt.
Weiss glaubt, dass die Arbeit bewältigbar wäre, auch wenn die Arbeitszeit verkürzt würde. „Teilzeitkräfte sind viel produktiver.“ Die Ausweitung der Arbeitszeit, so wie sie derzeit der Bundesregierung vorschwebe, hält Weiss daher für „kontraproduktiv“.
Wie berichtet, versucht die Bundesregierung Anreize zu schaffen, damit Teilzeitkräfte ihre Wochenstunden erhöhen oder Pensionisten im Ruhestand wieder einer Erwerbsarbeit nachgehen. Seit 1975 habe es keine Verkürzung der Arbeitszeit mehr gegeben, betonte Weiss. Das habe massive Einschränkungen für die Gesundheit der Arbeitnehmer gebracht. „Inzwischen haben die Fälle mit Erschöpfungszuständen jene mit Einschränkungen des Bewegungsapparates überholt.“ Man könne die Menschen nicht „noch mehr auspressen“. Das Blatt hat sich für Weiss gewendet. Sehr lange sei wenig auf die Interessen der ArbeitnehmerInnen eingegangen worden, nun herrsche ein Arbeitskräftemangel in beinahe allen Bereichen.
Erneut spricht sich die Politologin für Frauenquoten aus. Diese würden zwar mitunter langsam wirken, „aber sie wirken“. Es gehe auch darum, veraltete Bilder aufzubrechen. Noch immer seien Spitzenpositionen meist männlich besetzt. „Das hat zur Folge, dass bei der Nachbesetzung oft wieder Männer aus bestimmten, besseren Schichten nachbesetzt werden.“
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