Nach zähen Verhandlungen

Hilfe bei Wohnkosten statt Mietpreisbremse: Darauf hat sich die Regierung geeinigt

Sozialminister Johannes Rauch (r./Grüne) und ÖVP-Klubobmann August Wöginger stellten die Lösung vor.
© APA/BKA/ANDY WENZEL

Ursprünglich hatte die Koalition über eine Mietpreisbremse verhandelt, mit der die Erhöhung über mehrere Jahre gestreckt werden sollte. Nun gibt es einen Kompromiss.

Wien – Die türkis-grüne Regierung hat sich nun doch zu einer Hilfe gegen die stark steigenden Mieten durchringen können. Die von den Grünen forcierte Mietpreisbremse kommt wegen des Widerstands der ÖVP nicht, stattdessen wird es als Kompromiss Einmalzahlungen geben, konkret werden als Wohnkostenhilfe 250 Millionen Euro lockergemacht, davon 25 Millionen Euro als Aufstockung für den Wohnschirm gegen Delogierungen.

Damit steht die Einigung nach wochenlangem Gezerre gerade noch rechtzeitig vor dem Finanzausschuss am Donnerstag. Die Zeit drängt, denn Mieterinnen und Mietern in Altbauten steht bald eine Erhöhung der Richtwertmieten um 8,6 Prozent ins Haus. Mittwochmittag präsentierten schließlich Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) und ÖVP-Klubchef August Wöginger den Kompromiss im Pressefoyer nach dem Ministerrat. "Wir hatten da durchaus unterschiedliche Zugänge", räumte Rauch ein. Die Grünen hätten die Erhöhung gern über mehrere Jahre gestreckt, was auch inflationsdämpfend gewirkt hätte, betonte der Minister. Man habe jedenfalls "Kompromissvarianten gesucht und gefunden", um die steigenden Mieten abzufedern.

Wir hatten da durchaus unterschiedliche Zugänge.
Johannes Rauch (Grüne, Sozial- und Gesundheitsminister)

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Kompromiss gilt nicht nur für Richtwertmieten

Die nunmehrige Lösung gilt nicht nur für Richtwertmieten. Für die bestehenden Wohn- und Heizkostenzuschüsse der Länder werden vom Bund weitere 225 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Ziel sei es, einkommensschwache Haushalte zu unterstützen, erklärte Rauch. Um den Zuschuss zu erhalten, muss man einen Antrag stellen.

Die genaue Ausgestaltung wie etwa die Einkommensgrenze obliegt den Bundesländern, die Richtlinien für die Wohn- und Heizkostenzuschüsse sind dort recht unterschiedlich ausgestaltet. Je nach Bundesland wird es denn auch Unterschiede dabei geben, wann das Geld bei den Menschen ankommt. Bei der Verteilung des Zuschusses auf die Bundesländer wird nach dem Bevölkerungsanteil vorgegangen. So würde Vorarlberg etwa 10 Millionen und Oberösterreich 38 Millionen Euro zusätzlich bekommen, nannte Wöginger Beispiele.

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Er rechnet damit, dass etwa eine Million Haushalte mit durchschnittlich je 200 Euro profitieren wird. Diese Lösung sei "sozial gerechter" und "zielgerichteter", meinte Wöginger. Der Zuschuss werde "in Windeseile" auf den Weg gebracht, wies Wöginger Kritik zurück, wonach man zu spät dran sei. Am morgigen Donnerstag soll die Wohnkostenhilfe im Finanzausschuss behandelt werden, kommende Woche dann im Nationalratsplenum und im April schließlich im Bundesrat.

Wöginger verweist auf "Wohnbonus" in Wien

Auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hatte vor kurzem einen "Wohnbonus" präsentiert, das Kriterium für den Erhalt ist das Jahreseinkommen. "Was in Wien gut ist, muss ja auch auf der Bundesebene gut sein", kommentierte Wöginger. Auch Rauch verteidigte die aus einem Kompromiss geborene Maßnahme: In einer Koalition gehe es manchmal nicht anders, die Alternative wäre gewesen, nichts zu tun. Die Regierung schaffe Maßnahmenpakete, durch die viel Geld bei den Menschen ankomme. Es sei allerdings ein "Balanceakt", nicht inflationsanheizend zu wirken.

Mit 25 Millionen Euro wird der Wohnschirm des Sozialministeriums aufgestockt, der Delogierungen verhindern soll – etwa dann, wenn Menschen ihre Miete nicht mehr bezahlen können. Damit würden nun 165 Millionen Euro dafür zur Verfügung stehen. Das sei auch volkswirtschaftlich sinnvoll, ziehe jede Delogierung doch massive Kosten nach sich, betonte Rauch. Für die davon Betroffenen – oft Frauen mit Kindern – sei die Delogierung ein traumatisches Ereignis.

Grünen gingen Forderungen der ÖVP für Vermieter zu weit

Ursprünglich hatte die Koalition über eine Mietpreisbremse verhandelt, mit der die Erhöhung über mehrere Jahre gestreckt werden sollte. Die ÖVP wollte auch für die Vermieter, die bei einer Mietpreisbremse einen spürbaren Einnahmenverzicht hätten, Verbesserungen haben, nämlich attraktivere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten bei klimafreundlichen thermischen Sanierungen. Weiters wollte die ÖVP Käufer und Häuslbauer entlasten, beim Kauf einer Immobilie sollten die ersten 500.000 Euro von der Grunderwerbssteuer (3,5 Prozent des Kaufpreises) befreit werden.

Den Grünen war der Steuervorstoß der ÖVP zu weit gegangen, da damit auch Luxusimmobilienkäufer entlastet würden. Sie schlugen vor, den Grunderwerbsteuersatz ab einem Kaufpreis von 1 Mio. Euro von 3,5 auf 5 Prozent zu erhöhen. Das sollte den Gemeinden, die diese Steuer einheben, zur Gegenfinanzierung dienen. Die ÖVP brachte dann stattdessen am Montag überraschend einen 200 Millionen Euro schweren "Wohnkostenzuschuss" statt der Mietpreisbremse ins Spiel. Dass Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) zuletzt die Erhöhung der Richtwertmieten als primär regionales Wiener Problem bezeichnete, sorgte dann auch noch für Verstimmung in der Bundeshauptstadt – Bürgermeister Ludwig ortete beim Finanzminister "Ignoranz gegenüber der Wiener Bevölkerung".

Arbeiterkammer, Gewerkschaft und Opposition empört

Dass die erhoffte Mietpreisbremse nicht kommt, sich die Regierung dafür auf eine Wohnkostenhilfe in Höhe von 250 Mio. Euro geeinigt hat, empört die Arbeiterkammer (AK), die Gewerkschaft (ÖGB) und die Opposition. Als "Riesensauerei" bezeichnet die AK die Einigung, der ÖGB spricht von einem "schwachen Kompromiss" und fordern einen "vollen Mieten-Stopp". Die Opposition sieht keine nachhaltige Entlastung.

Die Regierung befeuere die Inflation nun weiter anstatt sie zu bekämpfen, so die AK. "Die hohen Mieten sind einer der größten Inflationstreiber – das ist ein Teufelskreis. Diese Inflationsspirale muss unterbrochen werden", sagte AK-Präsidentin Renate Anderl in einer Aussendung. Nun müssten die Steuerzahler die ohnehin schon fetten Sondergewinne der Immobilienbranche weiter finanzieren.

Die hohen Mieten sind einer der größten Inflationstreiber – das ist ein Teufelskreis. Diese Inflationsspirale muss unterbrochen werden.
Renate Anderl (AK-Präsidentin)

Die Wohnkostenhilfen seien nicht nachhaltig, so die AK weiter. Rund 2 Millionen Österreicher würden angeben, dass sie demnächst Zahlungsschwierigkeiten bei den Wohnkosten befürchten. Auch der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) dringt auf einen "Vollstopp" bei den Mieten, da viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr wüssten, wie sie sich ihre Wohnkosten leisten könnten. "Eine Wohnkostenhilfe ist bestenfalls ein schwacher Kompromiss, den sich die Steuerzahler:innen selbst finanzieren", so Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB.

SPÖ: Zuschuss löst das Problem nicht

Die SPÖ schlägt mit ihrer Kritik in dieselbe Kerbe wie die AK und die Gewerkschaft. "Ein Wohnkostenzuschuss kann für einige eine kurzfristige Hilfe sein, löst aber das Problem nicht, sondern ist wieder nur eine Einmalzahlung, die nicht gegen die Inflation wirkt", sagte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. "Die höheren Mieten werden ein Vielfaches dieses Zuschusses ausmachen – und diesen Zuschuss gibt es ja nur heuer", so Leichtfried weiter. Bis April 2025 sieht er eine Mietsteigerung von insgesamt 26 Prozent.

Die höheren Mieten werden ein Vielfaches dieses Zuschusses ausmachen – und diesen Zuschuss gibt es ja nur heuer.
SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried

Auch die Wiener FPÖ sprach von Einmalzahlungen, die Hilfe "vorgaukeln" würden, aber keine nachhaltige Entlastung bringen würden. FPÖ-Stadtrat Dominik Nepp fordert vom Wiener Bürgermeister Michael Ludwig einen Mietpreisdeckel.

Auf Treffsicherheit bei der Wohnkostenhilfe pochen die NEOS. Es müsse gezielt denen geholfen werden, die die Unterstützung auch brauchen. "Hilfen mit der Gießkanne und wie bisher lehnen wir ab, ebenso Einmalzahlungen, die in Zeiten hoher Inflation nicht nachhaltig helfen", so NEOS-Wohnsprecher Johannes Margreiter. (APA)