📺 Film-Kritik

„Sick of Myself“: Aufmerksamkeit um jeden Preis

Kristine Kujath Thorp wurde bei der Berlinale zu einem der „Shooting Stars“ des europäischen Kinos gekürt.
© Filmladen

Narzissmus bis zur Selbstzerstörung: Kristoffer Borglis eigenwillige Satire „Sick of Myself“.

Innsbruck – Signe hat ein Narzissmus-Problem. Als sie eines Tages eine verunfallte Frau erstversorgt und mit blutgetränktem Hemd nach Hause geht, genießt sie die Aufmerksamkeit ungemein. Doch schon bald ist ihre Geschichte wieder uninteressant. Im Mittelpunkt steht wieder ihr eitler Freund Thomas (der Osloer Künstler Eirik Sæther), der gerade mit seiner Konzeptkunst aus gestohlenen Möbeln groß rauskommt. Um wieder im sozialen Rampenlicht zu stehen, greift die junge Frau zu russischen Medikamenten, die sichtbare Geschwüre in ihrem Gesicht auslösen. Damit sichert sie sich das Mitleid ihres Umfeldes – ein extremes Münchhausen-Syndrom.

🎬 Trailer | „Sick of Myself“

Der norwegische Regisseur Kristoffer Borgli exerziert in „Sick of Myself“ die krankhafte Egozentrik von Signe und ihrem Freund lustvoll durch – mit aller Konsequenz und schwarzem Humor. Signes Besessenheit nimmt fast schon fetischhafte Body-Horror-Dimensionen à la David Cronenberg an, der ein Vorbild Borglis ist. Das provoziert auch unsere Abscheu als Zuschauer und auch wir werden Teil von Signes Aufmerksamkeitsspiel. Das ist geschickt gemacht. Als Gesellschaftssatire geht „Sick of Myself“ aber nicht ganz auf. Der Film folgt Signes Auftritten zwar in sozialen und klassischen Medien, bei Modeshootings und esoterischen Selbsthilfetreffen, die bittersüße Bösartigkeit, die beispielsweise Ruben Östlunds Kunstbetriebssatire „The Square“ auszeichnete, fehlt allerdings.

Gerade die aufmerksamkeitsheischenden Tagträumerei-Szenen, in die er Signe immer wieder versinken lässt, funktionieren aber wunderbar. Ebenso wie seine unsympathische, selbstzerstörerische Hauptfigur verliert sich die Geschichte in der zweiten Hälfte dann aber zusehends.

In der Hauptrolle glänzt Kristine Kujath Thorp, die vor Kurzem auch im großartigen Film „Ninjababy“ zu sehen war. Als einer der Shooting-Stars der Berlinale 2023 scheut sie nicht vor dieser äußerlich, aber vor allem innerlich abstoßenden Figur zurück.

„Sick of Myself“ ist das Porträt einer kranken Frau und ihrer toxischen Beziehung. Kristoffer Borgli legt damit ein äußerst eigenwilliges Kinodebüt vor, das in der Cannes-Sektion „Un Certain Regard“ Weltpremiere feierte. Sein nächster, bereits abgedrehter Film heißt passenderweise „Dream Scenario“. Nicolas Cage spielt die Hauptrolle.

💡 Info

Sick of Myself. Ab 16 Jahren. Ab Freitag in den Kinos.