Neues Album von Depeche Mode: Tanz! Es muss ja niemand zusehen
Depeche Mode legen mit ihrem neuen Album „Memento Mori“ eine schöne, späte Reifeprüfung ab.
Innsbruck – Dave Gahan ist 60. Als junger Wilder geht der Charismatiker und Sänger der Kultband Depeche Mode mit so vielen Jahresringen (mutmaßliche Augenringe verbirgt er konsequent hinter einer Sonnenbrille) längst nicht mehr durch.
Wir blenden zurück. In den 1980ern startete Gahans Britband als New-Wave-Rock-Pop-Kombo. Ziemlich angesagt damals. Mit reichlich mainstreamiger Ware, begleitet von ungelenken Musikvideos, flog die Band himmelwärts. „People Are People“, „Never Let Me Down Again“ und der Überdrüber-Seelenschmeichler „Enjoy the Silence“ sind musikalische Zeugnisse jener Zeit.
Wer aber der Sonne zu sehr auf die Pelle rückt, dem droht der Absturz, siehe Flugkünstler Ikarus in der griechischen Mythologie. Gahan lebte sein Rockstartum zunehmend lebensbedrohlich aus: Exzesse, hochtoxische Substanzen, Nahtoderfahrung, das ganze üble Zeug, schlicht furchtbar.
Doch der Bandleader hatte Glück und überlebte. Er schwor den Drogen ab und sang sich durchs neue Millennium. Fand die Kraft, um manchen Tiefschlag zu bewältigen. Seit dem plötzlichen Tod von Keyboarder Andrew Fletcher im Vorjahr (Riss der Hauptschlagader), ist die Urbesetzung von Depeche Mode nun auf Dave Gahan und Gitarrist/Songwriter Martin Gore geschrumpft.
Unbeirrt machen die zwei weiter. Verarbeiten Weltschmerz, die Coronakrise und gewohnt klapprige Beziehungskisten. Ihr Fundus scheint dabei unerschöpflich.
Gestern erschien „Memento Mori“, das 15. Studioalbum von Depeche Mode. Die 12 neuen Tracks passen zur Zeit und zum fortgeschrittenen Alter der Vortragenden: gereift, selten laut, melodiös und hymnisch, phasenweise richtig edel. Große Gefühle werden ausgebreitet, verhüllt in reichlich Pathos und lyrisch angehauchte Textfragmente. Kurzum: Depeche Mode bleiben ihrem Stil treu. Synthi-Klänge und die markanten Gitarrenriffs Martin Gores verchmelzen. Sänger Gahan leidet und schmachtet. Fallweise assistiert Gore glockenhell als Chorknabe.
„Memento Mori“ erinnert in lateinischen Worten an die Vergänglichkeit allen irdischen Seins. Etwas düster wirkt die neue Langrille aber nur fallweise, etwa beim Erststück „My Cosmos is Mine“ oder dem trotzig-aufmüpfigen „My Favourite Stranger“. Songs wie „Never Let Me Go“, „Wagging Tongue“ oder „Ghosts Again“ eignen sich dagegen bestens für die nächste Verrenkung unter dem Motto „Dance like noboby’s watching“. Tanzen möchte man, sehen muss das nicht unbedingt jemand.
Und dann diese Balladen! „Soul with Me“ oder „Don’t Say You Love Me“ spenden müde gewordenen Helden des Alltags Trost und Rat. Depeche Mode sind auf feine Art in die Jahre gekommen.
🎵 Elektro-Pop-Rock Depeche Mode: Memento Mori. Venusnote/Columbia
🎫 Live-Konzert: 21. Juli, Klagenfurt, Wörthersee Stadion