Wiener Volksoper

„Die letzte Verschwörung“ in der Volksoper: Die Operettenfresser kommen

Timothy Fallon (Mitte) als Verschwörungstalker Friedrich Quant in „Die letzte Verschwörung“.
© Pálffy/Volksoper

Moritz Eggert schafft mit „Die letzte Verschwörung“ an der Wiener Volksoper ein sinnlich sinnbefreites Gesamtkunststückwerk.

Wien – „Also, a Operette is des oba ned!“ Sagte in der Pause ein mit junger weiblicher Begleitung angereister Richard Lugner – und flüchtete. Lugner, vor allem als Opernball-Adabei bekannt, welcher – ausschließlich weibliche – Stars für teures Geld auf selbigen einlädt und damit gerne und oft alle anderen Gäste überstrahlt. Dass er mit einem derart verstrahlten Unternehmen wie Moritz Eggerts als Mythos-Operette bezeichneter „Die letzte Verschwörung“ wenig anfangen kann – eh klar! Wenn in Wien der Begriff Operette fällt, noch dazu an der Volksoper, dann wirkt die Mischung aus durchgedrehten Walzern, schmissigen, nie kitschigen Musicalnummern, munteren Verwurstungen der E- und U-Musikgeschichte sowie lautstarkem Orchesterzunder für manche sicher wie ein Faustschlag. Gut so!

Dazu verhackstückt der in München lebende und lehrende Eggert als sein eigener Librettist hier so ziemlich alles, was in letzter Zeit Verschwörungstheoretikern durch ihre Rüben rauscht. Die absurde Pizza-Connection wird thematisiert – gemeint ist ein angeblicher Kinderschänderring rund um Hillary Clinton. Ferner wird kräftig mit Leichenteilen hantiert, Reptilienmenschen tauchen auf und kämpfen um die Weltherrschaft, der Kanzler hat Sex mit einer russischen Oligarchin, irgendwann landet ein UFO. Das geht so lange gut (oder eben nicht), bis Regisseurin Lotte de Beer am Ende höchstselbst auf die Bühne eilt und beherzt diese ‚Probe‘ unterbricht. Fernsehmoderator Friedrich Quant (etwas textwackelig und höhenunsicher: Timothy Fallon), der in seiner Talkshow Dieter Urban (überzeugend: Orhan Yildiz) vorstellte, dessen steile Scheibenwelt-These die ganze Chose erst ins Rollen brachte, die hübsch verwegene Lara (wunderbar: Rebecca Nelsen) und der Rest des mal menschlichen, mal außerirdischen Personals müssen zurück auf Anfang. Die letzte Wahrheit über die Wahrheit ist noch nicht gefunden, die Inszenierung läuft als Inszenierung weiter.

Psychologisch ist das alles nicht, auch nicht wirklich gesellschaftskritisch, dafür ziemlich unterhaltsam und dank der stupenden Bühnentechnik ein echtes Spektakel. In rasender Geschwindigkeit wechseln Szenen und Szenerien, fürs Bühnenbild von Christof Hetzer und die Kostüme Jorine van Beeks gab es offenkundig weder inhaltliche noch finanzielle Grenzen. Auch musikalisch wird aufgetrumpft, Steven Sloane bringt die mit starkem Traubenzucker gefütterte Partitur zum Funkeln und Sprühen. Eine eigene, eigenwillige Sache sind die von Otto Pichler neckisch-hektisch choreografierten Typen in Glitzeranzügen: Sie bringen nicht wirklich Sinn in die Sache, wobei man mit dem Begriff Sinn ja eh nicht sehr weit kommt.

Was dem von vielen bejubelten Abend fehlt, ist freilich eine Tiefendimension. Andererseits gibt es ja in unserer Realität genügend Menschen, die felsenfest an Pizzagate, Reptilienherrscher etc. glauben. Auf solchen Unsinn mit einem überbordenden, sinnlichen Musiktheater zu reagieren, ist wahrlich nicht das Dümmste und Schlechteste. (jff)