Kritik von Außerferner Verein

Unmut über Verteilung des Pflegebonus: Gesetz vergiftet Arbeitsklima

Fordern eine Nachbesserung beim Gesetz zur Verteilung des Pflegebonus: Altan Erdinc, Ramona Triendl, Daniela Hundertpfund und Christoph Weberhofer (v. l.).
© Tschol

Der Unmut über die Verteilung des Pflegebonus wächst. Das Gesetz sei paradox und würde zum Systemkollaps führen, prangern Mitarbeiter des Vereins Vianova an.

Reutte – Eigentlich hätte der vom Bund beschlossene Pflegebonus ein Motivationsschub für die Pflegekräfte sein sollen. Die Wertschätzung der Bundesregierung wird aber nur speziell definierten Berufsgruppen – Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege, der Pflegefachassistenz, der Pflegeassistenz und der Sozialbetreuungsberufe – zuteil. Alle anderen schauen durch die Finger.

Auch beim Verein „Vianova“, der sich um die Interessen von Behinderten kümmert und rund 100 Personen im gesamten Bezirk Reutte betreut, wächst der Unmut von Tag zu Tag.

Denn auch hier treffen Mitarbeiter, die den Bonus bekommen, auf Kolleginnen und Kollegen, die in Sachen Zweckzuschüsse auf der Strecke bleiben. „Wir sind 46 Mitarbeiter, aber nur zehn bekommen den Bonus“, sagt Ramona Triendl und erklärt: „Denn während Bonuszahlungen normalerweise an die Tätigkeit geknüpft sind, hängt es beim Pflegebonus davon ab, welche Ausbildung man gemacht hat.“

Gerade in der Behindertenhilfe sei dies aber der falsche Ansatz, meint Triendl: „Wir haben viele Quereinsteiger, die angeleitet werden, Fortbildungen besuchen und ihre Arbeit nicht nur gut machen, sondern vielfach auch die gleiche Arbeit machen. Und trotzdem bekommen sie nichts.“

Scharfe Kritik kommt auch von Altan Erdinc. „Die Tatsache, dass diese Personen die gleiche Arbeit leisten und nichts bekommen, ist eine Ungerechtigkeit. Österreich will bei der Gleichberechtigung immer ganz weit oben stehen. Aber bei uns funktioniert das offenbar nicht. Das ist seit Beginn der Corona-Krise so. Wenn es um Zusatzzahlungen geht, ist die Behindertenhilfe immer ein Stiefkind. Und dann kommt die Regierung mit so einer Freitagnachmittagsentscheidung daher.“

Erdinc vergleicht die Arbeit im Verein mit einer Zugfahrt. „Wir sitzen alle in einem Zug mit einem gemeinsamen Ziel: dass unsere Klienten den Alltag meistern können. Da gehört die Sekretärin, die den Fahrplan macht und die Dienste einteilt, genauso dazu wie der Lokführer oder der Schaffner, der direkten Kontakt zu den Passagieren hat.“

Sowohl Triendl als auch Erdinc bekommen den Bonus nicht. Doch Kritik kommt auch von Kollegen, die Bonuszahlungen erhalten, so wie Daniela Hundertpfund. Die Verteilung der Zuschüsse ist ihrer Meinung nach nicht nur ungerecht, sondern geradezu paradox. Und sie sei schlecht für das Betriebsklima. „Mir ging kürzlich meine Brille zu Bruch, was mich sehr geärgert hat. Ich bekam dann Sätze zu hören wie: ‚Kannst dir ja eine neue kaufen, du bekommst ja den Pflegebonus.‘ Solche Anfeindungen wären entbehrlich. Ich kann nicht einmal sagen, ich will das Geld nicht. Das geht nämlich auch nicht.“

Arbeit „für alle gleich fordernd“

Auch Christoph Weberhofer schüttelt den Kopf: „Ich bekomme zwar den Bonus. Aber ich habe vor meiner Ausbildung genau die gleiche Arbeit gemacht wie jetzt. Es ist ein Wahnsinn, dass sie den Bonus an der Ausbildung festmachen und nicht an der Tätigkeit. Denn die Arbeit ist vor allem psychisch fordernd – und zwar für alle gleich, egal, welchen Bildungsweg man zuvor eingeschlagen hat.“

Alle vier sind sich einig, dass das Arbeitsklima enorm leidet. Triendl: „Allein was es mit dem Teamgefüge macht, ist so schade. Und wenn da keine Fairness reinkommt, dann wird das System kollabieren. Dann werden jene, die sich ungerecht behandelt fühlen, irgendwann abspringen und sich umorientieren. Was das dann für das System heißt, das jetzt schon unter Personalnot leidet, kann man sich ausmalen.“

Die vier unisono: „Da muss der Gesetzgeber nachbessern. Fair wäre es, den Bonus an alle in der Pflege auszuzahlen – gestaffelt nach geleisteten Wochenstunden.“ Und Erdinc, der alle auffordert, an einem Strang zu ziehen, fügt mit einem Seitenhieb hinzu: „Dann könnten wir auch mal hinstehen und klatschen und sagen, jetzt haben wir was geschafft.“

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