VfGH hebt Sozialhilfe-Vorgaben auf, SPÖ will Gesetz „endgültig kübeln“
Verfassungswidrig ist etwa, dass die Länder für die Deckung eines erhöhten Wohnbedarfs ausschließlich Sachleistungen gewähren dürfen.
Wien – Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in seinen jüngsten Beratungen mehrere Bestimmungen bei der Sozialhilfe aufgehoben. Verfassungswidrig ist es demnach auch, dass die Länder für die Deckung eines erhöhten Wohnbedarfs – oder um besondere Härtefälle zu vermeiden – ausschließlich Sachleistungen gewähren dürfen (wie im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz aus dem Jahr 2019 festgelegt).
Das Gesetz bestimmt, dass der Wohnbedarf durch die allgemeinen Sozialhilfeleistungen abzudecken ist. Darüber hinaus kann ein höherer Wohnbedarf nur als Sachleistung gewährt werden. Laut VfGH-Aussendung vom Dienstag ist es sachlich "nicht gerechtfertigt und widerspricht daher dem Gleichheitsgrundsatz, dass diese Zusatzleistungen ausnahmslos als Sachleistungen gewährt werden dürfen". Zwar sei einerseits das Ziel des Sachleistungsgebots legitim – nämlich die Verwendung von Leistungen für jenen Zweck sicherzustellen, für den sie gewährt werden. Höheren Leistungen – etwa für Mietkosten – steht andererseits aber ein höherer Bedarf gegenüber, den Hilfsbedürftige nicht beeinflussen können, z.B. besonders hohe Mieten. "Es kann also sachliche Gründe dafür geben, auch Zusatzleistungen durch Geld abzudecken", so der VfGH.
Caritas fordert Reform der Sozialhilfe
Caritas-Präsident Michael Landau begrüßte die Entscheidung: "Besonders in Zeiten von Rekordinflation und steigenden Mieten hat das bisherige Vorgehen die Situation von Menschen, die Sozialhilfe beziehen, zusätzlich verschärft", sagte er in einer Aussendung. Landau betont jedoch die weiterhin aufrechte Forderung der Caritas nach einer Reform des Sozialhilfegrundgesetzes: "Für eine Sozialhilfe, die ein Leben ohne Armut erlaubt, braucht es weit mehr. Weg von Maximalbeträgen, wieder hin zu bundesweit geltenden Mindeststandards." Außerdem brauche es einheitliche Kinderrichtsätze. Und gerade beim Wohnen müsse die Wohnbedarfsregelung überarbeitet werden. Der Wohnkostenanteil müsse sich am tatsächlichen Wohnbedarf orientieren.
SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch kritisierte anlässlich des VfGH-Entscheids das Gesetz als solches insgesamt: "Ein Gesetz, das Armut organisiert statt Armut zu verhindern, ist insgesamt ein Problem. Seit Bestehen dieses Gesetzes hebt der VfGH eine Bestimmung nach der anderen auf. Es wird Zeit, dass wir dieses Gesetz in dieser Form endgültig kübeln." Politisch betrachtet sei es ein "Skandal", dass das SH-GG in dieser Form noch besteht. "Es formuliert als Gesetz – dessen eigentlicher Sinn darin bestehen würde, Armut zu vermeiden – allen Ernstes Höchstgrenzen, die bei Sozialleistungen nicht überschritten werden dürfen, statt Mindeststandards, unter die niemand in Österreich rutschen soll." (APA)
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