„Die gefesselte Phantasie“: Der Schalk residiert im Blumenparadies
Wien – Ganz artig sagen die Blümchen „Hallo!“ zu Beginn von Ferdinand Raimunds Zauberspiel „Die gefesselte Phantasie“, das sich Zeitmaschinen-schnell vom Uraufführungsjahr 1828 in eine quietschbunt-psychedelische Flower-Power-Welt der 1970er aufmacht. Nelke, Rose und die anderen Gartengefährten (mit Verve verkörpert von Studierenden des Reinhardt Seminars) sind, wie der schräge Hofstaat, Untertanen von Hermione (Maria Happel), Königin der Insel Flora.
Diese liebt, gegen den Willen der beiden fiesen Zauberschwestern Vipria (Sarah Viktoria Frick) und Arrogantia (Elisa Plüss), den vermeintlichen Hirten Amphio (Bless Amada) und gelobt, orakelgetrieben, den zu ehelichen, der das schönste Gedicht schreibt. Dichter gäbe es genug auf der Insel, doch die bösen Schwestern haben die Phantasie in Ketten gelegt …
Reichlich verrückt ist schon Raimunds Stückvorlage. In den Händen des für seine überbordenden und stets überraschenden Inszenierungen gefeierten (und mitunter auch kritisierten) Regisseurs Herbert Fritsch gerät die Posse am Burgtheater zu einem, von der unbändigen Spiellust des Ensembles gezündeten, Feuerwerk.
Manchmal wird eine Rakete zu viel abgeschossen, verzeihlich, denn da stolpert zum Beispiel der großartige Tim Werths auf die farbenfrohe Bilderbuch-Bühne (entworfen von Herbert Fritsch). Er hat sich sein Versicherungsvertreter-Aussehen inklusive der Gangarten bei Monty Python geborgt. Da bewerkstelligt es Markus Scheumann als Hofnarr Muh, einen rund um Krankheiten gesponnenen Jahreslauf-Monolog auch gleich wieder im Rückwärtsgang vorzutragen.
Sebastian Wendelin brilliert als Harfenist Nachtigall. Wie er Körper und Kalauer verschränkt, macht Freude.
Frick und Plüss, das umwerfend boshafte Duo, hängt Fledermaus-gleich vom Schnürboden. Apollo (Arthur Klemt) quert, bewaffnet mit einem riesigen Kartonpfeil, die Szenerie, und wenn Happel und Amada als bizarres Liebespaar mit der Botschaft „Love is all you need“ schließen, geht man fröhlich heim.
Für Liebhaber*innen einer gestrengeren Raimund-Exegese, wie auch immer diese aussehen mag, ist dieser liebevollst gestaltete und im besten Wortsinn durchgeknallte Abend definitiv keine Empfehlung. Sehr wohl aber sei „Die gefesselte Phantasie“ all jenen ans rot blinkende Herz gelegt, die sich gerne einlassen auf eine irrwitzige Bühnenreise in das (ja!) Land der Fantasie!