Kritik an Vorgehen der Behörde

Ausweisung? Deutsche Klimaaktivistin will weiter für Klima kämpfen

„Es wurde mein Gefährdungspotenzial relativ kleinkariert abgefragt“, sagte die Aktivistin Anja Windl nach der Einvernahme.
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Die Deutsche Anja Windl ist von Fremdenpolizisten einvernommen worden. Entschieden ist noch nicht. Es gibt Kritik am Vorgehen der Behörde.

Wien – Die Klebeaktionen haben für Wirbel gesorgt, solchen bringt auch ein Nachspiel. Die 26-jährige Aktivistin Anja Windl von der „Letzten Generation“ soll ausgewiesen werden. Gestern Früh musste die Deutsche, die in Klagenfurt studiert, bei der Regionalstelle des Bundesamts für Asyl und Fremdenwesen in Leoben sein – „hinsichtlich Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme“, wie es in der Ladung hieß.

„Das ist absoluter Wahnsinn. Keine der Verwaltungsstrafen gegen mich ist bisher rechtskräftig“, sagte sie davor. Und: Ihr Wohnsitz sei in Österreich. Dreieinhalb Stunden befragten sie Fremdenpolizisten. Es ging um die Protestaktionen, an denen Windl beteiligt war. „Es wurde mein Gefährdungspotenzial relativ kleinkariert abgefragt“, sagte sie nach dem Termin bei der Behörde. Wegen zwei Straftatbeständen wird gegen Windl ermittelt.

Ihr seien eine verhinderte Protestaktion beim heurigen Neujahrskonzert sowie eine Aktion, bei der eine Ölspur am Verteilerkreis in Wien gelegt wurde, vorgeworfen worden.

Basis dafür seien die Paragrafen 89 StGB (Gefährdung der körperlichen Sicherheit) und 176 StGB (Vorsätzliche Gemeingefährdung), sagt die Niederbayerin. Bei der Einvernahme sei auch nach Unterlagen zu ihrer Kranken- und Sozialversicherung gefragt worden. Wie es nun weitergeht, wisse sie noch nicht.

Ich lasse mich nicht einschüchtern. Es ist unser gutes Recht, für das Klima zu protestieren.
Anja Windl (Klimaaktivistin)

„Ich lasse mich nicht einschüchtern“, befindet Windl. „Es ist unser gutes Recht, für das Klima zu protestieren, solange die Regierung nicht handelt.“ Auch bei den nächsten Protesten – in Graz – werde sie dabei sein.

Windls Anwalt, Marcus Hohenecker, sagt: „Ich war erstaunt, dass das BFA Frau Windl nahegelegt hat, auf eine andere Weise zu demonstrieren. Ich glaube nicht, dass es insbesondere diese Behörde etwas angeht, wie sich europäische Bürger versammeln.“ Und Hohenecker verweist auf Videos von der Ölschütt-Aktion, die laut ihm eindeutig zeigen, dass die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet worden sei. Und in Richtung der Behörde merkt er an: „Wenn Amtsvermerke mit eindeutigen Videos nicht in Einklang zu bringen sind, stellt sich die Frage, wer hier eine strafbare Handlung gesetzt hat“, so Hohenecker.

📽️ Video | Klimaaktivistin soll abgeschoben werden:

Der auf Fremdenrecht spezialisierte Anwalt Wilfried Embacher sagt, von der TT gefragt, zur Causa: „Von den bekannt gewordenen Tatsachen wäre nur das Verfahren wegen des Verdachts der vorsätzlichen Gemeingefährdung eine mögliche Grundlage für das geplante Aufenthaltsverbot. Da Paragraf 176 StGB eine Strafdrohung von ein bis zehn Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, könnte das Aufenthaltsverbot nach einer rechtskräftigen Verurteilung erlassen werden.“ Bei einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe „und mit Blick auf das verletzte Rechtsgut – Schutz von Leib und Leben einer größeren Zahl von Menschen – wäre eine negative Zukunftsprognose argumentierbar.“ Embacher ortet aber auch „Stimmungsmache. Ich kann mir insgesamt nicht vorstellen, dass das Aufenthaltsverbot tatsächlich durchgeht.“

Der Europarechtler Walter Obwexer von der Uni Innsbruck konstatierte via Ö1, bloße Verwaltungsübertretungen könnten, selbst wenn sie rechtswirksam seien, kein Grund für die Ausweisung von EU-Bürgern sein. Dafür bräuchte es „eine schwere Straftat, wie zum Beispiel eine ganz schwere Körperverletzung oder einen Mord oder Raub, dann auch noch die Gefahr, dass eine weitere Straftat begangen wird“.

Aus dem ÖVP-geführten Innenministerium heißt es, „aus datenschutzrechtlichen Gründen“ könne es „keine Auskunft zu Einzelfällen“ geben. Dem Koalitionspartner, den Grünen, missfällt das Vorgehen in Sachen Windl. Nationalratsmandatar Georg Bürstmayr sagt: Die ÖVP und die Polizei sollten ihre Strategie überdenken.

„Sehen den Protest als legitim an“

Seit Februar des Vorjahres sind sie aktiv. Mit den Forderungen „100 auf der Autobahn“ und „keine neuen Öl- und Gasbohrungen in Österreich“ haben sie begonnen – die Vertreter der „Letzten Generation“. Es folgten Aktionen, die für Aufsehen sorgten. Die jungen Leute schütteten Farbe auf Gemälde in Museen und klebten sich mit den Händen im Frühverkehr auf die Straße.

Sie polarisierten mit diesem Aktionismus: Die einen beklatschten das Tun, weil die verantwortlichen Politiker nichts täten. Die anderen empörten sich, zuvorderst darüber, dass der Verkehr immer wieder blockiert werde.

Nun soll eine der Proponentinnen, die gebürtige Deutsche Anja Windl, die in Klagenfurt studiert, ausgewiesen werden (siehe rechts). „Es ist der erste Fall, bei dem ein Mensch, der sich für das Überleben einsetzt, ausgewiesen werden soll“, befindet David Sonnenbaum, Sprecher der österreichischen „Letzten Generation“, gegenüber der Tiroler Tageszeitung. Etliche Verwaltungsstrafen hat Windl schon bekommen. Wie andere Mitstreiterinnen und Mitstreiter auch. Insgesamt 60 bis 80 Verwaltungsübertretungen seien festgestellt worden, sagt Sonnenbaum. „Zwischen 200 und 800 Euro sind je nach Bundesland zu zahlen. Die Strafverfügungen werden aber beeinsprucht. Wir sehen den Protest nämlich als legitim an. Erst wenn die Strafen rechtskräftig werden, werden sie gezahlt.“ Wer zahlt? Die Betroffenen oder gibt es Sponsoren? „Es gibt Spendenaufrufe.“

Um die 180 Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“ sind in Österreich zugange. „Die Hälfte ist auch auf Straßen unterwegs – bei Protestmärschen, bei Sitzstreiks. 15 bis 20 Leute machen das österreichweit immer wieder“, sagt Sonnenbaum. Insgesamt rund 60 derlei Aktionen gab es bereits.

Zum Polit-Thema wurden sie. Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner forderte im Jänner härtere Strafen nach deutschem Vorbild. Darüber „diskutieren“ wollte ihr Tiroler Amtskollege Anton Mattle. Von „Klimaterroristen“ sprach die FPÖ. ÖVP-Kanzler Karl Nehammer wertete die Umtriebe der „Letzten Generation“ als „Sabotage der Zivilgesellschaft“.