Tarifverhandlungen laufen

Atempause bei Lufthansa vorbei: Neue Pilotenstreiks bald möglich

Frankfurt, Schwechat – Die Atempause im Dauerkonflikt zwischen dem AUA-Mutterkonzern Lufthansa und ihren rund 5000 Stammpilotinnen und -piloten hat nichts Greifbares gebracht. "Wir sind jetzt wieder in ganz normalen Tarifverhandlungen", heißt es bei dem Unternehmen ebenso wie bei der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), nachdem vertrauliche Gespräche im "geschlossenen Raum" ohne Ergebnis beendet worden sind. Damit steigt für die Passagiere die Streikgefahr im Sommer deutlich.

VC-Tarifvorstand Marcel Gröls betont aber: "Ich kann mir gut vorstellen, dass wir ohne Streiks auskommen." Noch sind knapp drei Monate Zeit, bis zum Ende des Monats Juni die Friedenspflicht ausläuft. Die Partner haben Verhandlungstermine vereinbart, einen Stillstand der Tarifgespräche gibt es nicht. Klar ist aber, dass die VC ihre noch nicht öffentlich kommunizierten Forderungen hochtreiben wird, nachdem sie mit ihren Ideen zur strategischen Ausrichtung des größten Luftverkehrkonzerns Europas offenbar nicht durchgedrungen ist.

Ich kann mir gut vorstellen, dass wir ohne Streiks auskommen.
VC-Tarifvorstand Marcel Gröls

Bei der Tochter AUA konnte ein Streik erst kürzlich abgewendet werden. Nach zahlreichen Verhandlungsrunden einigten sich Gewerkschaft und Austrian Airlines auf einen neuen Kollektivvertrag für das fliegende Personal. Die kollektivvertraglichen und Ist-Gehälter steigen rückwirkend mit 1. März um 11 Prozent.

Geschlossener Raum als Vorteil für Piloten

Mit der Einrichtung des geschlossenen Raums, aus dem tatsächlich nichts nach außen gedrungen ist, war die Lufthansa im Herbst ihren wichtigsten Angestellten weit entgegengekommen. Hier konnte vergleichsweise frei gesagt und diskutiert werden, was einer Gewerkschaft in öffentlicher Debatte sonst schnell als unzulässiges Tarifziel ausgelegt würde. So ist es der VC bereits einmal im Jahr 2015 gegangen, als das Landesarbeitsgericht Hessen einen Pilotenstreik wegen unzulässiger Ziele stoppte. Seitdem sind die Piloten und Pilotinnen in ihren öffentlichen Äußerungen extrem vorsichtig.

Offensichtlich bleibt, dass die VC ihren Einflussbereich bei der Lufthansa-Kerngesellschaft über den Konzerntarifvertrag (KTV) erhalten und für ihre Mitglieder gute Karrierechancen sichern will. Das funktioniert nur, wenn der Geltungsbereich des Tarifs nicht weiter zusammengedampft wird. In der Vergangenheit hatte sich die VC in einem Extra-Vertrag die Zahl von 325 Flugzeugen zusichern lassen, die ausschließlich mit KTV-Piloten besetzt werden durften. Nachdem Lufthansa in der Coronaflaute diesen Vertrag gekündigt hatte, ist im "geschlossenen Raum" offenbar keine Nachfolgeregelung gefunden worden.

Konzernchef Carsten Spohr treibt nunmehr die Planungen für den neuen Flugbetrieb "City Airlines" wieder voran, der perspektivisch die Lufthansa-Zulieferflüge an die Drehkreuze Frankfurt und München übernehmen könnte. Der Kuchen der VC-Piloten würde kleiner, sodass eine bessere Bezahlung der Co-Piloten, die dann immer länger auf ihre Beförderung zum Kapitän warten müssten, eines der ersten Ziele der VC ist. Die Tarifkommission hat zudem zahlreiche Details zur Arbeitszeit auf die Agenda gesetzt, wie sie in einem Podcast erläuterte.

Streikbereitschaft steht außer Zweifel

An der Streikbereitschaft der VC dürfte die Lufthansa-Geschäftsführung keine Zweifel hegen. Vor dem nur zehn Monate währenden Stillhalteabkommen hatte die Gewerkschaft am 2. September 2022 den Betrieb lahmgelegt, 800 Flüge verhindert und mit einer weiteren, längeren Streikrunde schon sehr konkret gedroht. Zur vorläufigen Beruhigung der Gemüter hatte das Unternehmen die Grundgehälter der Piloten in zwei Schritten um 980 Euro erhöht, was je nach Einkommensstufe zwischen 5,5 und 20 Prozent mehr bedeutete. Die VC hatte ursprünglich einen automatisierten Ausgleich oberhalb der gegenwärtigen Inflation verlangt.

Die äußeren Umstände haben sich seit dem Herbst für die Piloten nicht verschlechtert. In den USA zahlen die Gesellschaften erfahrenen Kapitänen nach überstandenem Coronaschock angeblich bis zu 500.000 Dollar (458.085 Euro) im Jahr. Und auch die Lufthansa sucht händeringend fliegendes Personal, während die ersten Boomer-Jahrgänge in Pension gehen. Ausbildungschef Matthias Spohr hat angesichts stabiler Nachfrage und guten geschäftlichen Aussichten gerade erst bestätigt, dass man künftig jedes Jahr 500 neue Jungpiloten und Pilotinnen benötige, statt bisher zwischen 150 und 300. (APA, dpa)

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