Videos auf Propaganda-Kanälen

Ukrainischen Soldaten enthauptet: Selenskyj fordert Reaktion auf Gräuel-Video

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erkennt im Video "Russland, wie es ist".
© IMAGO/Jakub Porzycki

In der Nacht auf Mittwoch war in sozialen Netzwerken ein Video aufgetaucht, in dem mutmaßlich ein noch lebender ukrainischer Kriegsgefangener durch einen russischen Soldaten enthauptet wird. Der ukrainische Präsident fordert Konsequenzen.

Kiew – Ein im Internet verbreitetes Video von der mutmaßlichen Enthauptung eines gefangenen ukrainischen Soldaten hat weltweites Entsetzen ausgelöst. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete die Aufnahmen am Mittwoch als Beleg für die Brutalität Russlands. Die Welt müsse sehen, "wie leichtfertig diese Bestien töten", sagte Selenskyj. Der Kreml zweifelte die Echtheit des Videos an. Der Kreml nannte das Video "schrecklich", die Echtheit müsse aber überprüft werden.

Das eine Minute und 40 Sekunden lange Video, dessen Echtheit auch von der Nachrichtenagentur AFP nicht abschließend geklärt werden konnte, wird seit Dienstag in Onlinenetzwerken verbreitet. Darin ist ein Mann in Kampfanzug mit maskiertem Gesicht zu sehen, der auf Aufforderung eines russisch sprechenden Mannes hinter der Kamera einem am Boden liegenden Mann in Uniform mit einem Messer die Kehle durchschneidet und ihn enthauptet. Anschließend hält er den abgeschnittenen Kopf in die Kamera. Eine Stimme sagt auf Russisch, der Kopf solle "in einen Sack gesteckt und an den Kommandeur geschickt" werden.

Botschafter fordert Zeichen Österreichs auf Video

Nach dem Auftauchen eines Videos, das die Enthauptung eines ukrainischen Kriegsgefangenen zeigen soll, fordert auch der ukrainische Botschafter in Österreich Konsequenzen. Vasyl Khymynets appellierte am Mittwoch an die heimischen Politiker und an die österreichische Gesellschaft "auf diese entsetzliche Hinrichtung zu reagieren und somit ein Zeichen zu setzen, dass alle russischen Verbrechen aufs Schärfste verurteilt werden und Russland dafür zu Verantwortung gezogen wird."

Es sei ein schreckliches Video, in dem ein russischer Militär einem lebenden ukrainischen Soldaten den Kopf abschneidet und sich dabei filmen lässt. Das sei jenseits menschlicher Vorstellung. "So zeigen Russen ihre menschliche Degradierung. Sie zeigen, dass sie noch schlimmer als die Terrororganisation IS sind." (APA)

Die UNO-Mission zur Überwachung der Menschenrechte in der Ukraine äußerte sich "entsetzt" über die "grausamen" Aufnahmen. Sie verwies auf ein weiteres Video, das im Internet kursiere und "verstümmelte Leichen" zeige, offenbar von ukrainischen Kriegsgefangenen. Die UNO-Mission forderte Ermittlungen, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Die EU-Kommission erklärte in Brüssel, sie habe keine Informationen über den Wahrheitsgehalt des Videos. Sollte es jedoch authentisch sein, wäre die Tötung eines Kriegsgefangenen "ein schwerwiegender Verstoß gegen die Genfer Konvention" und würde "einmal mehr die völlige Missachtung des Völkerrechts und insbesondere des humanitären Völkerrechts durch Russland" zeigen, sagte Kommissionssprecherin Nabila Massrali. Alle Täter und Komplizen von Kriegsverbrechen würden zur Rechenschaft gezogen.

Eine Regierungssprecherin sagte in Berlin, die Bundesregierung habe das Video "mit Bestürzung zur Kenntnis genommen". Allerdings habe die deutsche Regierung keine eigenen Erkenntnisse über dessen Echtheit.

"Video von Russland, wie es ist"

Die ukrainische Regierung erklärte, sie versuche das Enthauptungsopfer zu identifizieren, dessen Uniformabzeichen in dem Video zu sehen sind. Präsident Selenskyj erneuerte seine Forderung nach einer Strafverfolgung der Verantwortlichen für Kriegsverbrechen in der Ukraine. Er verlangte "Gefängnisstrafen für die Mörder, ein Tribunal für den Verbrecherstaat". "Das ist ein Video von Russland, wie es ist", unterstrich der Staatschef in einer Videobotschaft am Mittwoch. Niemand würde es verstehen, wenn die Staatsführer nicht auf das Video reagierten. "Es muss jetzt gehandelt werden!"

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba nannte Russland "schlimmer als den IS". Es sei absurd, dass Russland, das schlimmer als der IS ist, den Vorsitz im UNO-Sicherheitsrat innehat, während russische Truppen Gräueltaten an ukrainischen Kriegsgefangenen begehen. "Russische Terroristen müssen aus der Ukraine und der UNO geworfen und für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden", betonte Kuleba.

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Der Kreml zweifelte hingegen die Echtheit des Videos an. "Wir leben zunächst einmal in einer Welt der Fakes und müssen daher die Echtheit der Aufnahmen prüfen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Das seien zwar "entsetzliche Bilder", räumte Peskow ein. Doch zunächst müsse festgestellt werden, ob die Enthauptung tatsächlich stattgefunden habe. Anschließend sei zu prüfen, von welcher Seite das Verbrechen begangen worden sei, sagte er.

"Davor haben die Russen Angst, aber nicht wir"

"Das Zielpublikum ist nicht nur die Ukraine, sondern auch die westlichen Gesellschaften", sagte Daria Sariwna, Beraterin des Leiters des Büros des ukrainischen Präsidenten auf Telegram. Dennoch funktionieren solche Methoden bei den Ukrainern nicht. "Davor haben die Russen Angst, aber nicht wir", betonte Sariwna laut Nachrichtenagentur Ukrinform.

Das erste Video wurde am 8. April 2023 von einem pro-russischen Social-Media-Kanal veröffentlicht. Es wurde von russischen Söldnern der Wagner-Gruppe gefilmt und zeigt die enthaupteten Leichen von zwei ukrainischen Soldaten, die neben einem zerstörten Militärfahrzeug auf dem Boden liegen. Russische Quellen behaupten, dass dieses Video aus der Nähe von Bachmut stammt.

Das zweite Video wurde auf Twitter gepostet und ist stark verwackelt. Es scheint im Sommer gedreht worden zu sein, da der Boden mit Pflanzen bewachsen ist. Das Video zeigt einen russischen Kämpfer, der einem ukrainischen Soldaten mit einem Messer den Kopf abschlägt.

Russland droht mit Ende des Getreide-Abkommens

Russland droht mit einem Aus für das Getreide-Abkommen mit der Ukraine. Die im nächsten Monat zur Verlängerung anstehende Vereinbarung funktioniere für Russland nicht, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow am Mittwoch. Die Zusagen, die Hindernisse für russische Agrar- und Düngemittelausfuhren zu beseitigen, seien nicht erfüllt worden. Auch einige Bemühungen der Vereinten Nationen hätten daran nichts geändert.

"Kein Abkommen kann auf einem Bein stehen, es muss auf zwei Beinen stehen", sagte Peskow. In dieser Hinsicht seien die Aussichten auf eine Verlängerung "nach dem heutigen Stand der Dinge natürlich nicht so groß".

Das Abkommen soll trotz des Krieges den Export von Getreide und Düngemitteln aus der Ukraine über das Schwarze Meer ermöglichen. Es wurde erstmals im Juli vorigen Jahres von Russland und der Ukraine unter Vermittlung der Türkei und der UNO vereinbart und seitdem zweimal verlängert. Nach Ansicht der Regierung in Moskau werden die russischen Lebensmittel- und Düngemittelausfuhren jedoch durch Hindernisse etwa bei Versicherungen und der Zahlungsabwicklung beeinträchtigt. Im vergangenen Monat erklärte Russland daher, es werde die Vereinbarung nur um 60 Tage verlängern, obwohl die UNO, die Ukraine und die Türkei eine erneute Verlängerung um 120 Tage wollten. Sie läuft nach derzeitigem Stand am 18. Mai aus.

Russland verstärkt Verteidigungslinien

Nach Einschätzung britischer Geheimdienste hat Russland seine Verteidigungslinien im Süden der Ukraine deutlich verstärkt. Dies sei ein Zeichen dafür, dass Moskau verstärkt Ressourcen dafür einsetze, sich auf eine mögliche Gegenoffensive der Ukrainer in Richtung der Küstenstadt Melitopol vorzubereiten, hieß es am Mittwoch im Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums.

Russland habe in der Region Saporischschja in den vergangenen Wochen über eine Strecke von schätzungsweise 120 Kilometern drei Verteidigungslinien vervollständigt, die jeweils rund 10 bis 20 Kilometer auseinander lägen, schrieben die Briten. Die vorderste beinhalte Stellungen für Angriffe, während die hinteren beiden durchgängige, besser ausgebaute Verteidigungsanlagen hätten.

Ukrainische Soldaten nördlich von Charkiw.
© APA/AFP/SERGEY BOBOK

Enorme Hürden

Die Verteidigungslinien hätten das Potenzial, enorme Hürden für die Ukraine darzustellen, hieß es aus London. Allerdings könnten sie sich nur dann als wirksam erweisen, wenn sie auch ausreichend mit Truppen und Munition ausgestattet würden. Es sei unklar, ob dies derzeit für die zuständige Einheit möglich sei.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor. (dpa, TT.com)

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