Kunstlieder über Sexarbeit

„Kein leichtes Mädchen" im Treibhaus: Gegen die soziale Ächtung ansingen

„Kein leichtes Mädchen“ von und mit Elisabeth de Roo hat heute Abend im Innsbrucker Treibhaus Premiere.
© Andreas Gilgenberg

Elisabeth de Roo will mit den Konventionen des Liederabends brechen. In „Kein leichtes Mädchen“ denkt sie mit klassischen Kunstliedern über Sexarbeit nach.

Innsbruck – Elisabeth de Roo hat sich viel vorgenommen. „Ich wollte die klassische Liederabend-Setzung aufbrechen“, sagt sie. Das klassische Kunstlied sei ihr eine Herzensangelegenheit, ergänzt sie. Aber das ähnlich klassische Bild – hier das Piano, dort die Sängerin – habe sie zusehends gelangweilt. Ihr Konzept einer zeitgenössischeren Herangehensweise an bewährtes Liedgut von Schubert über Schumann bis Mahler wurde 2022 mit einem Arbeitsstipendium des Landes belohnt.

Doch, gesteht sie, „ich war kurz davor, die insgesamt 6000 Euro zurückzuzahlen, weil ich plötzlich vor einem leeren Blatt Papier saß“. Gefüllt hat sie es schließlich mit Geschichten, die – jedenfalls auf den ersten Blick – wenig mit Kunstlied zu tun haben. „Sex geht immer“, habe ihr ein Freund geraten. De Roo griff den Gedanken auf – und dachte ihn weiter. „Das Thema Sexarbeit beschäftigt mich seit Jahren“, sagt die Sängerin. Lange ist sie beinahe täglich mit dem Frühzug von Innsbruck nach Salzburg gefahren. Der Weg zum Bahnhof führte sie über den Südring. „Damals gab es den Straßenstrich noch. Ich kam mit den Frauen dort ins Gespräch“, erzählt de Roo. Daran hat sie sich erinnert – und angefangen zu recherchieren. Aus der Recherche ist „Kein leichtes Mädchen“ geworden. Heute Abend ist im Innsbrucker Treibhaus Premiere. Sie habe auch bei anderen Veranstaltern angefragt, sagt Elisabeth de Roo. Als das Thema des Abends fiel, brach der Kontakt ab. Auf einen online gestellten Plakatentwurf folgte ein Shitstorm. Solche Reaktionen, sagt die Sängerin, hätten sie bestärkt: „Das Thema ist wichtig – und offensichtlich lässt es niemanden kalt.“

Kein leichtes Mädchen

Premiere: Heute Freitag, 20 Uhr, im Treibhaus. www.treibhaus.at

Mit gut hundert SexarbeiterInnen, Frauen, aber auch Männern, im ganzen deutschen Sprachraum hat Elisabeth de Roo für das Projekt gesprochen. „Ich war in Bordellen und einschlägigen Studios, habe mit Prostituierten und Pornodarstellerinnen gesprochen – mich haben die Menschen hinter den Berufen interessiert, ihre Geschichten und die Frage, warum sich eine aufgeklärte Gesellschaft mit dem bekanntlich ältesten Gewerbe der Welt nach wie vor so schwertut.“

Die Geschichten, die sie zusammengetragen hat, haben sie berührt und erschüttert. „Auch Prostituierte, die legal arbeiten, werden geächtet. Sie sind immer dann, wenn Angaben zur Person verlangt werden, Demütigungen und Angriffen ausgesetzt und werden oft selbst von Familienangehörigen angefeindet. Ich kann sagen: Ich bin Sängerin“, erklärt Elisabeth de Roo, „SexarbeiterInnen können das oft nicht, weil ihr Beruf stigmatisiert ist.“ Mit dem Schauspieler Thomas Lackner hat sie das gesammelte Material zum Monolog verdichtet: Eine Sängerin hält sich mit Sexarbeit über Wasser – und erzählt, was sie erlebt. Lackner verantwortet nun auch die Inszenierung von „Kein leichtes Mädchen“. „Die Geschichten sind wahr“, sagt Elisabeth de Roo, „und die Lieder manchmal Kommentar, manchmal versuchte Realitätsflucht, manchmal Hilferuf.“ Auch sie handeln, meist in schönsten Worten, von Abgründen und Übergriffen, unterstreicht Elisabeth de Roo, die beim Versuch, den schöngeistigen Liederabend neu zu denken und gegen soziale Ächtung anzusingen, von Vyara Shuperlieva am Klavier begleitet wird.

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