Von 0,4 Prozent auf zweistelliges Ergebnis: Sensationserfolg für die KPÖ in Salzburg
Die große Überraschung der Landtagswahl in Salzburg ist die KPÖ Plus: Die Partei zieht erstmals seit 1949 wird in den Landtag ein und erreicht erstmals ein zweistelliges Ergebnis. Das war in der Zweiten Republik auf Landes- wie auf Bundesebene noch nie der Fall. In der Landeshauptstadt landete die Partei gar vor der FPÖ auf Platz zwei.
Salzburg – Es ist eine innenpolitische Sensation: Die KPÖ Plus hat sich mit einem sensationellen Ergebnis bei der Salzburg-Wahl ihren zweiten Landtag geholt. Erstmals in der Zweiten Republik schafften die Kommunist:innen ein zweistelliges Ergebnis. Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl führte sie damit in den Landtag, dem sie bisher nur von 1945 bis 1949 angehört haben. In den letzten Jahrzehnten war die KPÖ bedeutungslos – außer in der Steiermark, wo sie seit 2005 im Landtag sitzen und seit 2021 die Grazer Bürgermeisterin stellen.
Mit Anleihen an diesen erfolgreichen steirischen Weg – so haben die Kandidat:innen versprochen, einen Teil ihrer Politikergehälter abzugeben – hat Dankl nach einem dreiviertel Jahrhundert das Revival der Kommunisten in Salzburg geschafft. Ein wenig verdankt er das auch den Auseinandersetzungen in der Bundes-SPÖ – wobei diese nur relativ wenig (2,2 Prozentpunkte) an Stimmenanteil verlor, während die KPÖ massiv zulegte.
📽️ Video | KPÖ überrascht mit Einzug in Landtag
Nur 0,4 Prozent der Salzburgerinnen und Salzburger wählten 2018 die Kommunist:innen. Heuer waren es 11,7 Prozent – und damit hängen sie die beiden bisherigen kleinen Regierungspartner der ÖVP ab, die NEOS (die überhaupt aus dem Landtag flogen) und deutlich auch die Grünen, deren Anteil sich auf 8,20 Prozent verringerte.
Erstmals seit 1945 hat die KPÖ damit ein zweistelliges Ergebnis bei einer Landtagswahl geschafft. Die bisherigen Rekordergebnisse der Kommunisten liegen bereits Jahrzehnte zurück: 8,3 Prozent bei der Wiener Landtagswahl 1954 und 8,1 Prozent in Kärnten 1945
Platz zwei in der Landeshauptstadt
Gesichert hat sich die KPÖ ihr Rekordergebnis vor allem in der Landeshauptstadt: Mit 21,5 Prozent (+20,3) sind die Kommunist:innen in Salzburg-Stadt Zweite, nicht weit hinter der ÖVP (24,8 Prozent) und deutlich stärker als die FPÖ (18,7 Prozent).
Woher die KPÖ-Stimmen kommen
Die meisten ihrer 12.665 Stimmen saugte die KPÖ in der Stadt Salzburg von der SPÖ ab: Rund 3500 Stimmen (27 Prozent) kommen von dort, weitere 3000 Stimmen (25 Prozent) holte sie von Wähler:innen, die vor fünf Jahren gar nicht gewählt haben. Das zeigt eine SORA-Wählerstromanalyse im Auftrag des ORF. Knapp jede fünfte KPÖ-Plus-Stimme (2500) kommt von Grün-Wähler:innen des Jahres 2018, weitere 11 Prozent (1500 Stimmen) stammen aus dem Lager der NEOS-Wähler:innen und immerhin etwa 1000 Stimmen (8 Prozent) von der FPÖ.
Selbst in Salzburgs kleinstem Bezirk, dem Lungau, erhielt die KPÖ Plus laut vorläufigem Endergebnis einen Zuspruch von 5,1 Prozent der Stimmen. Das ist insofern überraschend, da die Menschen dort traditionell sehr bürgerlich wählen.
Der Einzug in den Landtag ist für die KPÖ eine Sensation. Denn sie ist seit 1945 zwar bei fast allen Wahlen im Land und Bund angetreten, blieb in den letzten Jahrzehnten aber meist unter einem Prozent Stimmenanteil – abgesehen von der Steiermark: Dort gelang mit Frontmann Ernest Kaltenegger 2005 die Rückkehr in den Landtag, in dem man sich bis heute – mit Ergebnissen zwischen vier und sechs Prozent – hielt. 2021 schaffte Elke Kahr in Graz die Sensation, der ÖVP mit 28,8 Prozent Platz 1 abzunehmen und Langzeitbürgermeister Siegfried Nagl zu ersetzen.
Bei den anderen Wahlen der letzten Jahre war man immer schwach: 0,7 Prozent gab es bei der Nationalratswahl 2019 und in Tirol 2022, 0,3 Prozent in Kärnten im heurigen März, in Niederösterreich trat man gar nicht an.
Zu Beginn der Zweiten Republik hatte es die KPÖ – mit Ergebnissen von um die fünf Prozent – als eine der Gründungsparteien in die meisten Landtage (außer Oberösterreich, Vorarlberg und Tirol) und auch in den Nationalrat geschafft. Das hielt aber nicht allzu lange, Ungarn-Aufstand und „Prager Frühling“ 1968 ließen die Anhängerschar stark schrumpfen. Vom Nationalrat musste sich die KPÖ 1959 verabschieden, bei der ersten Wahl nach dem Ungarn-Aufstand. Auf Landtagsebene war es in Salzburg schon nach der ersten Periode (1949) wieder vorbei, in Niederösterreich gehörte die KPÖ bis zur Wahl 1959 dem Landtag an, in Wien bis 1969, in Kärnten und der Steiermark bis 1970.
Stimmung gut, aber nicht ausgelassen
Obwohl die KPÖ allen Grund zum Feiern hat, war die Stimmung bei der Wahlparty am Sonntagabend zwar gut, aber nicht ausgelassen. Eine langjährige Parteigängerin sagte, sie hoffe nun, dass die jahrelang weitgehend ignorierten Probleme beim Wohnen oder in der Pflege endlich ernst genommen werden. Einer neuen Landesregierung traue sie das aber nur schwer zu. Viele der Gäste, darunter auch sehr viele junge KPÖ-Sympathisant:innen, glaubten, dass Salzburg nun eine schwarz-blaue Koalition bekomme. Auch ein Pflegemitarbeiter sagte zur APA, dass er sich wenig Veränderung erwarte, weil die Kräfteverhältnisse konservativ dominiert bleiben. „Es ist aber wichtig, dass es eine kritische Stimme im Land gibt, die sich nicht anbiedert. Die Frage ist, wie viel sie ausrichten können.“
Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl selbst sagte am späten Sonntagabend im ORF, die KPÖ werde auch nach der Wahl „der Regierung auf die Finger schauen“ und „gemeinsam mit der Bevölkerung Druck machen“, dass Wahlversprechen zu Themen wie Pflege, dem Bildungssystem, leistbarem Wohnen oder „der wachsenden Schere zwischen Arm und Reich“ umgesetzt werden, so der Spitzenkandidat. „Ob wir wirklich feiern können, werden wir in fünf Jahren sehen“, hatte Dankl zuvor zu den ersten Hochrechnungen gesagt. (APA, TT.com)
📽️ Video | Statement von Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl
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