Ein Selbstversuch in den USA

Die Straßen von San Francisco - Fahrerlos durch die Nacht

In San Francisco kutschieren diese selbstfahrende Taxis die Fahrgäste.
© Marco Witting

Auf Geisterfahrt mit einem selbstfahrenden Taxi. Ein Selbstversuch mit der Zukunft der Mobilität.

Das letzte Bier ist getrunken. Die Bar leert sich. Und weil es auf den Straßen von San Francisco eben nicht sehr sicher ist, kann der Heimweg nur mit Taxi erfolgen. Handy gezückt. App geöffnet. Start- und Zielpunkt eingegeben. In 4 Minuten sollte das Auto da sein. Alles ganz normal. Kurz darauf biegt ein weißer Chevy Bolt, die US-Variante eines Opel Ampera, um die Ecke. Knapp vor dem Gehsteig wird das Elektroauto auffällig langsam. Das Auto bremst automatisch ab. Denn es hat keinen Fahrer.

Mit der App Start- und Zielpunkt eingegeben. In wenigen Minuten ist das Auto da.
© Marco Witting

„Willkommen in der Zukunft“, sagt Mario Herger lachend, während er ebenfalls auf dem Rücksitz Platz nimmt. Herger, seit rund 20 Jahren im Silicon Valley, ist Autor, Ex-Executive im Valley und sucht nach neuen Technologie-Trends. Der Wiener ist es auch, der diese Fahrt möglich macht. Denn für die entsprechende App gibt es aktuell eine Warteliste. Und fahren darf er mit dem Taxi derzeit nur in einem bestimmten Bereich, wenn es trocken ist und zwischen 22 Uhr und 6 Uhr Früh. Dann geht es los. Aber das Auto ohne Fahrer startet erst, wenn der Gurt angelegt ist.

Das Auto blinkt links und mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Erstaunen beobachtet der Fahrgast, wie sich das Lenkrad wie von Geisterhand bewegt. Das Auto gibt Gas. An der nächsten roten Ampel geht es rechts (das macht man in Amerika so) und dann geht’s den nächsten Hügel hinauf. 30 Sekunden lang fühlt sich die Fahrt im selbstfahrenden Taxi eigenartig an. Dann legt sich das mulmige Gefühl. „Das geht eigentlich jedem Fahrgast so, mit dem ich bisher unterwegs war“, sagt Herger.

📽️ Video | Einsteigen und willkommen in der Zukunft

Mit den beiden Unternehmen Waymo und Cruise konkurrieren gleich zwei Unternehmen um die Gunst der Kunden rund um die Golden Gate Bridge. Selbstfahrende Taxis gibt es in der Stadt mittlerweile rund 370. Und das soll erst der Anfang sein. Wobei man durchaus auch kritische Stimmen in der Stadt hört. Weil, so finden die Menschen hinter dem Steuer, die selbstfahrenden Taxis immer wieder seltsame Bremsmanöver hinlegen würden. Oder weil, wie zuletzt vor einigen Wochen, ein Serverproblem die ganze Flotte lahmlegt.

Beim Besuch einer österreichischen Delegation von Digitalitsierungs-Staatssekretär Florian Tursky, Abgeordneten, Wirtschaftstreibenden und Medienvertretern, zu dem auch die TT eingeladen war, wird aber klar: Das ist erst der Anfang einer neuen Mobilität. Herger: „Aktuell werden ja Fahrzeuge umgebaut, die für Menschen konzipiert wurden. Die selbstfahrenden Taxis der Zukunft müssen nicht so aussehen.“ Der Tech-Experte, Autor von rund 20 Büchern, glaubt an Fahrzeuge, die Zugabteilen ähneln, und einen weiteren Ausbau der Flotte. Denn die Maschine sei eben sicherer als der Mensch unterwegs.

Die Flotte von Taxi-Anbieter Waymo in San Francisco.
© Marco Witting

Das mutet für europäische Ohren extrem eigenartig an. Die Geisterfahrt durch die Straßen von San Francisco nähert sich dem Ziel. Wieder bremst das Auto langsam ab. Erst wenn das Fahrzeug tatsächlich wieder steht, kann man sich abschnallen und aussteigen. Die Fahrt selbst kostet nicht mehr als bei entsprechenden Angeboten von Uber und Co. Aber das Trinkgeld für den Fahrer kann man sich sparen. Dann blinkt das Taxi wieder und startet los. Raus, in die Straßen von San Francisco.

📸 So versucht die Polizei, ein selbstfahrendes Taxi zu stoppen

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