„Langes und sinnvolles Gespräch“

Xi telefonierte mit Selenskyj und will Sondergesandten schicken

Der chinesische Präsident Xi Jinping auf einem Archivfoto.
© APA/AFP/POOL/KEN ISHII

Der chinesische Präsident kündigte an, einen Sondergesandten in die Ukraine zu schicken. Dieser solle Gespräche mit allen Konfliktparteien zur Beilegung der Ukraine-Krise führen.

Kiew – Erstmals seit der russischen Invasion in die Ukraine vor mehr als einem Jahr hat Chinas Staats-und Parteichef Xi Jinping mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. In dem Gespräch am Mittwoch kündigte Xi an, einen Sonderbeauftragten nach Kiew und in andere Länder schicken zu wollen, um sich mit allen Parteien über eine politische Lösung auszutauschen. Selenskyj sprach am Mittwoch auf Twitter von einem langen und sinnvollen Gespräch.

Wie chinesische Staatsmedien berichteten, warnte Xi Jinping in dem Telefonat auch eindringlich vor einer atomaren Eskalation des Konflikts und mahnte alle Parteien zur Besonnenheit. „Es gibt keine Gewinner in einem Atomkrieg“, sagte Xi Jinping. Im Umgang mit der Atomfrage sollten sich alle Beteiligten ruhig verhalten und Zurückhaltung zeigen, sich auf ihre Zukunft und ihr Schicksal und das der ganzen Menschheit konzentrieren und gemeinsam mit der Krise umgehen.

China und Ukraine als „strategische Partner“

Rationales Denken nehme bei allen Parteien zu, deswegen sollte die Gelegenheit ergriffen werden, um günstige Bedingungen für eine politische Lösung der Krise zu schaffen. Xi sagte laut chinesischen Staatsmedien, China sei immer auf der Seite des Friedens gestanden. Das Telefonat sei ein Zeichen für die „objektive“ und „unparteiische“ Position Chinas in internationalen Fragen und sein Verantwortungsbewusstsein als großes Land, sagte ein chinesischer Spitzendiplomat. China und die Ukraine seien „strategische Partner“.

Selenskyj berichtete auch von der Ernennung eines neuen ukrainischen Botschafters für China. Gemeinsam mit dem Telefongespräch werde dies „einen kräftigen Impuls für die Entwicklung unserer bilateralen Beziehungen geben“, sagte der Präsident nach Angaben der Nachrichtenagentur Ukrinform. Ein Sprecher Selenskyjs sagte, das Telefongespräch mit Xi habe „fast eine Stunde“ gedauert. Eher zurückhaltend fiel die erste Reaktion aus Russland aus. Man sehe, dass Peking bereit sei, Gespräche zu „erleichtern“, teilte das russische Außenministerium mit.

In dem Telefongespräch bekräftigte Xi Jinping laut Staatsfernsehen, dass der Respekt der Souveränität und territorialen Integrität die politische Grundlage für die Beziehungen zwischen China und der Ukraine sei. Die „komplizierte Entwicklung der Ukraine-Krise“ habe starken Einfluss auf die internationale Lage. „China steht immer auf der Seite des Friedens und seine Schlüsselposition ist die Förderung von Frieden und Verhandlungen“, sagte Xi Jinping. „China hat die Ukraine-Krise nicht geschaffen und ist darin keine Partei.“

Verhandlungen laut China einziger Ausweg

Als ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat und verantwortliches großes Land werde China „weder Feuer von weitem zusehen, noch Öl ins Feuer gießen oder die Möglichkeiten zu seinem Vorteil ausnutzen“, sagte Xi Jinping laut Staatsfernsehen in dem Telefonat. China handelt nach seinen Worten „fair und ehrlich“. „Dialog und Verhandlungen sind der einzig machbare Ausweg“, sagte Chinas Präsident.

Nach chinesischen Angaben hob Selenskyj hervor, dass China eine großen Rolle auf der Weltbühne spiele. Er habe „seine Sicht der gegenwärtigen Krise in der Ukraine“ vorgestellt und China für die humanitäre Unterstützung gedankt, berichtete das chinesische Staatsfernsehen. Auch habe der ukrainische Präsident die „wichtige Rolle Chinas bei der Wiederherstellung von Frieden und der Lösung der Krise durch diplomatische Mittel begrüßt“.

Selenskyj ernannte noch am Mittwoch per Dekret den früheren Minister Pawlo Rjabikin zum neuen ukrainischen Botschafter in Peking. Wie die Nachrichtenagentur Ukrinform berichtete, war er von November 2021 bis März 2023 in der Regierung für die Strategischen Industrien zuständig. Davor war er Chef der Zollbehörde, Direktor des Kiewer Flughafens Boryspil, Vizechef der Kiewer Stadtverwaltung und stellvertretender Verkehrsminister gewesen.

China legte im Februar Zwölf-Punkte-Plan vor

Das Telefonat war schon seit Wochen erwartet worden. China hatte im Februar einen Zwölf-Punkte-Plan für die Beendigung des Ukraine-Kriegs vorgelegt, der international auf verhaltenes Echo gestoßen war. Xi hatte danach nämlich bei einem Besuch in Moskau demonstrativ die russisch-chinesische Partnerschaft bekräftigt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte den chinesischen Staats- und Parteichef mehrmals öffentlich zu einem Gespräch aufgefordert.

Der Zwölf-Punkte-Plan Chinas enthält einen Aufruf zum Dialog, eine klare Absage zum Einsatz von Atomwaffen sowie ein Bekenntnis zum Völkerrecht. „Die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder muss wirksam gewahrt werden“, heißt es in Punkt eins des Dokuments. Was das im Fall der Ukraine bedeutet, wird aber nicht ausgeführt. Russland hat sich schon im Jahr 2014 die ukrainische Halbinsel Krim einverleibt, nach Kriegsbeginn folgte die Annexion von vier weiteren ukrainischen Regionen, von denen das Land aber keine einzige zur Gänge kontrolliert. Beide Schritte wurden international nicht anerkannt.

China pocht im Taiwan-Konflikt penibel auf eine Achtung des Prinzips der Unverletzlichkeit der Grenzen. Die russische Aggression gegenüber der Ukraine hat das Land aber bisher nicht verurteilt. Zweifel an der Position Chinas nährten jüngst auch Aussagen des chinesischen Botschafters in Paris, Lu Shaye. Er sagte in einem Interview mit dem französischen Nachrichtensender LCI gesagt, die nach dem Kalten Krieg aus der Sowjetunion hervorgegangenen Länder hätten „keinen wirksamen Status nach internationalem Recht, weil es kein internationales Abkommen gibt, das ihren Status als souveräne Nationen bestätigt“. Nach massiven Protesten bekannte sich China zwar zur Souveränität der Ukraine, doch blieb eine Maßregelung des Diplomaten aus. (APA/Reuters/dpa)

London lieferte Uran-Munition an Kiew, Moskau warnt

Russland hat Großbritannien vorgeworfen, mit der Lieferung von panzerbrechender Uran-Munition an die Ukraine "nicht wieder gut zu machende Schäden" in Kauf zu nehmen. "Die Briten sollten wissen, dass sie dafür die Verantwortung werden tragen müssen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow zu Nachrichten aus London über die bereits gelieferten Geschosse. Peskow meinte, dass nach dem Einsatz solcher Munition Krebs und andere Erkrankungen zunähmen.

Das zeigten etwa Daten nach der Bombardierung Jugoslawiens. Zuvor hatte in London Verteidigungsstaatssekretär James Heappey mitgeteilt, dass Großbritannien Tausende Schuss Munition für die britischen Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 geliefert habe, die bereits in der Ukraine im Einsatz sind. Darunter sei auch panzerbrechende Munition mit abgereichertem Uran. "Aus Sicherheitsgründen werden wir nicht kommentieren, wie viele Schuss die Ukraine bereits genutzt hat", betonte Heappey auf eine schriftliche Anfrage im Parlament.

Großbritannien hatte als erstes Land der Ukraine Kampfpanzer westlicher Bauart zugesagt und die Lieferung von insgesamt 14 Challenger 2 angekündigt. Die ersten Fahrzeuge sind bereits im Einsatz.

Moskau empörte sich schon im März über die damals erst geplante Lieferung von Uran-Munition aus Großbritannien an die Ukraine. Kremlchef Wladimir Putin warnte vor ihrem Einsatz. Uranmunition gehöre "zu den schädlichsten und gefährlichsten für den Menschen", da der Uran-Kern radioaktiven Staub verursache und die Böden verseuche. "Wir haben ohne Übertreibung Hunderttausende solcher Geschosse", sagte er. Bisher seien sie aber nicht eingesetzt worden.

Die britische Armee verwendet nach eigenen Angaben seit Jahrzehnten abgereichertes Uran in ihren panzerbrechenden Geschossen. Das Verteidigungsministerium in London warf Putin Falschinformation vor, nachdem er von einer "nuklearen Komponente" gesprochen hatte. Putin wisse, dass dies nichts mit nuklearen Waffen oder Fähigkeiten zu tun habe, hieß es.

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