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Russen bereiten sich auf Kämpfe um AKW vor

Die ukrainische Stadt Bachmut ist stark umkämpft.
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Die russischen Besatzungstruppen in der Ukraine bereiten sich nach Einschätzung britischer Geheimdienstexperten auf Kämpfe um das Atomkraftwerk Saporischschja vor. Auf Satellitenbildern sei zu sehen, dass auf den Dächern der Reaktoren teilweise Verteidigungsstellungen mit Sandsäcken geschaffen wurden, hieß es am Donnerstag. Eine ukrainische Gegenoffensive in Bachmut steht nach den Worten des Chefs der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, kurz bevor.

"Heute marschieren bereits gut ausgebildete feindliche Einheiten in Bachmut ein (...) Eine Gegenoffensive der Ukrainer ist unvermeidlich", sagt Prigoschin in einer Videobotschaft. Seine Streitkräfte würden um jeden Preis vorrücken, um die ukrainische Armee "zu zermalmen".

Der Westen hat der Ukraine bereits 230 Panzer und mehr als 1550 gepanzerte Fahrzeuge für den Verteidigungskrieg gegen Russland geliefert. Dies entspreche mehr als 98 Prozent der Gefechtsfahrzeuge, die der Ukraine zuletzt über die internationale Kontaktgruppe zur Koordinierung von Militärhilfe zugesagt wurden, erklärte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag am Rande eines Treffens mit dem luxemburgischen Regierungschef Xavier Bettel in Brüssel. Die Ukraine habe nun die militärischen Fähigkeiten, die sie für die Rückeroberung ihrer Territorien benötige.

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow warnte indes vor zu hohen Erwartungen im In- und Ausland an die geplante Frühjahrsoffensive. "Sie sind definitiv überhöht, alle möchten den nächsten Sieg", sagte der 56-Jährige am Donnerstag in einem Interview für die Nachrichtenagentur RBK-Ukrajina.

Im täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London hieß es zu Saporischschja: "Russland hat diese Stellungen wahrscheinlich errichtet, weil es zunehmend besorgt ist über die Aussicht auf eine große ukrainische Offensive." Der Schritt erhöhe das Risiko von Schäden am Sicherheitssystem des Atomkraftwerks, sollten dort Kämpfe stattfinden. Katastrophale Schäden an den Reaktoren seien aber in den meisten plausiblen Szenarien mit Infanterie-Waffen unwahrscheinlich, weil die Gebäudestrukturen sehr gut bewehrt seien.

Bei neuen russischen Angriffen in der Ukraine sind mindestens sechs Menschen getötet und mehr als 20 weitere verletzt worden. In der Stadt Mykolajiw im Süden schlugen nach Behördenangaben vier Raketen vom Typ Kalibr ein. Dabei kam ein Mensch ums Leben, 23 weitere wurden verletzt. Es habe sich um den schwersten Schlag seit vier Monaten gehandelt, hieß es. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Russland am Donnerstag Terror vor. In den Gebieten Saporischschja und Donezk teilten die Behörden mit, dass bei russischen Angriffen am Vortag fünf Menschen getötet und vier weitere verletzt worden seien.

"Das Invasionsland hört nicht auf zu beweisen, dass das Hauptziel dieses Kriegs Terror, die Zerstörung der Ukrainer und von allem Ukrainischen ist", sagte Selenskyj. Die Raketen auf Mykolajiw seien vom Schwarzen Meer aus gezielt auf Privathäuser, ein historisches Gebäude und auf ein Hochhaus abgefeuert worden.

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Die russische Regierung betonte nach dem Telefonat zwischen dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und Selenskyj, dass es bei den eigenen Kriegszielen bleibe. Russland müsse die Ziele seiner sogenannten "speziellen Militäroperation" erreichen, teilte der Kreml am Donnerstag mit. Dennoch begrüße man alle Initiativen, die das Ende des Ukraine-Konflikts näherbringen könnten. Xi und Selenskyj hatten am Mittwoch erstmals seit dem russischen Angriff auf das Nachbarland miteinander gesprochen. China ist in dem Konflikt offiziell neutral, arbeitet aber eng mit Russland zusammen.

Russland hatte den Angriff auf die Ukraine vor mehr als einem Jahr begonnen. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind seit dem Beginn der Invasion am 24. Februar 2022 bisher 8.490 getötete Zivilisten und 14.244 Verletzte registriert worden. Hinzu kommen Zehntausende getötete Soldaten.

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