Richter sagt Einvernahme der Kronzeugin Beinschab ab
Im Prozess gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin sollte heute ihre ehemalige Kollegin und die nunmehrige Kronzeugin Sabine Beinschab vernommen werden. Man werde einen neuen Termin für Beinschab suchen, sagt der Richter.
Wien – Der zweite Tag im Prozess gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin endet ohne die Einvernahme der Kronzeugin Sabine Beinschab. Die Entscheidung begründete der Richter damit, dass die Befragung des dritten Zeugen länger als geplant gedauert habe und dass die Schöffinnen und Schöffen erschöpft seien. Beinschab war eine Kollegin von Karmasin in der Meinungsforschung und gilt als Schlüsselfigur in der Affäre um angeblich manipulierte Meinungsumfragen, zugunsten der ÖVP und ist inzwischen Kronzeugin.
Am Wiener Landesgericht ist am Donnerstag der Prozess gegen die Ex-Familienministerin und den Abteilungsleiter im Sportministerium fortgesetzt worden. Eine Zeugin belastete Karmasin am Vormittag.
Karmasin soll sich nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich Bezugsfortzahlungen erschlichen haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramts verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Familienministerin nahtlos fortsetzte. Inkriminiert sind 78.589,95 Euro. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
Der zweite Anklagekomplex betrifft drei Studien für das Sportministerium, für die Karmasin nach ihrem Ausscheiden aus der Politik den Zuschlag erhielt, indem sie laut Anklage zwei Mitbewerberinnen – darunter ihre frühere Mitarbeiterin Beinschab – dazu brachte, „von ihr inhaltlich vorgegebene und mit ihr vorab inhaltlich abgesprochene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnende Karmasin Research & Identity GmbH die Aufträge bekommen würde“ (Anklageschrift).
Absprache sei laut Zeugin über Beinschab gelaufen
Eine der beiden war für Donnerstagvormittag als Zeugin geladen. Die Absprache sei dabei über Beinschab gelaufen, so die Zeugin, die immer wieder mit Beinschab bei Studien zusammenarbeitete. „Sie (Beinschab, Anm.) hat mich gefragt, ob ich so ein Angebot machen würde. Es war aber ohnehin klar, dass Sophie Karmasin den Auftrag bekommen sollte".
Lediglich eine „Order" aus dem Ministerium „im letzten Moment" habe verlangt, Vergleichsangebote für die Studien einzuholen. „Mir wurde genau vorgegeben, wie das Angebot aussehen soll", sagte die Zeugin. Erwartungsgemäß habe Karmasin das Angebot bekommen. „Ich hätte die Studie selber auch auf keinen Fall machen können, vielleicht mit Sabine Beinschab gemeinsam, aber sicher nicht allein".
Zeugin: „Ich hatte von Anfang an ein schlechtes Gewissen"
Bei der zweiten Studie sei dann „alles wie beim ersten Mal" gelaufen. Kontakt zu Karmasin habe sie dabei nicht gehabt. Gehabt hätte sie von diesen Scheinangeboten wenig. Beim ersten Mal gar nichts, beim zweiten Mal habe sie in kleinem Umfang mitgearbeitet. „Ich wurde einfach um einen Gefallen gebeten".
Bei der dritten Studie sei sie dann ausgeschieden. „Ich wusste ja von Anfang an, dass das nicht in Ordnung war. Ich hatte von Anfang an ein schlechtes Gewissen (..). Wenn sie den Auftrag bekommt, dann ist das so, aber ich wollte nicht mehr mithelfen, dass das so ist, und das habe ich beiden (Karmasin und Beinschab, Anm.) gesagt".
Die zweite Zeugin
Ebenfalls als Zeugin vernommen wurde eine seinerzeit beim Sportministerium zuständige Sachverständige, die die Angebote für die dritte Studie einholte. Dafür beauftragt worden sei sie von ihrem damaligen Abteilungsleiter – der wie Karmasin auf der Anklagebank sitzt. Laut ihrer Aussage habe sie geglaubt, sie müsse sich an ihre „Vorgänger" halten und habe ebenfalls bei den drei selben Meinungsforscherinnen Angebote eingeholt.
Generell habe sie gewusst, dass die Studie „gewünscht" wurde, nicht jedoch von wem. „Ich wusste aber dass es von oben, also über dem (zweitangeklagten, Anm.) Abteilungsleiter kommt".
Dritter Zeuge: Jurist aus Sportministerium
Wie die Karmasin-Studien zustande kamen und beauftragt wurden, erläuterte im Anschluss ein langjähriger, aufs Vergaberecht spezialisierter Mitarbeiter im Sportministerium. Im März 2019 habe Karmasin eine Studienidee präsentiert, sagte der Jurist; bei einem weiteren Termin dann ein Konzept vorgelegt. Da habe es „sicher keine Zusage" gegeben, widersprach der Beamte den Aussagen von Karmasin. Aber es habe „Interesse" gegeben, die Studie zu machen.
Er selbst habe nicht empfohlen, Vergleichsangebote einzuholen; denn da wäre Karmasins intellektuelle Leistung an Dritte weitergegeben worden. Er habe vielmehr Marktsondierungen vorgeschlagen. Aber „man wollte von oben, dass drei Angebote eingeholt werden sollen". Hätte man Karmasin etwas zuschanzen wollen, "hätte man es eleganter machen können", meinte er bezüglich eines E-Mails, aus dem der Richter vorlas. Darin sei zu lesen, dass Sektionschef Philipp Trattner für Karmasin ein Projekt finden wollte. Zuvor habe sie sich über die schlechte Auftragslage beklagt, dann mit den Worten "Echt – du bist Spitze" bedankt.
Karmasin verteidigt sich
Karmasin hatte zum Prozessauftakt am Dienstag erklärt, sie habe nach ihrem Ausscheiden aus dem Ministeramt nicht in das Familienunternehmen zurückkehren können, das man aufgrund ihrer politischen Karriere habe abgeben müssen, und aus einem in Aussicht gestellten Job sei nichts geworden.
Deshalb habe sie „sicherheitshalber Entgeltfortzahlung beantragt“, ihr „naives Verständnis“ sei gewesen, dass ein solcher Antrag mit einem möglichen zukünftigen Beschäftigungsverhältnis zu vereinbaren gewesen sei. „Rückblickend war das ein Fehler. Es tut mir leid.“
📽️ Video | Beinschab sagt in Karmasin-Prozess aus
Neue Chatauswertungen
Oberstaatsanwalt Adamovic von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) dürfte sie mit dieser Verantwortung nicht überzeugt haben. Er präsentierte am Donnerstag im Großen Schwurgerichtssaal „sachverhaltsrelevante Dokumente“, wie er sich ausdrückte, die nach seiner Ansicht Täuschungshandlungen der Ex-Ministerin untermauern und widerlegen, dass sie Anfang 2018 keine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe.
Bei den zusätzlichen Beweismitteln handelt es sich um Chatauswertungen, vor allem Nachrichten, die Karmasin mit ihrer ehemaligen Mitarbeiterin, der Meinungsforscherin Beinschab, ausgetauscht hatte. Beinschab, der die WKStA Kronzeuginnenstatus eingeräumt hat, wird als Zeugin vernommen.
WKStA: Während Amtstätigkeit Verhandlungen geführt
„Die Dokumente zeigen, dass Karmasin auch im Jänner 2018 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, indem sie einen Jahrbuchbeitrag für die Politische Akademie der ÖVP erstellt hat“, sagte Adamovic. Im März 2018 habe Karmasin dann auch Provisionsansprüche im Zusammenhang mit einer Studie zur Budgetrede des damaligen Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP) erworben, wovon sie selbst ausgegangen sei, wie sich aus einer Chatnachricht ergebe. Karmasin habe für diese konkrete Studie auch Beratungsdienste geleistet.
Laut Adamovic soll die Ex-Ministerin schon 2017 – also noch während ihrer Amtstätigkeit – Vorträge geplant und fixiert sowie Honorarverhandlungen geführt haben. Im November und im Dezember 2017 habe sie „ganz grundsätzlich eine Zusammenarbeit mit Beinschab konkret vorbereitet“ und ein Businessmodell schriftlich fixiert, legte der Oberstaatsanwalt dar.
„Gute Vermögenslage“
Abschließend verwies der WKStA-Vertreter auf die „gute Vermögenslage“ der Ex-Ministerin, die nach seinem Dafürhalten dem gesetzlich vorgesehenen sechsmonatigen Bezugsfortzahlungsanspruch entgegensteht, der nur aus dem Amt geschiedenen Ministerinnen bzw. Ministern zusteht, die einkommenslos sind. Karmasin habe damals nicht nur eine Villa in Korneuburg gebaut bzw. ausgebaut, sondern im März 2018 eine Immobilie in Mondsee angemietet.
Karmasin und ihre Verteidiger Norbert Wess und Philipp Wolm äußerten sich zu den vorgelegten Unterlagen nicht. Sie wurden jedenfalls zum Akt genommen, wie Richter Patrick Aulebauer protokollieren ließ.
Verfahren gegen Beinschab eingestellt
Gegen Beinschab wurde in diesem Zusammenhang das Verfahren eingestellt, sie bekam von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Kronzeuginnenstatus zugestanden. Das Verfahren gegen die zweite Meinungsforscherin wurde diversionell erledigt, laut WKStA hat sie bereits gemeinnützige Leistungen erbracht. (TT.com, APA)
Prozess gegen Kurz-Vertraute