30 Jahre World Wide Web: Viel Freiheit und viele Sorgen
Vor 30 Jahren wurde das WWW öffentlich zugänglich und hat die Welt verändert. Sein Erfinder Tim Berners-Lee sorgt sich um sein Baby.
Genf – Eine Welt ohne World Wide Web: statt Shoppen im Internet Bummeln in der Innenstadt, statt Wikipedia das Lexikon, statt Online-Banking der Erlagschein, statt Streaming die Videokassette. Dafür aber auch kein Cybermobbing und keine Cyber-Attacken.
Die digitale Wende für die breite Masse begann heute vor 30 Jahren. Am 30. April 1993 stellte das Europäische Kernforschungszentrum CERN den Programmcode des World Wide Web (WWW) der Öffentlichkeit zu Verfügung. Dabei bewusst auf Lizenzzahlungen und Patente zu verzichten, trug zur Bedeutung des Internets in seiner heutigen Form bei und hat das Leben von Milliarden Menschen revolutioniert – in Sachen Kommunikation, Beruf, Information, Bildung, Einkaufen, Liebe und Sex, aber auch in Sachen Kriminalität. Mittlerweile gibt es weltweit knapp 2 Milliarden Webseiten, viele Milliarden von Geräten sind über das Internet miteinander vernetzt. Trotz des enormen Tempos hat ein Drittel der Weltbevölkerung allerdings immer noch keinen Zugang zum Internet.
Treibende Kraft hinter der Entwicklung des WWW war der britische Physiker und Informatiker Tim Berners-Lee. Ende der 80er wollte er das Informationschaos beim CERN eindämmen. Im März 1989 schlug er ein Projekt auf Basis des Hypertexts vor, um den Datenaustausch zwischen den Forschern weltweit zu vereinfachen. Weihnachten 1990 legte Berners-Lee den ersten Webserver der Welt an („info.cern.ch“). Am 6. August 1991 machte er die erste Website im Internet öffentlich. 1994 gründete er am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA das World Wide Web Consortium (W3C). In diesem Gremium werden unter seiner Leitung bis heute die technischen Entwicklungen des Webs standardisiert. Mittlerweile sorgt sich der Brite um seine Erfindung. Er warnt vor Datenmissbrauch, Desinformationen, Hassrede und Zensur.
Wie sieht die Zukunft im Internet aus? Der Internetanbieter Fasthosts hat mit den Zukunftsforschern James Bellini und Andrew Gill ein Bild skizziert, in dem Virtuelle Realität (VR) und künstliche Intelligenz (KI) etwa das Online-Geschäft und die Unterhaltung im Netz verbessern. Es geht aber auch extremer. Schon 2040, meinen sie, sollen zudem Befehle durch Gehirnsignale gesendet werden können. Bis 2050 soll es möglich sein, sich eine Art Nanoroboter in das Gehirn zu implantieren, um in eine virtuelle Realität einzutauchen, die das Nervensystem direkt beeinflusst.
Sicher surfen
- Passwort: Ein Passwort sollte aus mindestens 8 Zeichen bestehen: Buchstaben, Ziffern und Sonderzeichen.
- Privatsphäre: Name, Handynummer, Adresse etc. vor Fremden geheim halten. Regelmäßig Privatsphäre-Einstellungen in sozialen Netzwerken checken.
- Internet vergisst nicht. Nichts posten, was unangenehm sein könnte, etwa freizügige Fotos. Teilen von Fotos oder Videos, die andere lächerlich machen, ist verboten.
- Teures „Gratis“. Gratisangebote hinterfragen. Dahinter kann Schadsoftware stecken.
- Urheberrechte. Um fremde Fotos, Videos, oder Musikdateien zu veröffentlichen, braucht man die Erlaubnis der Rechteinhaber.
- Schutz. Programme, Antiviren-Software und Apps stets aktualisieren. Geräte mit PIN oder Entsperrmuster schützen.
- Öffentliches WLAN. Bei öffentlichem WLAN wie etwa im Geschäft hat man keine Kontrolle über deren Sicherheit. Quellen: saferinternet.at, Microsoft, A1.
Mit dem technischen Potenzial steigen auch die Gefahren für die Gesellschaft. Schon vor zehn Jahren prophezeiten manche Experten richtig, dass Cyberattacken zur Normalität werden, Privatsphäre und Vertraulichkeit sinken, die Digitalisierung die Welt polarisieren und spalten wird. John Markoff, Wissenschaftsjournalist der New York Times, etwa fragte sich schon damals, was passiert, wenn man am Telefon die Stimme seiner Mutter hört, diese aber tatsächlich nur von einer Software perfekt nachgeahmt ist. Wie richtig er lag, sieht man an der aktuellen Diskussionen um Künstliche Intelligenz.
Freilich ist jede Prognose ein Blick in die Glaskugel. Und der kann trügen. Das musste auch Zukunftsforscher Matthias Horx schmerzhaft erfahren. 2001 prophezeite er, dass sich das Internet nicht als Massenmedium durchsetzen wird. Und 2005 meinte er, dass von Facebook in fünf Jahren niemand mehr reden werde. Selbst der ehemalige Microsoft-Chef Steve Ballmer lag 2007 daneben, er als dem iPhone keine Chance gab, „irgendeinen signifikanten Marktanteil zu erreichen“. So kann man sich irren. (TT, dpa)