Wien bremst

Veto-Stopp soll die EU stärken: Wien bremst

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).
© JOHN THYS

Neun EU-Staaten fordern, die Einstimmigkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik aufzugeben – darunter die Nachbarländer Deutschland, Italien und Slowenien. Kanzler Nehammer ist dagegen.

Berlin, Wien – Das Ringen um Einstimmigkeit in außen- und sicherheitspolitischen Fragen lähmt die Europäische Union und schwächt sie in der globalen Außenwahrnehmung. Zudem wird eine Zustimmung zu Entscheidungen von manch Regierungschef zunehmend als Druckmittel eingesetzt, um nationale Interessen durchzusetzen. Ungarns Viktor Orbán etwa spielt regelmäßig die Veto-Karte aus. Dementsprechend raten Experten und EU-Kommission schon seit Jahren, angesichts der nunmehrigen Größe der EU von der Einstimmigkeit abzurücken und stattdessen qualifizierte Mehrheiten im EU-Vertrag zu verankern. Der ehemalige Kommissionschef Jean-Claude Juncker beschrieb es im Sommer im TT-Interview bildhaft: „Wenn es Spitz auf Knopf steht, ist es nicht zu verantworten, viel Zeit damit zu verlieren, alle an Bord zu kriegen. Und dann hängen immer noch einige mit den Füßen im Wasser und bremsen.“

Deshalb setzen sich neun EU-Staaten jetzt gemeinsam für die Abkehr von der Einstimmigkeit ein. Gerade der russische Angriffskrieg in der Ukraine habe gezeigt, dass die Entscheidungsfindung in der EU-Außenpolitik angepasst werden müsse, um die EU als globalen Akteur zu stärken. Das erklärten die Außenministerien von Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Slowenien, Spanien, Belgien, Niederlande und am Donnerstag.

Das Problem: Die Änderung kann nur mit den Stimmen aller EU-Staaten und des Europarlaments vorgenommen werden. Und ausgerechnet Österreich gehört zu jenen Ländern, die auf Einstimmigkeit pochen – plötzlich. Denn bislang unterstützten heimische Regierungsmitglieder wie Europaministerin Karoline Edtstadler oder Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka die Idee der Mehrheitsentscheidungen im Sinne der EU-Handlungsfähigkeit. Doch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) betonte am Donnerstag bei einem Festakt zum EU-Tag, er sei dagegen. Und auch im Außenministerium zeigte man sich skeptisch.

Den EU-Staats- und Regierungschefs mangelt es mitunter an Weitsicht.
Johannes Hahn (EU-Kommissar, ÖVP)

EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn gab seinem Parteifreund Nehammer beim gestrigen Festakt direkt Kontra. Hahn zufolge fehle es den Staats- und Regierungschefs mitunter an Weitsichtigkeit. „Die oft propagierte Angst vor einem schleichenden Souveränitätsverlust ist nichts anderes als risikoscheues Kurzfristdenken.“

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