Missbrauch in Tiroler Heim: „Ich möchte allen Opfern Mut machen“
Als Missbrauchsopfer in der Kinderbeobachtungsstation von Maria Nowak-Vogl fordert Christian Herbst eine Mindestentschädigung von 15.000 Euro vom Land.
Innsbruck – „Dort wurde ich als Mensch gebrochen, gedemütigt, misshandelt, missbraucht und unterdrückt. Es war eine seelische Vergewaltigung – und das alles unter der Obsorge des Landes.“ Für Christian Herbst (60) waren die 85 Tage von Juli bis Oktober 1974 in der Kinderbeobachtungsstation von Maria Nowak-Vogl ein Martyrium, wie er bei „Tirol Live“ schildert. Gemeinsam mit der Liste Fritz fordert er eine gerechte Entschädigung für die Missbrauchsopfer der damaligen Kinderpsychiatrie. 3654 Krankengeschichten von Betroffenen gibt es, 250 von ihnen wurden bisher finanziell entschädigt. Die niedrigsten Beträge lagen unter 500 Euro, einmal zahlte das Land 25.000 Euro. Es ist das Unverständnis über das Land Tirol, wie es mit den Missbrauchsopfern in der Kinderbeobachtungsstation (1954 bis 1987) umgeht, das Herbst an die Öffentlichkeit gehen ließ. „Warum sollen Misshandlungen dort anders eingestuft werden? Ist ein Schlag ins Gesicht in einem Heim anders als in einem Heim des Landes? Nein, es tut immer gleich weh“, sagt Herbst.
Die gewünschte Mindestentschädigung beziffert er mit 15.000 Euro. Warum? „Das ist der Mittelwert, den die Klasnic-Kommission, die unabhängige Opferschutzkommission für Betroffene von Gewalt und Missbrauch in der katholischen Kirche, für die Opfer von Heimgewalt empfohlen hat.“ An diese Empfehlung habe sich das Land aber nie gehalten. „Mir wurde ein Betrag von 1000 zugesprochen, und das für 85 Tage absoluter Tyrannei und Misshandlung.“
📽️ Video | Christian Herbst in „Tirol Live”
Was erwartet sich Herbst von der Landesregierung bzw. vom Landtag? „Ich hoffe, dass alle Parteien dem Antrag zustimmen. Ich sehe es als große und einmalige Chance für die gesamte Tiroler Politik, den Opfern, die damals in ihrer Obsorge standen und denen sie heute noch verpflichtet sind, jene Würdigung zukommen zu lassen, die ihnen zusteht.“ Nicht reden, sondern tun, das rät er den Landtagsabgeordneten.
Indem er seinen Erfahrungen eine Öffentlichkeit gebe, will Herbst „allen Opfern Mut und Hoffnungen machen, über ihr Erlebtes zu sprechen“. Im weitesten Sinne empfindet er es auch als Therapie. „Denn je öfter ich über meine Erfahrungen reflektiere, desto mehr hilft es mir dabei, meine Emotionen abzubauen. Meine Gefühle über diese Zeit sind immer noch heftig.“
2017 konnte Christian Herbst erstmals seine Krankenakte einsehen, die über den Zwölfjährigen verfasst wurde. Anderen Leidensgenossen, mit denen er nach wie vor Kontakt hat, geht es ähnlich: „Sie alle haben einen traumatischen Eingriff in ihr Leben erfahren, der entweder verdrängt wurde oder als gegeben hingenommen wird.“
1229 Opfer entschädigt