„Preise müssen runter“: Regierung verschärft Gangart gegen Energiekonzerne
Die Regierung setzt nun doch weitere Maßnahmen gegen die Teuerung: Für Energiekonzerne wird die Gewinnabschöpfung verschärft, wenn sie ihre Tarife nicht senken. Stromrechnungen sollen transparenter werden, ebenso wie die Preise im Lebensmittelhandel.
Wien – Wenn die Energiekonzerne ihre Preise für die Konsumenten nicht rasch senken, will die Regierung die Gewinnabschöpfung verschärfen und ausweiten. "Unsere Maßnahme heißt für die Preise des momentan teuersten Anbieters eine Reduktion des Endkundenpreises um mehr als ein Drittel", sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch nach dem Ministerrat. Das abgeschöpfte Geld solle zum Teil an Länder und Gemeinden fließen, die auf Gebührenerhöhungen verzichten.
Argumentiert wird die Gewinnabschöpfung, die mit Anfang Juni umgesetzt werden soll, vom Regierungschef damit, dass die Großhandelspreise im letzten Jahr von mehr als 500 Euro pro MWh auf unter 150 Euro pro MWh gesunken seien, während die Preise für private Haushalte um mehr als das Doppelte gestiegen seien. Diese Vorgangsweise erhitze nicht nur die Inflation, sondern auch die Gemüter, so auch seines, betonte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne).
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"Wenn die Preise für die Konsumenten nicht sinken, werden dementsprechend die Gewinne abgeschöpft und eingehoben", sagte Nehammer. "Wir werden dazu das Energiekrisenbeitragsgesetz verschärfen." Der Schwellenwert für die Gewinnabschöpfung wird für Markterlöse von 140 auf 120 Euro je Megawattstunde bzw. für den Absetzbetrag für Investitionen von 180 auf 160 Euro je MWh gesenkt, die Gewinnabschöpfung wird früher wirksam, allerdings nur dann, wenn die Energiekonzerne ihre Preise nicht senken. "Uns ist zu Ohren gekommen, dass manche Energieunternehmen sich sozusagen auf die Stromkostenbremse des Bundes verlassen und damit auch die hohen Stromkosten weiter verrechnen."
Gewinnabschöpfung soll Gebührenstopp finanzieren
Ein Teil der Gewinnabschöpfung im Energiebereich soll für Länder und Gemeinden bereitgestellt werden. Damit sollen diese zu einem Gebührenerhöhungsverzicht bewogen werden, ohne dass eine große budgetäre Belastung entsteht. Die Bundesgebühren werden weiter eingefroren. Die 90-Prozent-Senkung der Elektrizitäts- und Erdgasabgabe wird um ein halbes Jahr verlängert.
"Der Staat zieht auch heuer die Gebührenbremse", sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) laut Mitteilung. "Die Gebühren für Baubewilligungen, Zulassungen von Kfz, Führerschein, Reisepass bleiben somit unverändert. Das bringt alleine heuer 40 Mio. Euro Ersparnis für die Bürgerinnen und Bürger, seit 2011 sind das bereits 130 Mio. Euro weniger Kosten. Dieser Schritt sollte nun von allen Gebietskörperschaften gesetzt werden."
🔗 Maßnahmen im Überblick:
💡 Regierung präsentierte Paket
Gut zu wissen: Mit diesen Maßnahmen gegen die Teuerung sollen Haushalte entlastet werden
Laut Vizekanzler Kogler sollen die Gemeinden, die auf Gebührenerhöhungen verzichten, das Geld erst im Nachhinein bekommen. Sollten die Energiekonzerne die Preise senken und es nicht zu Gewinnabschöpfungen kommen, "dann werden wir andere Möglichkeiten finden, um hier die Gemeinden zu unterstützen", sagte Nehammer.
Für mehr Transparenz sorgen soll eine monatliche Rechnung mit Smart-Meter als Standard. Gestärkt werden sollen die gesetzlichen Einmeldeverpflichtungen der Energieversorger an die E-Control, um eine Verbesserung des Tarifkalkulators zu erzielen.
Mehr Transparenz, weniger Verschwendung bei Lebensmitteln
Eher unspektakulär gestaltet sind die Maßnahmen im Lebensmittelbereich. So wird die Regierung künftig regelmäßig in einem Lebensmittel-Transparenzbericht die Einkaufspreise des Lebensmittelhandels anhand definierter Lebensmittel veröffentlichen. Ferner muss der Lebensmittelhandel kundtun, welche Mengen an Lebensmitteln als Sachspenden er an gemeinnützige Organisationen zur Verfügung stellt. Ebenfalls offengelegt werden muss, wie viele Lebensmittel vernichtet wurden.
Vertreter aus dem Handel freuen sich, dass die Regierung die Energiepreise als eigentliches Problem der hohen Teuerung sieht und nicht die Lebensmittelpreise. "Endlich versucht die Bundesregierung, an der Wurzel der Inflation anzusetzen, bei den galoppierenden Energiekosten und bei den Gebühren im öffentlichen Bereich", sagte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. Handelsobmann Rainer Trefelik zeigte sich skeptisch, ob die Gewinnabschöpfung von Energiekonzernen den Anreiz habe, die Preise runterzubringen.
Die Befugnisse der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) im Zusammenhang mit Branchenuntersuchungen sowie einer verschärften Fusionskontrolle sollen erweitert und die BWB um zehn neue Planstellen personell verstärkt werden.
"Mit den heute im Ministerrat beschlossenen Maßnahmen wollen wir auch den Wettbewerb stärken und somit kurz- und mittelfristig die Energiepreise und andere Preise senken. Kostensenkungen sollen rasch an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben werden", sagte Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) in einer Mitteilung.
Am Freitag werde man mit Wettbewerbsökonomen und Vertretern der Bundeswettbewerbsbehörde über mögliche weitere Maßnahmen für mehr Preistransparenz beraten.
"Eine Verschärfung des Energiekrisenbeitrags Strom ist eine politische Entscheidung und als solche zu akzeptieren. Offen ist derzeit die Frage der genauen Umsetzung und welche Wirkung damit erzielt wird", hieß es am Abend in einer Reaktion von Oesterreichs Energie. Kritisch sehe die E-Wirtschaft diese Maßnahme im Hinblick auf die Investitionssicherheit. "Mittelfristig werden sich die Preise nur durch einen massiven Ausbau der Erzeugungs- und Netzkapazitäten entspannen - dafür braucht es umfassende Investitionen - auch aus dem privaten Bereich", so der Verband der E-Wirtschaft.
Der Dachverband der Erneuerbaren Energien (EEÖ) sieht in der Maßnahme ein "fatales Signal" für die Branche und ein "Ausbremsen der Energiewende". "Eine langfristige und tragfähige Senkung der Energiekosten geht nur mit einem zielstrebigen Ausbau erneuerbarer Energie in Österreich", hieß es in einer Aussendung am Mittwoch. Die von der Regierung vorgesehene Ausweitung der Gewinnabschöpfung würde sich allerdings negativ auf das Investitionsklima auswirken, so der Verband. Auch die IG Windkraft ortete in einer Aussendung einen "schwarzen Tag für die Energiewende".
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„Bitte aufhören, das Geld hinauszuwerfen“
Christoph Badelt, Chef des Fiskalrats, hatte in der Früh deutliche Worte für die Inflationsbekämpfung der Regierung gefunden. Diese solle „bitte aufhören, das Geld hinauszuwerfen". Es seien immer wieder zu viele Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip erfolgt, eine davon – der „viel zu große Energiekostenzuschuss 2" – laufe sogar noch. Badelt warnt davor, weiter viel Geld für Maßnahmen auszugeben, die in der größeren Zahl Menschen bekommen, die es nicht brauchen, sagte er im „Ö1-Morgenjournal". (TT.com, APA)