Schicksalswahl in Thailand: Showdown zwischen Militär und Jungstars
Bleibt das Militär weiter an der Macht oder schaffen Jungstars der Opposition den Wandel?
Bangkok – Auf den Wahlplakaten, die seit Wochen die Straßen Thailands von Chiang Mai bis Phuket zieren, strahlen die Kandidaten und Kandidatinnen um die Wette. Mimik und Gestik von Regierungschef Prayut Chan-o-cha sind betont lässig und siegessicher. Dabei liegt der einstige Putsch-General, heute 69 Jahre alt, in allen Umfragen hinten. Vorne in der Wählergunst rangiert eine andere, die nur halb so alt ist und erst Anfang Mai einen Sohn zur Welt brachte – zwei Wochen vor der heutigen Parlamentswahl: Paetongtarn Shinawatra (36), der neue Stern am Politik-Himmel und Erbin einer steinreichen Dynastie.
Ihr Vater, der Milliardär Thaksin Shinawatra, und ihre Tante Yingluck Shinawatra waren in Thailand jeweils mehrere Jahre an der Macht. Beide wurden durch Militärcoups entmachtet und leben im Exil. Im stark polarisierten Königreich hat die Familie aber weiter viele Anhänger.
Wie ambitioniert Paetongtarn den Griff nach der Macht vorantreibt, zeigte sie nach der Entbindung: Nur zwei Tage nach der Geburt ihres zweiten Kindes lud sie Reporter ins Krankenhaus in Bangkok. „Ich bin bereit, zum Wahlkampf zurückzukehren. Wir müssen den Erdrutschsieg für Pheu Thai schaffen“, sagte sie mit Blick auf die guten Umfragewerte ihrer Partei.
Allerdings liegt auch die progressive Move-Forward-Partei mit ihrem Spitzenkandidaten Pita Limjaroenrat (42) gut im Rennen. Die Partei punktet mit einem selten klaren Wahlprogramm, verspricht etwa ein Ende der Wehrpflicht und Maßnahmen gegen die hohe Luftverschmutzung, mit der das Land seit Monaten Negativ-Schlagzeilen macht.
Thailand stehe an einem Scheideweg, brachte es der Harvard-Absolvent Pita im Wahlkampf auf den Punkt. „Ein Weg führt uns dahin, uns endlich in ein vollständig demokratisches Land zu verwandeln.“ Der andere, der des regierenden konservativen Establishments, scheint vielen überholt und beharrt auf Traditionen wie dem umstrittenen Lèse-Majesté-Gesetz, das extrem lange Haftstrafen für Majestätsbeleidigung vorsieht.
Die letzte Wahl fand 2019 statt, fünf Jahre nach dem Putsch von 2014. Dank einer vom Militär eingeführten neuen Verfassung wurde Prayut im Amt bestätigt. Ein Jahr später folgten Massenproteste, bei denen eine Reform der Monarchie und Neuwahlen gefordert wurden – erfolglos.
Auch heute ist Prayut im Vorteil. Gemeinsam mit den 500 gewählten Abgeordneten entscheiden 250 ungewählte Senatoren darüber, wer Regierungschef wird. Diese wurden 2018 vom Militär ernannt und gelten als loyal gegenüber Prayut. Um ins Amt zu kommen, muss ein Kandidat die Mehrheit der 750 Sitze auf sich vereinen, also 376 Stimmen. Ein schwieriges Unterfangen für die Opposition.
Wie auch immer das Votum ausfällt, von einer Schicksalswahl ist schon jetzt die Rede. Viele Szenarien sind denkbar. Es könnten wieder Proteste und Chaos drohen, beides ist Thailand nicht fremd. Ebenso wenig wie Militärcoups: Von denen gab es seit den 1930er-Jahren im Königreich mehr als ein Dutzend.
„Gerade bei jungen Leuten scheint das Bewusstsein für die Demokratie in den letzten Jahren gestiegen zu sein“, sagte Céline Caro, Leiterin des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Thailand, der dpa. Diese beobachteten ganz genau, ob der Wahlprozess respektiert werde. Das Thema, das die Menschen im Land am meisten bewegt, ist die Wirtschaft. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird auch in Thailand immer größer.
Bis eine neue Regierung vereidigt ist, wird es vermutlich Monate dauern. Ende August muss das Parlament über den Haushaltsentwurf abstimmen. (TT, dpa)