Kampf dem Müll

UNO-Staaten verhandeln über globales Plastikabkommen in Paris

Mikroplastik ist bereits längst im menschlichen Körper nachweisbar, die Plastikmüllteppiche der Ozeane haben gigantische Ausmaße angenommen.
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In der Verhandlungsrunde in Paris stehen Müllbeseitigung und -vermeidung, Recycling und Neuproduktion von Plastik im Fokus. Die Tagungen finden am 29. Mai bis 2. Juni statt.

Paris – Nach dem Auftakt in Uruguay im November 2022, wird in Paris weiter über ein globales Plastikabkommen verhandelt. Über 1500 Delegierte werden bei der zweiten Verhandlungsrund erwartet, bei der darum geht, die weltweite Verschmutzung durch Kunststoffe zu beenden.

Die Dimensionen der Treffen sind beachtlich und mit den UNO-Klimakonferenzen (COP) vergleichbar: 1500 bis 1600 Delegierte werden erwartet, und schon zuvor setzt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein Zeichen und lädt Umweltministerinnen und Umweltminister mit NGOs zum öffentlichkeitswirksamen Dialog. Gleichzeitig hat die UNO jedoch kurzfristig die Zahl der zugelassenen Beobachter bei den Verhandlungen von fünf auf einen pro Organisation reduziert – was ein organisatorisches Chaos auszulösen droht. „Die UNO muss jetzt umgehend Maßnahmen ergreifen und für Hunderte von Beobachter:innen Ausweichmöglichkeiten bereitstellen, Räume zum Austausch finden und die Verhandlungen zumindest über Streaming für alle zugänglich machen", fordert die österreichische Greenpeace-Expertin Lisa Panhuber.

Mikroplastik ist bereits längst im menschlichen Körper nachweisbar, die Plastikmüllteppiche der Ozeane (wie der "North Pacific Garbage Patch") haben gigantische Ausmaße angenommen. Bei einem Systemwechsel Richtung Kreislaufwirtschaft könne bis 2040 die Plastik-Neuproduktion mehr als halbiert und der in die Umwelt gelangende Plastikmüll um über 80 Prozent reduziert werden, rechnete in der vergangenen Woche ein Bericht des UNO-Umweltprogramms (UNEP) vor. „Aus dem Wundermaterial ist ein katastrophales Material geworden – zumindest in der Art und Weise, wie wir es verwenden."

„Die Zeichen stehen gut"

In Paris soll es nun an die konkrete inhaltliche Arbeit gehen. „Auf dem Tisch liegen verschiedene Szenarien, deren Bandbreite sehr groß ist", schildert Panhuber im Gespräch mit der APA. „Natürlich haben wir Sorge, dass eine sehr verwaschene Absichtserklärung herauskommen könnte, an die sich niemand halten muss – doch die Zeichen stehen gut."

Zwei Umstände geben Grund zu Optimismus: Zum einen hat sich ausgehend von Staaten wie Ruanda, Ecuador und Peru eine "High Ambition Coalition" gebildet, die es schon in der ersten Verhandlungsrunde geschafft hat, dass nicht nur Müllbeseitigung und -vermeidung, sondern auch die Neuproduktion von Plastik Gegenstand des Abkommens sein soll.

Zum anderen gibt es auch in der Plastikindustrie, deren Jahresproduktion mittlerweile bei rund 400 Millionen Tonnen liegt, einflussreiche Stimmen, die für eine scharfe und eindeutige Regelung eintreten.

In Österreich, wo der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch an Kunststoffen bei 150 Kilogramm liegt, haben Unternehmen wie ALPLA und Greiner (nach der Borealis AG die Nummern zwei und drei in Österreich) die Plattform „Verpackung mit Zukunft" gegründet, an der auch Coca-Cola und Nestlé beteiligt sind. Hierzulande kommt 2024 eine verbindliche Mehrwegquote und 2025 ein Pfand auf Einweggebinde wie PET-Flaschen und Dosen - immerhin ein Anfang für den geforderten radikalen Systemwechsel.

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Soziale und politische Herausforderungen

Plastik stellt die Welt aber nicht nur vor große technische Probleme bei der Müllbeseitigung und der künftigen Produktion, sondern auch vor soziale und politische Herausforderungen. Eine "just transition" müsse den Ländern, bei denen die reichen Länder des Nordens bisher buchstäblich ihren Müll abgeladen haben, unter die Arme greifen, lautet die Forderung.

Nicht nur beim Säubern von Stränden und Deponien, sondern auch beim Entwickeln von Einkommens-Alternativen für Menschen, die bisher mit Müllsammeln und -verwerten ihren kargen Lebensunterhalt bestritten haben, müsse es zu fairen Lösungen und einem globalen Hilfsfonds kommen. Immerhin wird der weltweite jährliche Umsatz der Plastikindustrie auf 70 Milliarden Euro geschätzt.

Was kann beim globalen Plastikabkommen nun herauskommen? „Der Super-GAU wäre, wenn man sich darauf einigt, dass die Plastikverschmutzung ein weltweites Problem ist, gegen das die einzelnen Länder etwas unternehmen sollen", sagt Panhuber, die selber in Paris dabei sein wird.

Der Druck wächst

Und das Best Case Szenario? „Das würde besonders gefährliche Kunststoffe verbieten und für die anderen verbindliche, jährlich steigende Quoten für Reduktion und Recycling einführen. Dafür bräuchte man Transparenz, um einen Naming und Shaming Effekt zu erzielen, aber auch Sanktionen für Länder, die sich nicht daran halten."

Der Druck wächst. Unlängst hat eine Gruppe von 25 Europaparlamentariern aus fünf Parteien in einem Offenen Brief an Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans ein stärkeres Engagement der EU gegen Plastikverschmutzung und für eine Transformation der Kunststoffindustrie gefordert. Bei der UNO sind zumindest die zeitlichen Ziele ambitioniert. Die dritte Verhandlungsrunde ist für November in Nairobi angesetzt, die vierte in Kanada und schon im Herbst 2024 will man in Südkorea zu einem Ergebnis kommen. Dann könnte das globale Plastikabkommen bereits 2025 in Kraft treten. (APA)

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