Schallenberg telefonierte mit Szijarto

Schlepper-Freilassungen: Österreich zitiert Ungarns Botschafter ins Außenamt

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg in Brüssel.
© AUSSENMINISTERIUM/MICHAEL GRUBER

Ungarn will inhaftierte Schlepper freilassen, wenn sie innerhalb von 72 Stunden das Land verlassen. Aus Österreich ernteten die Pläne heftige Kritik.

Brüssel – Die frühzeitige Freilassung von verurteilten Schleppern in Ungarn sorgt für diplomatische Spannungen zwischen Wien und Budapest. "Wir wollen volle Aufklärung, weil wir halten das für ein völlig falsches Signal", sagte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Montag in Brüssel. Man werde "auch heute noch den ungarischen Botschafter dazu ins Außenministerium holen". Schallenberg sprach nach eigenen Angaben bereits am Sonntag mit seinem ungarischen Kollegen Péter Szijártó.

In den vergangenen Tagen habe es "beunruhigende" Medienberichte gegeben, dass Ungarn scheinbar hunderte verurteilte Menschenschlepper freilassen will, erklärte Schallenberg. Das "scheinbare" Argument Budapests, Ausländer in den Gefängnissen zu haben, sei zu teuer, stehe im Widerspruch zur "scheinbar klaren Linie" der Vergangenheit Ungarns gegenüber Menschenschlepperei.

Gemäß einer Verordnung, welche die rechtsnationale ungarische Regierung von Viktor Orbán Ende des Vormonats erlassen hat, werden inhaftierte Schlepper aus dem Ausland freigelassen, wenn sie Ungarn innerhalb von 72 Stunden verlassen. Das ungarische Strafrecht sieht an sich langjährige Haftstrafen von zwei bis 20 Jahren für Menschenschmuggel vor. Kanzleramtsminister Gergely Gulyás begründete den Schritt damit, dass die Inhaftierung ausländischer Straftäter zu teuer käme.

Kickl: "Unverständlich und inakzeptabel"

FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht sich durch die ungarischen Schlepper-Freilassungen in seiner Position bestärkt, "dass der Schutz der eigenen Bevölkerung vor den negativen Folgen einer 'neuen Völkerwanderung' primär eine nationale Aufgabe sein muss". Die umstrittene Maßnahme sei "aus österreichischer Sicht unverständlich und inakzeptabel und steht in Widerspruch zu unserem Konzept zum Schutz Österreichs vor Asylmissbrauch", teilte Kickl am Montag auf Anfrage mit.

"Eine politisch-diplomatische Ablehnung der Schlepperfreilassung durch Österreich ist logisch, weil diese Maßnahme kontraproduktiv für die Schutzinteressen Österreichs ist", ließ der Ex-Innenminister Unterstützung für die bisherige Reaktion der türkis-grünen Bundesregierung erkennen. Die von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) infrage gestellte Polizeikooperation mit Ungarn solle jedoch aufrechterhalten werden.

Ungarn bislang für Kickl Vorbild

Kickl hatte die ungarische Asylpolitik mehrmals gelobt, jüngst auch bei einer internationalen Konferenz von konservativen Politikern in Budapest. Die "Vorbildfunktion Ungarns" beziehe sich "auf das Nichtannehmen von Asylanträgen und den Ausschluss von Geld-und Sozialleistungen für Personen, die illegal die ungarische Grenze überschritten haben, sowie auf den effektiven Schutz der EU-Außengrenze auch durch bauliche Maßnahmen", betonte Kickl nun. Insbesondere "die völlige Abkehr von Geldleistungen" sei der Hauptgrund für die niedrigen Asylantragszahlen in Ungarn. Diese Schutzmaßnahmen seien auch wesentlicher Bestandteil des 23-Punkte-Plans ("Festung Österreich").

Einzelne Maßnahmen einer anderen Regierung als vorbildhaft zu übernehmen bedeute aber "nicht, alles gut zu heißen, was diese Regierung tut", unterstrich der FPÖ-Chef unter Anführung von zwei Beispielen. So sei die Übernahme des schwedischen Modells in der Corona-Politik durch die FPÖ "keine generelle Übernahme schwedischer Regierungspolitik" gewesen. Ähnliches gelte für Italien, wo es in seiner Zeit als Innenminister "ein klares Ja zur Abwehr Illegaler auf dem Seeweg" gegeben habe und zugleich "ein klares Nein zum italienischen Ansinnen einer Verteilung von 'Völkerwanderern' in andere EU-Länder". (APA)

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