Ex-Ministerin vor Gericht

Urteil im Karmasin-Prozess: 15 Monate bedingte Haft für Ex-Ministerin

Ex-Familienministerin Sophie Karmasin am letzten Prozesstag am Wiener Landesgericht.
© GEORG HOCHMUTH

Das Verfahren wegen schweren Betrugs und Bestimmung zu wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen gegen die Ex-Familienministerin und einen Mitangeklagten ging am Dienstag erstinstanzlich zu Ende. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Wien – Die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) ist am Dienstag am Wiener Landesgericht wegen Bestimmung zu wettbewerbsbeschränkenden Absprachen schuldig gesprochen worden. Vom inkriminierten schweren Betrug wurde sie dagegen freigesprochen. Ein Schöffensenat billigte ihr in diesem Punkt tätige Reue zu. Karmasin wurde zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt. Die Ex-ÖVP-Politikerin muss daher nicht mehr in Gefängnis. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der Freispruch erfolgte, obwohl für das Gericht die von der Anklage angenommenen betrügerischen Handlungen im Zusammenhang mit den Bezugsfortzahlungen aus Karmasins vorangegangener ministeriellen Tätigkeit für das Gericht "zweifellos" erwiesen und "eindeutig dokumentiert" waren. Karmasin habe "mit voller Absicht und wissentlich den Betrug begangen", betonte Richter Patrick Aulebauer in der Urteilsbegründung. Ihr sei klar gewesen, dass sie keinen Anspruch auf Bezugsfortzahlung hatte. Karmasins Verantwortung, sie habe guten Gewissens um den Weiterbezug ihres Gehalts als Ministerin ersucht, sei "völlig unglaubwürdig". "Das kann ihr von niemandem geglaubt werden", konstatierte der Richter.

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Hinsichtlich des dadurch entstandenen Schadens ging das Gericht davon aus, dass die Republik Karmasin bis zum 22. Mai 2018 zu Unrecht rund 43.000 Euro ausbezahlt hatte – für den Senat war eine entgeltliche berufliche Tätigkeit Karmasins erst ab 26. Jänner 2018 und nicht – wie von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angenommen – ab 19. Dezember 2017 erwiesen. Karmasin war Anfang Dezember 2017 aus dem Ministeramt geschieden. Und dennoch konnte die Ex-Ministerin nicht als Betrügerin verurteilt werden – dank des §167 Abs 2 StGB, in dem tätige Reue normiert ist. Dieser Bestimmung zufolge wird die Strafbarkeit eines Betrugs dann aufgehoben, wenn eine Täterin oder ein Täter den angerichteten Schaden vollständig und freiwillig gut macht, bevor die Behörde von seinem Verschulden erfahren hat.

Das kam Karmasin zugute, denn dass diese ihre Ministerbezüge weiter bezogen hatte, hatte erstmals die "ZiB 2" am 7. März 2022 thematisiert. Zwei Tage später veranlasste Karmasin – sie saß damals in U-Haft - dann über ihre Rechtsvertreter die Rückzahlung von rund 62.000 Euro. Von der WKStA wurde sie damals wegen dieser Sache noch nicht verfolgt. "Bis zum 10. März ist aus dem Akt kein Tatverdacht ersichtlich", stellte Richter Aulebauer in seiner Urteilsbegründung klar. Nach dem "ZiB2"-Bericht "haben Sie sich wohl gedacht, jetzt wird es brenzlig", mutmaßte Aulebauer in Richtung der Meinungsforscherin. Die Rückerstattung des rechtswidrig bezogenen Geldes sei tatsächlich "noch rechtzeitig", freiwillig und vollständig in die Wege geleitet worden, "ob einem das gefällt oder nicht. So ist das Gesetz. Vor dem Gesetz ist jeder gleich."

Bei einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren fand das Gericht 15 Monate für die verbotenen wettbewerbsbeschränkenden Absprachen angemessen. Diese bezogen sich auf drei Studien für das Sportministerium, für die Karmasin den Zuschlag erhielt, indem sie zwei Mitbewerberinnen - darunter ihre frühere Mitarbeiterin Sabine Beinschab - dazu brachte, "von ihr inhaltlich vorgegebene und mit ihr vorab inhaltlich abgesprochene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnende Karmasin Research & Identity GmbH die Aufträge bekommen würde", wie es in der Anklageschrift hieß. Beinschab und die zweite Konkurrentin legten zwischen April 2019 und Juni 2021 Angebote, die Karmasin dann jeweils unterbot. Das war nach Ansicht des Erstgerichts "jedenfalls rechtswidrig" und habe "gezielt den Wettbewerb eingeschränkt".

Urteile noch nicht rechtskräftig

Der mitangeklagte Abteilungsleiter im Sportministerium wurde von den wider ihn erhobenen Vorwürfen im Zusammenhang mit den Studien, die Karmasin für das Sportministerium erstellt hatte, im Zweifel freigesprochen. Es gebe kein Motiv, weshalb der Beamte Karmasin vorsätzlich in Schädigungsabsicht unterstützen hätte sollen, erläuterte dazu der vorsitzende Richter. Es sei nicht auszuschließen, dass er auf Grund der damals guten Reputation Karmasins oder aus Obrigkeitshörigkeit in deren Sinn gehandelt habe.

Die Entscheidungen des Gerichts sind nicht rechtskräftig. Karmasins Verteidiger Norbert Wess und Philipp Wolm baten um Bedenkzeit, die Anklagevertreter gaben vorerst keine Erklärung ab.

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Sophie Karmasin hatte in ihrem Schlusswort noch ein Mal betont, sie habe sich strafrechtlich nichts zu Schulden kommen lassen. Hinsichtlich des Vorwurfs, nach ihrer Tätigkeit als Ministerin betrügerisch Bezüge weiter bezogen zu haben, habe sie "unbedacht, unvorsichtig, vielleicht naiv" gehandelt: "Ich hatte aber nicht die Absicht, die Republik zu schädigen." Sie habe sich in einer "Ausnahmesituation" befunden und angesichts ihrer unklaren beruflichen Zukunft um Bezugsfortzahlung angesucht. Zu den Studien für das Sportministerium bemerkte Karmasin, sie habe sich dafür vom Ministerium "einspannen" lassen. "Bei mir stellt sich nicht die Frage, was war meine Leistung. Bei mir stellt sich die Frage, wo ist der Schaden", sinnierte die Meinungsforscherin, um sogleich festzuhalten: "Es gibt keinen Schaden." Sie könne nicht "für alles, was mir vorgeworfen wird, Verantwortung übernehmen".

Von Mitarbeitern schwer belastet

Karmasin beklagte sich auch noch, dass sie in während ihrer U-Haft "nicht besonders gut" behandelt worden sei. So habe man in ihrer Zelle "vier Mal in der Nacht das Licht aufgedreht". An ihrer ehemaligen Mitarbeiterin und Vertrauten Sabine Beinschab, die in der Vorwoche gegen sie ausgesagt und schwer belastet hatte, ließ die Ex-Ministerin kein gutes Haar. Diese sei "eine toughe Geschäftsfrau und sicher kein Opfer" und nutze ihren Status als Kronzeugin aus.

Die beiden Vertreter der WKStA hatten in ihren Schlussvorträgen eine "spürbare teilbedingte Freiheitsstrafe" für Sophie Karmasin verlangt. Diese habe "konsequent gegen das Gesetz verstoßen und "schon lange vor Beendigung ihrer Ministerschaft" Verdienstmöglichkeiten geplant und unmittelbar nach ihrer politische Karriere nahtlos entgeltliche berufliche Tätigkeiten aufgenommen. Dessen ungeachtet habe sie auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Bezüge als Ex-Ministerin bezogen und "einen ordentlichen Aufwand betrieben, um ihre Zuverdienste zu verschleiern". Ihre Tathandlungen habe die Ex-Ministerin "erst beendet, als sie öffentliche Aufdeckung befürchten musste".

Ermittlungen in ÖVP-Umfragen-Affäre laufen weiter

In der gegenständlichen Verhandlung ging es noch nicht um die ÖVP-Umfragen-Affäre. Was das so genannte Beinschab-Tool betrifft, ermittelt die WKStA neben Karmasin unter anderem auch gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, dessen früheres engstes berufliches Umfeld sowie die ÖVP. Laut Beinschab hatte Karmasin ihr den Kontakt zum damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, vermittelt. In weiterer Folge soll dann das so genannte Beinschab-Tool entwickelt worden sein. Inhaltlich soll Karmasin an den Studien fürs Finanzministerium zwar nicht mitgewirkt, von sich aus aber 20 Prozent Umsatzbeteiligung für Kontakt-Vermittlung und Beratung verlangt haben, berichtete Beinschab in der Vorwoche als Zeugin unter Wahrheitspflicht: "Sie hat gesagt, sie will inkludiert sein in diesem Paket." Diese 20 Prozent auf den Umsatz aller für das Finanzministerium erstellten Studien seien die Gegenleistung dafür gewesen, dass Karmasin den Kontakt zu Thomas Schmid, aber auch zu den Fellner-Brüdern hergestellt hatte. Den Inhalt der Studien, die sie im Auftrag von Schmid für das Finanzministerium erstellt habe, habe sie im Vorhinein absprechen müssen. "Fragen bitte mit Frischi abklären", liest sich dazu eine Chatnachricht von Karmasin an Beinschab. Gemeint dürfte damit der ehemalige Pressesprecher von Ex-Kanzler Kurz, Johannes Frischmann, gewesen sein.

"Die Politik muss das, was die Gerichte nun aufarbeiten, als Anstoß nehmen, um die strukturelle Korruption zukünftig zu unterbinden", reagierten die NEOS in einer Aussendung auf den Ausgang des Karmasin-Prozesses. Die letzten zwei U-Ausschüsse hätten herausgearbeitet, "welche Machenschaften in der österreichischen Politik getrieben wurden - und werden", meinte Stephanie Krisper, NEOS-Sprecherin für Inneres und U-Ausschuss-Fraktionsführerin. Jetzt müssten die nötigen Reformen folgen. (APA)

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