Karriere in Serie

Gehaltsexperte im TT-Interview: „Es geht um Gier und Neid“

„Es geht nicht um das Gehalt, sondern um das Gesamtpaket“, sagt Conrad Pramböck. Ein Job müsse attraktiv gestaltet werden, insbesondere bei den Rahmenbedingungen.
© iStock/alfexe

Mit dem Thema Gehalt beschäftigte er sich in allen Facetten: Conrad Pramböck, Gehaltsexperte, Redner und Buchautor, über die Kunst der Gehaltsverhandlung, Gehaltstransparenz und Fehler bei Bewerbungsgesprächen.

Sie sind Autor des Buches „Die Kunst der Gehaltsverhandlung“ – worin liegt denn die Kunst?

Conrad Pramböck: Ich erlebe es immer wieder, dass junge Menschen unvorbereitet in eine Verhandlung gehen und im Anschluss mit einem Ergebnis wieder herauskommen, das sie sich eigentlich anders vorgestellt haben. Verhandlungsgeschick ist sehr wichtig – denn, wer gut verhandelt, verdient mehr und kann sich dann auch ein besseres Leben leisten.

Welche Fehler begehen dabei Arbeitnehmer hauptsächlich?

Pramböck: Es ist wichtig, sich Grenzen zu setzen. Ich empfehle, einen grünen Bereich festzulegen, in dem Sie sich jedenfalls einigen können, einen gelben Bereich für eine Einigung unter gewissen Umständen, und schließlich einen roten Bereich, der für Sie nicht infrage kommt. Dann geht es um angemessene Kommunikation im Gespräch selbst und darum, sich im Vorfeld klar über seine beruflichen Alternativen zu sein.

Und was machen Arbeitgeber falsch?

Pramböck: Viele glauben, die Welt ist noch gleich wie vor Corona. Das stimmt nicht – die Arbeitswelt hat sich komplett verändert. Zu Beginn der Pandemie schätzten alle noch, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben. Bei den weiteren Lockdowns erkannten die Arbeitnehmer nach und nach, welche weiteren Möglichkeiten es für sie gibt. Stichwort: Flexibilität. Etwa in Form von Home-Office, das vorher für viele Unternehmen undenkbar war und mittlerweile einen hohen Stellenwert erlebt. Der größte Fehler, den Unternehmer machen können, ist, zu glauben, dass man die Arbeitswelt von vor Corona zurückholen kann.

Was müssen Firmen in Zeiten von Mitarbeitermangel bei Gehaltsverhandlungen bedenken?

Pramböck: Es geht nicht nur um das Gehalt, sondern um das Gesamtpaket, der Job sollte attraktiv gestaltet sein. Viele Unternehmen setzen vermehrt auf Mitarbeiterbindung, etwa durch kleine Zuckerln wie den berühmten Obstkorb. Es geht aber um ansprechende Rahmenbedingungen, die zur jeweiligen privaten Situation passen müssen.

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Laut einer Umfrage ist das Gehalt aber dennoch für neun von zehn Bewerberinnen und Bewerbern entscheidend. Wie relevant ist dieses Kriterium bei älteren Beschäftigten und Berufseinsteigern?

Pramböck: Relevant ist es im Besonderen bei zwei Gruppen von Arbeitnehmern: In der Gruppe der gut qualifizierten Mitarbeiter, oftmals Akademiker, die ein paar Jahre Berufserfahrung aufweisen können. Die Nachfrage am Markt nach dieser Mitarbeitergruppe ist derzeit enorm. Und – Stichwort Inflation – auch bei den Mitarbeitern mit geringeren Gehältern, wo es primär darum geht, finanziell mit dem Gehalt über die Runden zu kommen. Die Vergütung muss attraktiver als die Sozialleistungen bei Arbeitslosigkeit sein.

Wohin gehen aus Ihrer Sicht die Trends bei der Entlohnung – wenn ich folgende Stichworte vorgebe: Teuerung, Teilzeit-Trends, immer unbeliebtere All-in-Verträge oder Benefits?

Pramböck: In manchen Bereichen herrscht eine regelrechte Goldgräberstimmung, vor allem bei Mitarbeitern in der Technik, der IT, Finanz und im Vertrieb. Der Fachkräftemangel schlägt hier derzeit voll zu, und es bewerben sich eher die Unternehmen bei den Mitarbeitern als umgekehrt. Für die nächsten Jahre sehe ich hier keine Änderungen.

Das Gehaltssystem oder Karrierestufen können ohne Weiteres transparent sein.
Conrad Pramböck (Gehaltsexperte, Buchautor)

Glauben Sie, dass Gehaltstransparenz die Attraktivität eines Arbeitgebers erhöhen kann?

Pramböck: Meine Erfahrung ist, dass Gehaltstransparenz sogar schädlich ist. Wenige Unternehmen haben es versucht und sind gescheitert. Die Rückmeldungen waren, dass es dadurch in Unternehmen so viele Diskussionen gab und es am Ende fast immer ein Drama war, weil sich die Mitarbeiter ungerecht behandelt fühlten.

Warum?

Pramböck: Das Problem ist, dass alle glauben, hocherfahren zu sein und am meisten verdienen zu müssen. Ich rate jedem Unternehmen, Gehälter im Unternehmen nicht transparent zu machen. Das Gehaltssystem oder Karrierestufen können ohne Weiteres transparent sein. Was Arbeitnehmer nicht erfahren sollten, sind konkrete Zahlen, wie die Kollegen eingestuft sind.

Schadet eine hundertprozentige Gehaltstransparenz gar dem Betriebsklima?

Pramböck: Ja, im Wesentlichen geht es hierzulande beim Thema Gehalt um zwei Emotionen: Gier und Neid. Das ist vor allem eine Kulturfrage: Sieht ein Amerikaner jemanden mit einem Ferrari, dann will er eines Tages auch einen fahren. Sieht das ein Österreicher, kommt ihm der Gedanke, dem Auto einen Kratzer zu verpassen (lacht). Ich bin davon überzeugt, dass das Gehalt in unserer Gesellschaft ein größeres Tabuthema ist als Sex.

Wenn jeder weiß, was alle verdienen

Gehaltstransparenz – ja oder nein? Die TT hat bei Unternehmern nachgefragt, die eine Offenlegung der Gehälter praktizieren und favorisieren.

Transparente Gagen gibt es beim Softwareunternehmen CSS Software Team, ein österreichweit tätiges Softwareunternehmen mit 34 Mitarbeitern, das auch Unternehmen in Tirol betreut. Der Geschäftsführer Sven Schweiger informiert: „Der ausschlaggebende Punkt, der dazu geführt hat, dass wir 2017 unser Gehaltssystem umgestellt haben, war, dass wir merkten, dass besonders Techniker oftmals weniger gute Verhandler waren als Mitarbeiter anderer Bereiche, wodurch sich für diese aber dann ein finanzieller Nachteil ergeben hat.“ Um Unfairness zu verhindern, wurde ein Schritt in Richtung hundertprozentige Gehaltstransparenz getätigt.

Nachgefragt, ob dies keinen „Neid“ unter den Mitarbeitern schüren würde, erklärt der Geschäftsführer: „Ich glaube, dass in der Betriebsküche eher die Unwissenheit über den Gehalt des anderen Neid schürt als das Wissen darüber.“

Die organisatorische Umstellung forderte das Unternehmen ein ganzes Jahr lang – mit dem Resultat sei man aber zufrieden, sodass es definitiv weiterhin so gehandhabt wird: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen nun auch, dass ihnen nichts passieren könne bei Umstellungen. „Wir sind überzeugt, dass Transparenz das beste Sicherheitsnetz ist.“

In Tirol setzt unter anderen der Oberländer Personalvermittler BBO People auf Gehaltstransparenz. „In unserem Unternehmen werden alle gleich behandelt, jeder weiß, was der andere verdient“, versichert Geschäftsführer Markus Noppeney, und: „Das Thema Gehalt wird ganz offen kommuniziert.“ Mit dem Thema Neid gebe es kein Problem.

Auch im Internet findet sich in puncto Gehaltstransparenz bereits ein breites Angebot, beispielsweise durch die Arbeitgeber-Bewertungsplattform „Kununu“. Dort können Arbeitnehmer anonym und kostenlos ihren Arbeitgeber bewerten.

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