Multitasking eines Musketiers
Der großartige François Leleux als Solo-Oboist und Dirigent beim Symphoniekonzert im Congress.
Innsbruck – François Leleux und das Innsbrucker Publikum: Da passt die Chemie, das ist vraiment extraordinaire, wirklich außergewöhnlich, um den Gast aus Frankreich mit ein paar hängen gebliebenen Brocken seiner Muttersprache gleich vorab gehörig zu loben. Beeindrucken wird Monsieur Leleux das eher weniger. Beeindruckend ist aber jenes Gastspiel, sein hierzulande drittes binnen vier Jahren, mit dem der Ausnahme-Oboist und Dirigent beim Symphoniekonzert Donnerstagabend den Innsbrucker Congress beglückt (man kann es kaum anders als leicht geschwollen in Worte fassen).
Leuleux leitet das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck (TSOI) mit unbändigem Temperament und hochansteckender Energie. Das vor ihm versammelte Klangkollektiv fängt sofort Feuer: Leleux’ Verve und Dynamik, seine fachkundige Begeisterung für die Opera auf den Notenpulten übertragen sich 1:1.
Johannes Brahms’ „Akademische Festouvertüre“ in c-Moll (op. 80), mit der sich der Romantiker selbst zu einem Ehrendoktorat gratuliert (das vermag halt auch nicht jeder), ist ein schwungvoller Aufgalopp mit Anleihen bei studentischem Jubelgesang in der Art von „Gaudeamus igitur“. Nur eine Lockerungsübung für Leleux am Pult.
Es folgt der Höhepunkt: C-Dur-Konzert für Orchester und – erraten – Oboe, Leleux’ hauptsächliches Instrument. Besagtes Konzert wird Joseph Haydn zugeschrieben. Tatsächlich, so die Musikwissenschaft, sei aber Ignaz Malzat der Verfasser, ein wenig bekannter Zeitgenosse Haydns.
Wie auch immer. Im Saal bleiben ob der schon grotesk schwierigen Solopartie reihenweise Münder offen: unglaublich, was dem nun als Solisten agierenden Leleux an der Oboe abverlangt wird. Grandios, mit welcher Leichtigkeit er durch aberwitzige Hochschaubahnen aus Noten manövriert.
Das Orchester vergisst er dabei nicht (wer könnte es ihm derart beschäftigt verübeln?): eine Geste, ein Nicken, das Zeichen für den Einsatz. In diesem Fall klappt es mit dem Multitasking.
Die Zuhörerschaft gerät in Ekstase: Heftige Ovationen bereits nach dem ersten von drei Sätzen. Auf die Etikette – Applaus bitteschön erst ganz am Ende eines Stücks – wird ausnahmsweise gehustet. Leleux reicht Glucks „Scène des Champs-Élysées“ als Zugabe nach. Muss er. Sonst darf er nicht in die Pause.
Danach Brahms’ 1. Symphonie c-Moll (op. 68). Leleux agiert nun wieder als Antreiber, schattenfechtend, einem von Dumas’ Musketieren gleich. Das Orchester am Anschlag. Ein großer Konzertabend.
Postskriptum: Das TSOI steht vor der kommenden Saison noch immer ohne Chefdirigent(-in) da (die TT berichtete). Jemanden wie Leleux kann man dem Orchester nur wünschen. Er selbst wäre dann aber doch ein paar Nummern zu groß.