Roter Machtkampf entschieden

Das war der SPÖ-Sonderparteitag: Doskozil wird neuer Parteichef, Absage an FPÖ und ÖVP

Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil reagierte emotional auf seinen Sieg in der Kampfabstimmung auf dem SPÖ-Parteitag.
© GEORG HOCHMUTH

Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil erhielt beim SPÖ-Sonderparteitag 53 Prozent der Stimmen, sein Konkurrent Andreas Babler 46,8 Prozent. Doskozil will die Partei zur neuen Nummer 1 machen und schließt die FPÖ als Koalitionspartner aus.

Linz – Hans Peter Doskozil ist neuer Vorsitzender der SPÖ und wird damit auch Spitzenkandidat bei der nächsten Nationalratswahl. Am außerordentlichen Parteitag in Linz erhielt er Samstagnachmittag 53 Prozent der Stimmen, 46,8 Prozent votierten für Gegenkandidat Andreas Babler. Der Rest entfiel auf ungültige Stimmen. Das „einfache Parteimitglied“ Berthold Felber, das auch Parteichef werden wollte, erhielt keine Stimme.

📽️ Video | Doskozil setzt sich auf SPÖ-Parteitag durch

Amtsinhaberin Pamela Rendi-Wagner war nicht mehr angetreten, nachdem sie bei der Mitgliederbefragung hinter Doskozil und Babler nur Platz drei errungen hatte. Sie blieb dem Parteitag ebenso fern wie sämtliche ehemalige Vorsitzende.

In seiner Siegesrede, bei der er anfangs fast nicht zu seiner Stimme fand, zeigte sich Doskozil „überwältigt“. „Es ist auch mein Lebenstraum, an der Spitze der Sozialdemokratie stehen zu dürfen.“ Seinen unterlegenen Widersacher Babler bat er auf die Bühne, es gab einen Handshake und eine flüchtige Umarmung, was bei den Delegierten für Jubel und Standing Ovations sorgte. Doskozil dankte dem „lieben Andi“ umgehend dafür, dass er zu diesem „symbolischen Schritt des aufeinander Zugehens“ bereit gewesen sei.

Hans Peter Doskozil (r.) holte bei seiner Dankesrede Andreas Babler auf die Bühne.
© APA/GEORG HOCHMUTH

Doskozil: Keine Koalition mit der FPÖ

Die weiteren Ziele sparte er nicht aus. Er wolle die SPÖ zum „Non plus ultra für die nächsten Wahlen machen“. Und auch ein Versprechen gab der burgenländische Landeshauptmann gleich ab: „Es wird, sollten wir die Wahl gewinnen, möglicherweise Erster werden, es wird keine Koalition mit der Freiheitlichen Partei geben.“ Die FPÖ habe die Bevölkerung gespalten, ob beim Asyl- oder beim Corona-Thema: „Das geht sich nicht aus.“

Und auch für die Volkspartei gab es eine Absage. „Auch das will ich in Angriff nehmen: Keine Koalition mit der ÖVP.“ Er habe diese im Burgenland und im Bund erlebt, mit allen Tricksereien immer nur am Machterhalt interessiert. „Wir öffnen ihnen jetzt nicht mehr die Tür. Wir müssen so stark werden, dass wir diese Dreierkoalition schaffen“, sagte er zur von ihm angestrebten Regierung aus SPÖ, Grünen und NEOS.

Babler zeigte sich als fairer Verlierer. Er sei Demokrat und akzeptiere das Ergebnis natürlich, meinte er im Gespräch mit Journalisten. Er werde der Partei auch in Zukunft überall zur Verfügung stehen, wie er das in den vergangenen 35 Jahren gehalten habe. An die mit der Mitgliederbefragung neu eingetretenen Mitglieder, die zum Großteil ihn unterstützt haben dürften, appellierte der Traiskirchener Bürgermeister, sich weiter in der Partei zu engagieren. Dass die jüngst bekannt gewordene EU-Schelte Grund für seine Niederlage gewesen sein könnte, glaubt Babler nicht. Klare Ansagen täten der SPÖ ganz gut.

Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer gratulierte Doskozil zur Wahl. „Nach durchaus lebendigen Wochen in der Sozialdemokratie werden wir gemeinsam aufbrechen zu neuer Stärke und Geschlossenheit. Damit die SPÖ wieder die bestimmende politische Kraft in Österreich wird.“

📽️ Video | SPÖ Tirol-Chef Dornauer zum Wahlausgang

So war der Parteitag

Mit einer halben Stunde Verspätung begann am Samstagvormittag der Parteitag der SPÖ. Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch dankte Pamela Rendi-Wagner für ihre Arbeit als Vorsitzende. Sie bekam langen Applaus, die Genossinnen und Genossen erhoben sich dabei von ihren Sitzen. Zum Parteitag wurden 609 Delegierte eingeladen, gekommen sind 603 wahlberechtigte Delegierte. Zudem kamen 298 geladene Gäste und mehr als 100 Journalisten.

Die jeweils 45-minütigen Reden der beiden Vorsitz-Anwärter waren mit großem Beifall und teils stehenden Ovationen aufgenommen worden. Besonders Babler gelang es, mit einer pathetischen, lautstark vorgetragenen Rede die Delegierten zu begeistern.

📽️ Video | Rede von Doskozil

„Rauszugehen aus der Komfortsituation“, das nannte Hans Peter Doskozil als seine Motivation für die Kandidatur. Das müsse auch die Partei machen. „Es ist dringend notwendig, sich programmatisch zu positionieren. Wir müssen wieder stolz sein auf unsere Bewegung“, sagte Doskozil. „Aber dann müssen wir auch Politik machen und umsetzen.“ Denn das erwarte sich die Bevölkerung von der SPÖ. Seine knappe Antwort: „Sie erwartet Lösungen für die alltäglichen Probleme.“ Die Probleme betreffen Wohnen, Gesundheit, Pflege, Migration und Arbeit.

Der burgenländische Landeshauptmann versuchte in einem ruhigen und sachlichen Ton seine Schwerpunkte zu setzen. Beim Mindestlohn forderte er die Gewerkschaft auf, gemeinsam vorzugehen. „Der Mindestlohn darf nicht scheitern, weil wir uns nicht einigen konnten.“ Er will sein Engagement für den gesetzlichen Mindestlohn als Unterstützung für die Sozialpartner verstehen, damit es mit dem Kollektivvertrag einen Mindestlohn gibt. „Ihr könnt der Wirtschaft sagen, wenn wir uns nicht einigen, kommt der Doskozil und macht eine gesetzliche Lösung.“

Wertschätzung für Pflege

Bei der Pflege müsse künftig ausgeschlossen werden, dass man damit Gewinne machen kann. Im Burgenland hat Doskozil dafür schon die Weichen gestellt. Zugleich müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege endlich die Wertschätzung bekommen, die sie verdienen.

Im Gesundheitsbereich wurden in der Vergangenheit auch unter der SPÖ-Mitwirkung falsche Entscheidungen getroffen. Man habe das Heft des Handelns aus der Hand gegeben und der Ärztekammer zu viel an Macht. Zur Ausbildung einte Doskozil: „Wer hier Medizin studiert, muss auch hier eine Zeit lang arbeiten.“

Zwei- oder gar Drei-Klassen-Medizin

Dann kam die Zwei- oder gar Drei-Klassen-Medizin zur Sprache. „Der Trend zu den Wahlärzten muss gebrochen werden.“ Doskozil erinnerte an das dänische Modell, wo es keine Wahlärzte gibt. „Gesundheit und Pflege ist Aufgabe der öffentlichen Hand, nicht der privaten Geschäftemacher.“

Er lasse sich auch nicht nachsagen, mit Frauenpolitik nichts am Hut zu haben. Er wolle nur nicht Frauenpolitik auf die Quote reduzieren. Er lasse auch keine Inserate schalten bei einem „gewissen Medium“. Gemeint war Österreich aufgrund „der aggressiven Inseratenkeilerei und der sexistischen Verhaltensweise“ des Herausgebers.

Er sei einmal bei der „Adler Runde“ eingeladen gewesen, wo sich ein Tiroler Industrieller damit gerühmt hätte, Sebastian Kurz mit einer Million Euro unterstützt zu haben. „Ich bin gegen Spenden an Parteien“, so Doskozil.

Ich verspreche. Die Stimme hält durch.
Hans Peter Doskozil

Beide Kandidaten haben Ecken und Kanten. Das Ergebnis müsse respektiert werden. Er werde es tun. Zum Schluss ging er auf sein Handicap ein. „Ich verspreche. Die Stimme hält durch.“ Und dann: „Es lebe die Sozialdemokratie. Freundschaft.“ Applaus

Rede von Babler

Nach Doskozil war Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler am Wort. Er bedankte sich zu Beginn seiner Rede bei Pamela Rendi-Wagner. Er wolle seinen Beitrag zur Einheit in der Partei leisten, fügte er an.

Während Doskozil mit Sachlichkeit überzeugen wollte, wählte Babler den kämpferischen Ton. Gemeinsamkeit und Gleichberechtigung seien Schlüsselworte der Sozialdemokratie. Immer wieder unterbrochen von Applaus betonte er die Sozialdemokratie als offensives Gegenmodell zum herrschenden System. Konkret wolle er auf einen Kampf „Seite an Seite mit der Gewerkschaft“ setzen.

Endlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
Andreas Babler

Dann wurden die Frauen direkt angesprochen. „Endlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit.“ Babler stellte die Forderung nach Lohntransparenz. Sozialdemokratie „heißt, die Arbeitsbedingungen zu verbessern“. Das gilt vor allem auch für die Pflegerinnen und Pfleger.

Asyl und Klimaschutz

Während Dokozil Asyl und Arbeitsmigration ausklammerte, ging Babler näher darauf ein. Man müsse die Bedingungen dafür verbessern, dass die Menschen nicht ausgebeutet werden. Bei Doskozils Rede war auch Klimaschutz kein Thema. Babler ging darauf ein: „Denn der Kampf gegen den Klimawandel ist auch ein Verteidigungskampf und damit ein sozialdemokratisches Anliegen. Es geht um Gerechtigkeit. Denn die Reichen werden weiter ihre Klimaanlage einschalten, während andere vielleicht kein Wasser mehr haben.“

Er forderte einen sofortigen Eingriff über Energiekonzerne. Und „hören wir auf. Wir sind keine Bittsteller in dieser Republik. Jedes fünfte Kind ist von Armut gefährdet. Das ist nicht mehr hinzunehmen. Und die Regierung kommt mit Almosen daher.“ Lauter Applaus!

Gerechte Vermögenssteuer als Koalitionsbedingung

Im Sinne der Gerechtigkeit forderte Babler die Vermögenssteuer. Mit Leidenschaft forderte er das Geld der Vermögenden und der Erbengeneration. „Eine gerechte Vermögenssteuer ist für mich eine Koalitionsbedingung“, sagte Babler.

Man müsse wieder Wahlen gewinnen. Er erinnerte an den verstorbenen, großen niederländischen Fußballer Johan Gruyfff und dessen Zitat über seine Fußballphilosophie: „Wenn wir den Ball haben, schießt der Gegner kein Tor.“ Bablers Übersetzung: „Wenn wir für Gerechtigkeit kämpfen, gewinnen wir die Wahl.“ Gruyff stand für Offensivfußball, den Offensivdrang wünsche er, Babler, sich im Kampf der SPÖ gegen die FPÖ. „Wer rechts blinkt, macht Kickl groß.“ Babler bekam einen langen und anhaltenden Applaus.

Reaktionen der Delegierten

ÖGB-Chef Wolfgang Katzian wollte in seinem Debattenbeitrag keine direkte Empfehlung abgeben. Aber er pochte wie Babler auf die Lohnpolitik durch Kollektivverträge. Der EU-Abgeordnete Andreas Schieder nützte seinen dreiminütigen Redebeitrag zum Aufruf der Geschlossenheit der Partei. Für Julia Herr kann Babler „Menschen ansprechen, die sich von uns abgewendet haben.“

Spitzengewerkschafter Beppo Muchitsch sorgte sich am Beginn des Parteitages um die Geschlossenheit. Aber nach den beiden Reden von Babler und Doskozil geht es mit wieder besser. „Mit Geschlossenheit sind wir unschlagbar.“ Der frühere Bundesgeschäftsführer Max Lercher, er ist ein deklarierter Doskozil-Unterstützer, sieht eine gemeinsame Vision der Partei. „Wir sind für die da, die es sich nicht selber richten können.“ Er wolle alles tun, „um Gräber zuzuschütten.“ Der frühere SPÖ-Sozialminister Alois Stöger plädiert für Positionen weit weg vom Populismus. Daher ist er auf Bablers Seite.

Die Tiroler Soziallandesrätin Eva Pawlata war als Gastdelegierte in Linz – und daher nicht stimmberechtigt. Die beiden Reden hat sie aufmerksam verfolgt. Sie war von beiden Reden angetan. „Die SPÖ brauche beide Seiten“, meinte sie am Rande des Parteitages. Der ehemalige Klubobmann Josef Cap wird zum Doskozil-Lager gezählt. „Heute ist er letzte Selbstbeschäftigungstag. Ab morgen wird gekämpft, um Schwarz-Blau zu verhindern. Es muss sich ausgekickelt haben.“ Letzter Redner war der Innsbrucker SPÖ-Obmann Benjamin Flach. Er warb dabei für Babler.

💻 Der Live-Blog vom Parteitag zum Nachlesen:

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