SPÖ-Funktionäre erschüttert

SPÖ-Chaos als „Supergau" für die Partei: Stimmen werden heute neu ausgezählt

Der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler wird neuer SPÖ-Chef. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil war ursprünglich als Sieger verkündet worden. Wegen einer Panne seien die Namen vertauscht worden, hieß es.
© HELMUT FOHRINGER

Nach der peinlichen Panne bei der SPÖ, bei der der neue Parteichef Andreas Babler irrtümlich mit Hans Peter Doskozil vertauscht wurde, sollen die Stimmen heute noch einmal akribisch ausgezählt werden. Österreichs SPÖ-Funktionäre zeigen sich großteils erschüttert über den Fehler.

Wien – Die SPÖ hat innerhalb von drei Tagen ihren dritten Vorsitzenden. Beim Parteitag in Linz hatte Hans Peter Doskozil am Samstag Pamela Rendi-Wagner abgelöst. Doch die Freude währte nur bis Montag. Denn am Nachmittag verkündete die Leiterin der Wahlkommission Michaela Grubesa, dass man die Delegiertenstimmen vertauscht hat und doch Andreas Babler Parteichef ist. Der will auf Nummer sicher gehen und lässt neu auszählen.

Wahlkommission tagt ab 10 Uhr

Ab 10 Uhr tagt die Wahlkommission, teilte die Partei Dienstagfrüh in einer Aussendung mit. Auf Vorschlag Bablers wird dabei auch Notar Philipp Nierlich beigezogen, um die Auszählung notariell zu begleiten und die Richtigkeit des Ergebnisses zu garantieren.

Betont wurde von SPÖ-Seite auch, dass die Stimmzettel des außerordentlichen Bundesparteitags in Linz eingeschweißt auf einer Palette von Linz nach Wien transportiert worden seien. Die Stimmzettel seien in der Bundesgeschäftsstelle verwahrt und erst im Zuge der Neuauszählung wieder geöffnet worden. Zuletzt war gerüchteweise der Vorwurf laut geworden, die Zettel wären unversiegelt in einem Sackerl nach Wien gelangt.

Die Groteske hatte am Montagnachmittag ihren Lauf genommen, als erste Gerüchte in Umlauf kamen, wonach bei einer Nachzählung Ungereimtheiten aufgefallen seien. Dass überhaupt noch einmal nachgezählt wurde, hängt damit zusammen, dass beim am Parteitag verkündeten Ergebnis eine Stimme gefehlt hatte.

📽️ Video | SPÖ-Ergebnis falsch, Babler doch vorne

So trat gegen 16 Uhr Grubesa kurzfristig anberaumt vor die Medien und verkündete, dass man sich beim Befüllen einer Excel-Tabelle geirrt habe und die Babler-Stimmen Doskozil und umgekehrt zugeordnet hatte. Eine Nachprüfung am Parteitag habe es nicht gegeben, weil sie niemand verlangt habe, nahm die Kommissionsleiterin die Schuld auf sich.

Dass Babler nicht in Jubel verfiel, sondern die Kommission aufforderte, noch einmal nachzuzählen, hat Gründe. Denn ganz so, wie es Grubesa verkündet hat, dürfte es auch nicht gewesen sein. Die fehlende und nun wieder gefundene Stimme ordnete sie nämlich den ungültigen Stimmen zu – doch hat sich deren Zahl gegenüber dem Wahltag nicht geändert. Dafür gibt es bei den Sieger- und den Verlierer-Stimmen plötzlich jeweils eine mehr.

Grubesa hatte auch erklärt, dass sie am Nachmittag nachgezählt hat. Doskozil hatte aber schon davor Termine überraschend abgesagt, weil er am Vormittag von Ungereimtheiten erfahren habe. Babler wurde wiederum erst am Nachmittag von der Kommissionsleiterin informiert, nun doch Sieger zu sein.

Babler entschuldigt sich

Babler will eine nochmalige Neuauszählung.
© GEORG HOCHMUTH

Statt zu strahlen war der vermutlich neue SPÖ-Chef bei einem kurzfristig anberaumten Medien-Termin eher wütend. Babler sprach von einem „Tiefpunkt" durch die falsche Auszählung. Dieser sei nicht nur für Doskozil schmerzhaft, sondern für die ganze Partei. Das Geschehen sei nicht zu rechtfertigen: „Ich möchte mich für das Bild, das Teile unserer Apparate in den vergangenen Wochen abgegeben haben, aus tiefstem Herzen entschuldigen."

Ich möchte mich für das Bild, das Teile unserer Apparats in den vergangenen Wochen abgegeben haben, aus tiefstem Herzen entschuldigen.
Andreas Babler

Das Amt will der Traiskirchener Bürgermeister natürlich annehmen, sollte sich das Ergebnis diesmal bestätigen. Die Wahlkommission wird dazu am morgigen Vormittag zusammentreten. Wie es personell an den weiteren Schalthebeln der Partei weitergeht, wollte Babler angesichts der Situation noch nicht verkünden. Dass die Gremien wie erwartet schon am Mittwoch zusammentreten, ist nunmehr unsicher.

📽️ Video | Statement von Andreas Babler

Der Fehler sei bei der Übertragung in eine Excel-Tabelle passiert, so Grubesa. Die Listen aus den Wahlurnen seien zusammengeführt und in das System eingespeist worden: „Das Ergebnis wurde umgedreht". Fassungslos über die Vorgangsweise beim Sonderparteitag zeigte sich der ehemalige Leiter der Wahlabteilung im Innenministerium, Robert Stein. Die Auszählung einer Wahl zwischen zwei Kandidaten mit rund 600 Stimmberechtigten sei eine „sehr einfache Aufgabe" und innerhalb von 45 Minuten bzw. einer Stunde bewältigbar, so Stein im ORF-Radio. „Bis zum Ergebnis hat Elektronik überhaupt nichts verloren".

Ein neuer Parteitag ist laut Grubesa nicht nötig: „Aus meiner Sicht ist der ganze Prozess belegbar", so die Kommissionsleiterin, die sich bei Doskozil entschuldigte.

Doskozil: „Tiefpunkt für Sozialdemokratie"

Doskozil appellierte an seine Partei-KollegInnen, in die Zukunft zu blicken.
© HANS KLAUS TECHT

Wenig später trat dieser in Eisenstadt vor die Presse und gestand seine Niederlage ein. „Es ist unbestritten, das Wahlergebnis so zur Kenntnis zu nehmen", sagte er. Er wolle Babler „zum Gewinn der Wahl und zum Vorsitz der Bundespartei recht herzlich gratulieren". Seine eigenen Ambitionen erklärte Doskozil für beendet, er wolle auch keinen neuerlichen Sonderparteitag: „Für mich ist das Kapitel Bundespolitik damit ein für alle Male abgeschlossen." Ob er selber bei der Landtagswahl 2025 noch einmal antreten werde, ließ er offen.

📽️ Video | Statement von Hans Peter Doskozil

Die jüngsten Ereignisse wertete Doskozil als „Tiefpunkt" für die österreichische Sozialdemokratie. „Es wird Häme geben, es wird Spott geben, aber es wird wieder schönere Zeiten für die Sozialdemokratie geben", zeigte er sich nach knapp 48 Stunden, in denen er sich fälschlicherweise als Vorsitzender der SPÖ gewähnt hatte, überzeugt.

Parteigranden zeigen sich beschämt

Auch viele andere Parteigranden waren geradezu beschämt: Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser nannte die Geschehnisse rund um die Stimmenauszählung unglaublich. „Es ist einer der schlimmsten Tage für die Sozialdemokratie in den letzten Jahrzehnten", so Kaiser in der „ZiB2". Das Auszählungsergebnis müsse nun überprüft werden.

📽 Video | Kärntens LH Kaiser spricht von Supergau

"Wir brauchen ein definitives Ergebnis, das gesichert ist" – gegebenenfalls mit einer zusätzlichen Aufsicht. Einen neuerlichen Parteitag hielt er für nicht nötig, wenn das Ergebnis bestätigt wird. Mittlerweile schließe er aber nichts mehr aus.

Der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Landesparteivorsitzende Michael Ludwig hat dem nun doch zum Bundesparteichef gekürten Andreas Babler via Twitter gratuliert: „Er ist ein engagierter, dynamischer Sozialdemokrat und neuer Bundesparteivorsitzender der SPÖ. Er hat unsere volle Unterstützung!" Man trete für soziale Gerechtigkeit und ein „solidarisches Miteinander in unserer Gesellschaft" ein, hielt Ludwig in dem Posting fest.

Vorarlbergs SPÖ-Parteivorsitzende Gabi Sprickler-Falschlunger zeigte sich angesichts des vertauschten Auszählungsergebnisses hingegen fassungslos. In einer ersten Stellungnahme gegenüber ORF Radio Vorarlberg entschuldigte sie sich „bei allen Menschen in Österreich", sprach von unglaublichem Dilettantismus und sagte: „Ich schäme mich."

📽 Video | „Junge Generation"-Vorsitzender zur SPÖ-Wahlpanne

Für sie sei es unerklärlich, wie ein solcher Fehler passieren konnte. Zwar freue sie sich für Andreas Babler – Sprickler-Falschlunger hatte stets ihn gegenüber Hans Peter Doskozil präferiert – ihr tue aber auch der burgenländische Landeshauptmann leid, so Sprickler-Falschlunger. Der steirische SPÖ-Landeschef Anton Lang wollte die Entwicklungen in Wien am Montagnachmittag nicht kommentieren, hieß es seitens seines Sprechers.

Vorerst keine Stellungnahme von der Tiroler SPÖ

Auch aus dem Büro von Tirols Landeshauptmannstellvertreter und Landesparteichef Georg Dornauer werde es „vorläufig keine Stellungnahme" geben, sagte Dornauers Sprecherin Eda Celik. Bei der Landespartei tagte am Abend der Parteivorstand in der Zentrale.

📽 Video | Expertenanalyse über die Folgen der Verwechslung

Eine „herzliche Gratulation" gab es am Montagnachmittag hingegen aus der niederösterreichischen SPÖ an den neuen SPÖ-Bundesparteivorsitzenden. Die SPÖ brauche „nun Geschlossenheit, um zu neuer Stärke zu kommen", betonten der designierte Landesparteivorsitzende Sven Hergovich und Landesgeschäftsführer Wolfgang Zwander.

Die Landesgruppe bedankte sich in einer Aussendung zudem „aufrichtig wie herzlich bei Hans Peter Doskozil und Pamela Rendi-Wagner". Beide hätten „mit ganz starkem und engagiertem Einsatz gezeigt", wie viel Leidenschaft in der Bewegung stecke. „Fassungslos über die Performance der Auszählung", zeigte sich indes der scheidende niederösterreichische SPÖ-Chef Franz Schnabl. Er gratulierte Babler ebenfalls.

Die SPÖ Oberösterreich, deren Chef Landesrat Michael Lindner Doskozil an der Spitze der Bundespartei sehen wollte, gratulierte Babler zur Wahl. Er könne „auf die volle Unterstützung" aus Oberösterreich bauen, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme. Lindner sieht die Wahl durch den Sonderparteitag „als Auftrag zu einem neuen Miteinander, um eine mehrheitsfähige SPÖ zu erreichen". Er freue sich jetzt auf die Teamaufstellung von Babler, „welche alle Teile der SPÖ abbildet und die personelle, programmatische und organisatorische Vorbereitung der kommenden Nationalratswahl startet", blickte Lindner nach vorne.

Babler muss jetzt Ordnung in das SPÖ-Chaos bringen.
© APA/GEORG HOCHMUTH

Der Salzburger SPÖ-Vorsitzende David Egger hat Babler am späten Nachmittag ebenfalls zur Wahl gratuliert und ihm seine Unterstützung zugesichert. „Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich hinter der Politik von Hans Peter Doskozil stehe", teilte er in einer Aussendung mit. „Aber Andreas Babler hat mit einer mitreißenden Rede den Parteitag überzeugt und eine Wende herbeigeführt, dafür gebührt im Respekt." Mit Schuldzuweisungen hielt sich Egger zurück. „Der Fehler in der Auszählung ist peinlich, aber wo Menschen arbeiten passieren Fehler."

NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger sah in dem Ereignis nicht bloß einen Schaden für die SPÖ sondern auch für die Demokratie „und das ausgerechnet in Zeiten eines massiven Vertrauensverlusts". Gar nicht so unähnlich war die Einschätzung von FPÖ-Chef Herbert Kickl: Bürger würden sich angesichts von Ereignissen wie der Auszählungspanne, die offenbar nur durch einen Zufall ans Licht gekommen sei, fragen, ob solche „Verwechslungen beziehungsweise Verdrehungen" bei Ergebnissen tatsächlich erstmalig aufgetreten seien. Für ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker versinkt die SPÖ im „völligen Chaos". (TT.com, APA)

Mehr zum Thema:

undefined

Die Netz-Reaktionen

Wenn sogar Satirikern nichts mehr einfällt: Die besten Twitter-Reaktionen zum SPÖ-Debakel

undefined

-Wahl doch gewonnen

Babler nachträglich zum SPÖ-Sieger erklärt: Das ist der neue Hochrisiko-Chef