Moskau wirft Kiew nach Dammbruch Terroranschlag vor
Kurz vor der Sitzung des UNO-Sicherheitsrats hat das russische Außenministerium die Ukraine beschuldigt, den Kachowka-Staudamm zerstört zu haben. "Der Vorfall ist ein Terroranschlag, der sich gegen zutiefst zivile Infrastruktur richtet", heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Mitteilung der Behörde. Russland habe die Sitzung des Sicherheitsrats initiiert, um die von Kiew ausgelöste große "humanitäre und ökologische Katastrophe" zu verurteilen.
Die Ukraine ihrerseits wirft Russland die Sprengung des Damms vor. Militärexperte Markus Reisner vermutet, dass die russischen Besatzer den Staudamm gesprengt haben, um so die geplante ukrainische Gegenoffensive zu behindern. "Die Anlandung amphibischer Kräfte ist nicht möglich", sagte der Militäranalyst des Bundesheeres im ZDF Mittagsmagazin.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj versicherte, dass die Zerstörung des Dammes keine Auswirkungen auf die Gegenoffensive seines Landes zum Zurückdrängen der russischen Armee haben werde. "Die Explosion des Damms hat nicht die Fähigkeit der Ukraine beeinträchtigt, seine eigenen Gebiete von der Besatzung zu befreien", erklärte der Staatschef im Onlinedienst Telegram. Selenskyj fügte hinzu, er habe mit den höchsten Militärs gesprochen. Diese hätten ihm versichert, dass die ukrainische Armee in höchstem Maße bereit für die Gegenoffensive sei.
Wie die Internationalen Atomenergiebehörde am Abend mitteilte, hat das ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja noch für mehrere Monate Kühlwasser. Der nahe gelegene Kühlteich sei gegenwärtig voll und die sechs Reaktoren heruntergefahren, teilte die IAEA mit. Es seien Maßnahmen zur Einsparung von Wasser eingeleitet worden. Allerdings sei eine bereits sehr schwierige Lage nun noch schwieriger geworden, hieß es weiters.
Vor einer Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates in New York erklärte der russische UNO-Botschafter Wassili Nebensja, dass Hilfskräfte der Vereinten Nationen nur dann auf das von Moskau kontrollierte Gebiet gelassen werden, wenn sie über Russland dorthin reisen. "Sie weigern sich einfach, von der Russischen Föderation aus zu gehen", sagte Nebensja. Zugang sei den Hilfskräften "erlaubt, sofern sie aus dem richtigen Gebiet einreisen." Nebensja ließ zudem durchblicken, dass er eine unabhängige Untersuchung zu den Hintergründen der Zerstörung befürworten würde.
Die USA ließen durchblicken, dass sie noch immer nicht sicher seien, wer für die Staudamm-Zerstörung verantwortlich sei. Ein US-amerikanischer UNO-Vertreter hält eine Sabotage durch Kiew aber für unwahrscheinlich. "Warum sollte die Ukraine so etwas ihrem eigenen Territorium und ihren eigenen Menschen antun, ihr Land überschwemmen und Zehntausende dazu zwingen, ihre Häuser zu verlassen? Das macht einfach keinen Sinn", meinte der stellvertretende Botschafter Robert Wood vor der Dringlichkeitssitzung. Wood sagte, er hoffe, in einigen Tagen mehr Informationen zu dem offensichtlichen Angriff auf den Damm zu haben.
Nach Angaben aus Kiew müssen Zehntausende Menschen vor dem Hochwasser in Sicherheit gebracht werden. Allein auf der von den Ukrainern kontrollierten rechten Seite des Flusses Dnipro müssten rund 17.000 Anrainer gerettet werden.
Die 2014 von Russland annektierte Krim erhält Wasser aus dem Dnipro über einen Kanal. Wurde dieser nach 2014 zwischenzeitlich trockengelegt, so hat Russland nach der Besetzung des Kachowka-Staudamms auch den Kanal Richtung Krim für die Bewässerung der Halbinsel wieder geöffnet.